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China-Schleuser-AffäreAnwalt aus Frechen nennt 13 Namen von Beteiligten aus dem Rhein-Erft-Kreis

Lesezeit 5 Minuten
Das Bild zeigt zwei Polizeibeamte, die Kisten mit Beweismaterial tragen.

Bei der Razzia vor einem Jahr stellten Beamte von Polizei und Zoll kistenweise Beweismaterial sicher. 

Laut Staatsanwaltschaft wird erster Ermittlungskomplex im Laufe des Jahres abgeschlossen sein. Verfahren umfasst inzwischen 263 Personen. 

Als im April vergangenen Jahres bei einer bundesweiten Großrazzia gegen eine Schleuserbande, rund 1000 Beamtinnen und Beamten 100 Wohnungen und Geschäftsräume durchsuchten, ahnten nur die Ermittler, dass der Rhein-Erft-Kreis und insbesondere Frechen die Keimzelle der im Raum stehenden kriminellen Machenschaften ist. Von einem Büro in einem recht unattraktiven Gebäude an der Kölner Straße in Frechen aus sollen die Geschäfte gesteuert worden sein.

Über mehrere Jahre sollen etwa 350 wohlhabende Chinesen, teilweise mit ihren Familien, mithilfe von gefälschten oder unberechtigt ausgestellten Arbeitserlaubnissen sowie unrealistischen Businessplänen und fingierten Wohnadressen Aufenthaltserlaubnisse für Deutschland erhalten haben. Im Gegenzug sollen die Chinesen bis zu 350 000 Euro bezahlt haben. Einer der Drahtzieher soll ein Frechener Anwalt sein, der gute Kontakte in die Politik, in Diplomatenkreise und teilweise auch zu Ausländerämtern hatte.

Hinweise wegen Geldwäsche von Banken

Auf die Schliche kamen die Ermittler der Bande nach einem Hinweis des deutschen Konsulats aus Kanton in China sowie zahlreiche Geldwäsche-Verdachtsanzeigen durch Banken, hatte seinerzeit der zuständige Staatsanwalt erklärt.

Seit der Razzia laufen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und der Zollbehörden auf Hochtouren. Zwar sind von den damals zehn Haftbefehlen einige aufgehoben und andere zwischenzeitlich ganz außer Vollzug gesetzt worden, aber dennoch scheinen die Ermittlungen so weit fortgeschritten zu sein, dass „ein erster Ermittlungskomplex im Laufe des Jahres abgeschlossen werden kann“, so Julius Sterzel Sprecher der Staatsanwaltschaft Düsseldorf auf Anfrage dieser Zeitung.

Das Bild zeigt ein Bürogebäude in Frechen.

In diesem Gebäude in Frechen soll der in der Schleuseraffäre beschuldigte Anwalt seine Kanzlei gehabt haben.

Offenbar hat der Frechener Anwalt in einer Vernehmung Ross und Reiter genannt, was die Ermittlungen für die Beamten erleichtert. In der 18-seitigen Niederschrift des ersten Vernehmungsprotokolls berichtet der Jurist nicht nur, wie sich das Schleusergeschäft im Laufe der Jahre entwickelt hat, sondern er nennt auch die Namen der betroffenen Personen sowie die Zusammenhänge zu den im Raum stehenden illegalen Schleuseraktivitäten.

Dabei berichtet er auch über die Abläufe und Schwierigkeiten, die es mit skeptischen Mitarbeitenden in den Ausländerbehörden gegeben hat und wie diese mithilfe von politischen Einflussträgern gelöst wurden. Die insgesamt 13 Personen, die von dem Anwalt in der Vernehmung genannt werden, sind oder waren in Funktionen auf Sacharbeiterebene, aber auch auf höchster Führungsebene bei der Kreisverwaltung des Rhein-Erft-Kreises sowie der Stadtverwaltung Kerpen tätig.

15 000 Euro Parteispende als "Dankeschön"

Ebenso werden Namen von CDU-Politikern aus dem Rhein-Erft-Kreis genannt, die nicht nur die Türen zu den Verwaltungen öffneten, sondern auch für einen reibungslosen Ablauf der Erteilung der Aufenthaltserlaubnisse gesorgt haben sollen. Ebenso berichtet der beschuldigte Jurist über Geldzahlungen, Spenden in Höhe von 15 000 Euro, die 2022 und 2023 als „Dankeschön“ an die CDU-Rhein-Erft geflossen sein sollen.

