AboAbonnieren

KirchenGemeinden in Rhein-Erft schrumpfen, Arbeit für Pfarrer wächst

Lesezeit 4 Minuten
Der Pfarrer Christof Dürig arbeitet für die Pfarreiengemeinschaft Frechen

Der Pfarrer Christof Dürig arbeitet für die Pfarreiengemeinschaft Frechen

Der katholische Pfarre Christof Dürig und die evangelische Pfarrerin Maike Pungs arbeiten in ihren Gemeinden als Seelsorger.

Vermutlich kennt jeder die Überforderung, die entstehen kann, wenn ein Freund oder Angehöriger leidet und man die richtigen Worte sucht. Vielleicht ist ein geliebter Mensch gestorben oder eine Freundin macht sich vor einer schweren Operation sorgen.

Auch Pfarrer sind über die Seelsorge mit diesen Situationen vertraut. Nach der Erfahrung von Christof Dürig, der in Frechen als katholischer Pfarrer arbeitet, kommen die Menschen dabei nicht immer wegen weltbewegender Anliegen. „Oft sind es die kleinen Dinge, die einem das Leben schwer machen können, zum Beispiel ein schlechtes Miteinander in der Familie, in der Beziehung.“ Der Wunsch kann groß sein, darüber mal mit einem Unbeteiligten zu sprechen.

Mitgliederschwund in Kirchen macht sich auch in Frechen bemerkbar

Aber welche Rolle hat ein sakrales Angebot in einer säkularen Gesellschaft? Man könnte meinen, dass die schwindenden Mitgliederzahlen den Job der Geistlichen immer überschaubarer machen. „Die Entfremdung der Menschen von Glaube und Kirche ist fortgeschritten“, stellt auch Christof Dürig fest. „Es sterben mehr Menschen, als getauft werden.“

Doch der Mitgliederschwund und die damit kleiner werdenden Budgets führten in der katholischen Kirche immer wieder zu Umstrukturierungen, sodass ein Seelsorger zur Anlaufstelle für einen viel größeren Kreis werden kann. So auch im Fall von Christof Dürig: 1996 war der Pfarrer in Frechen für eine Gemeinde zuständig, mittlerweile steht er mit seinem Team acht Gemeinden in der Pfarreiengemeinschaft Frechen vor. „Als ich hier in Habbelrath-Grefrath angefangen habe, war ich für gut 3.500 Katholiken zuständig. Jetzt sind es 20.000.“

Für Christof Dürig ist Seelsorge mehr als ein Termin

Dabei begreift der Pfarrer Seelsorge nicht nur als Termin, den er mit einer bestimmten Wochenstundenzahl abfrühstücken kann, sondern als ein Mitleben mit den Menschen. Der Sprung von 3.500 zu 20.000 Katholiken mache das aber viel anonymer. „Es ist natürlich klar, dass ich nicht alle so kennen kann wie früher. Ich kann ja nur an einem Ort Brötchen kaufen.“

Die Umstrukturierungen haben aber laut Dürig nicht nur Nachteile. War man früher als Pastor noch für alles zuständig, ließen sich die Aufgaben heute auf unterschiedliche Schultern verteilen. Unter den 9 Seelsorgern der Pfarreiengemeinschaft in Frechen sind mit Elke Wittemann und Bettina Straetmanns zwei Frauen, mit Matthäus Pazheveettil ein Kaplan aus Indien und mit Albert Kikalulu ein Kaplan aus dem Kongo mit dabei. „Die bringen nochmal eine andere Weltsicht mit als dieses deutsch-europäische Denken“, meint Dürig.

Die Pfarrer bringen im Gespräch ein bestimmtes Weltbild mit

Damit ist auch ein entscheidender Punkt der Seelsorge benannt: Man steht einem Geistlichen gegenüber, der durch seinen Glauben auch ein bestimmtes Menschenbild hat. Maike Pungs, die als Pfarrerin in der evangelischen Friedenskirche Sinnersdorf arbeitet, hat ebenfalls ein klares Leitbild: „Nämlich, dass Gott jeden Menschen akzeptiert, wie er ist, und dass ich auch jeden Menschen akzeptiere, wie er ist“, so die Pfarrerin.

Dabei ist das kein Punkt, an dem die Kirche sich traditionell mit Ruhm bekleckert hat, wenn man etwa an den Umgang mit homosexuellen Menschen denkt. „Da muss man nicht drum herumreden“, meint Christof Dürig. „Es ist unbestritten, dass die Kirche insgesamt nicht immer gut war zu den Menschen, wenn man es mal so pauschal sagen darf.“ Deswegen würden wohl auch viele Menschen gar nicht erst einen Seelsorger aufsuchen. Gleichzeitig betont er, dass die Kirche auch Vorwürfe bekommt, wenn sie dem Zeitgeist hinterherläuft. Es gebe eine Spannung dabei, einerseits zu bestimmten Werten zu stehen und andererseits die Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit zu verstehen und anzunehmen.

Für Maike Pungs gehört Offenheit zum Job als Seelsorgerin dazu

Die evangelische Kirche vertritt mittlerweile eine liberale Haltung. Maike Pungs meint: Erst diese Offenheit macht es möglich, Menschen zu begleiten, die homosexuell sind oder sich nicht dem Geschlecht zugehörig fühlen, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. „Bei solchen Themen kriegen Gesprächspartner:innen schon mit, ob man das hören und annehmen kann oder ob man eine schräge Weltvorstellung hat, in der das keinen Raum hat.“

Was macht also einen guten Seelsorger aus? Für Maike Pungs ist ein empathisches Zuhören entscheidend. „Ich glaube, jeder merkt, ob man so zuhört, dass man sich den Leuten dabei an die Seite stellt.“ Wichtig sei aber auch, dass man das Problem nicht zu seinem macht und einen gewissen Abstand wahren kann. „Ich vertraue mich ja auch einem Arzt an, wenn ich das Gefühl habe: Der weiß schon, was er tut. Die Menschen spüren, dass sie mir das jetzt sagen können, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen, dass sie mir zu viel zumuten.“