Der Beschuldigte berichtet auch, auf welchen Konten die Zahlungseingänge der Chinesen geparkt wurden und wer Zugriff auf die Konten hatte. Dazu zählte auch ein Mitarbeiter einer von Chinesen geführten Firma in Frechen, in deren Räume der Anwalt seine Kanzlei hatte. Diese Firma soll sich unter anderem um die Schein-Wohnadressen für die Chinesen gekümmert haben.

In der Befragung spricht der Anwalt auch über das Hotel Sophienhöhe in Kerpen, das einem ehemaligen Landrat des Rhein-Erft-Kreises gehört hat und wie dieser das wie "sauer Bier" zum Verkauf angeboten haben soll, aber niemand es haben wollte. Schließlich sollen Chinesen dort als Investoren eingestiegen sein. Inzwischen wurde Insolvenz angemeldet und das Hotel hat seit Herbst vergangenen Jahres neue Besitzer.

Gegen Mitarbeitende des Rhein-Erft-Kreises und der Stadt Kerpen besteht der Verdacht, an der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen mitgewirkt zu haben in Kenntnis dessen, dass die Erteilungsvoraussetzungen nicht vorlagen.
Julius Sterzel, Sprecher der Staatsanwaltschaft Düsseldorf

Auf die konkreten Einlassungen des Anwalts geht der Staatsanwalt in der von der Redaktion schriftlich gestellten Anfrage nicht ein, erklärt aber pauschal: „Gegen Mitarbeitende des Rhein-Erft-Kreises und der Stadt Kerpen besteht der Verdacht, an der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen mitgewirkt zu haben in Kenntnis dessen, dass die Erteilungsvoraussetzungen nicht vorlagen. Der Verdacht ergibt sich im Wesentlichen aus den Angaben des Hauptbeschuldigten (der Anwalt aus Frechen, Anm. d. Redaktion). Inwieweit die Tatvorwürfe zutreffen, wird derzeit ermittelt.“

Der Rhein-Erft-Kreis als auch ein Politiker haben Medienanwälte eingeschaltet, die sich auf die Persönlichkeitsrechte ihrer Mandanten berufen. Es wird mit presserechtlichen Konsequenzen gedroht, sollte man die Namen veröffentlichen. In diesem Bericht wird auf die Nennung jeglicher Namen verzichtet.

Sichtung des sichergestellten Beweismaterials abgeschlossen

Die gesamte Schleuser-Affäre zieht Kreise über die Grenzen des Rhein-Erft-Kreises hinaus. So steht im Raum, dass der Anwalt auch beim Verkauf des Bordells Pascha in Köln an Chinesen seine Finger im Spiel gehabt haben soll. Ebenso sollen hohe Zahlungen nach Düren geflossen sein. Im Fokus steht dabei auch der inzwischen nicht mehr im Amt stehende Landrat aus Düren, der mit dem Schleusergeld den inzwischen insolventen Fußballvereine 1. FC Düren gepusht haben soll. Der Anwalt des nicht mehr im Amt stehenden Landrats bestreitet diese Vorwürfe.

Wie die Staatsanwaltschaft Düsseldorf auf Anfrage jetzt erklärte, sei die Sichtung des umfangreichen Beweismaterials in Papierform und digitaler Form inzwischen weitestgehend abgeschlossen worden, die Auswertung dauere allerdings noch an. Die Behörde teilte weiter mit, dass sich die ursprünglichen Verdachtsmomente gegen den Anwalt nicht nur bestätigt hätten, sondern weitere Beschuldigte dazugekommen seien. „Derzeit umfasst das Ermittlungsverfahren 263 Beschuldigte.“

Ein Teil der mutmaßlich geschleusten Drittstaatenangehörigen noch in Deutschland

Unklarheit besteht derweil noch darüber, wo sich die Chinesen seit der Razzia aufhalten. Sterzel: „Ein nicht unerheblicher Teil der mutmaßlich geschleusten Drittstaatsangehörigen hält sich nach den hiesigen Erkenntnissen in Deutschland auf. Eine genaue Zahl kann derzeit jedoch noch nicht bestimmt werden.“