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Gewalt gegen FrauenSo tragisch wurde Olesia S. aus Frechen aus ihrem neuen Leben gerissen

Lesezeit 6 Minuten
Auf dem Bild ist ein Portraitfoto von Olesia S. zu sehen.

Olesya S. genoss ihre Freiheit und ihren wieder gefundenen Lebensmut, den sie an andere Frauen und Geflüchtete weiter geben wollte. Im August 2024 wurde sie Opfer einer Gewalttat und im Alter von 35 Jahren getötet. Sie hinterlässt drei kleine Kinder.

Die 35-jährige Frau hinterlässt drei kleine Kinder. Der Staatsanwalt hat Anklage gegen den Ex-Mann eingereicht.

Mit weit ausgebreiteten Armen und einem glücklichen Lachen blickt Olesia S. in die Kamera – sie strahlt Lebensfreude, Selbstbewusstsein und Mut aus. Das energievolle Foto stellte die 35-Jährige Mitte Juni 2024 auf ihren Social-Media-Konten ein, begleitet mit eindringlichen Sätzen für ein selbst bestimmtes Leben und die Kraft zur Veränderung. Eine Mission, für die sie jahrelang kämpfte. Sechs Wochen später wurde sie getötet.

„Meine größte Angst ist es, zu sterben, ohne wirklich mein vollstes Potential entfaltet zu haben. Das macht mich total verrückt“, heißen die ersten Worte des motivierenden Kurz-Essays der Mutter von drei kleinen Kindern. Sätze, die im Nachhinein wie eine Prophezeiung wirken: Am 4. August 2024 endete ihr Leben durch eine grausame Gewalttat - die junge Frau wird erwürgt, mutmaßlich von ihrem Ex-Mann, der seit dem Vorfall in Untersuchungshaft sitzt. 

Rhein-Erft-Kreis: 1600 Straftaten häuslicher Gewalt in 2024

Rund 1600 Straftaten häuslicher Gewalt hat es jeweils in den beiden vergangenen Jahren im Rhein-Erft-Kreis gegeben, 2022 waren es 1500;  so die kriminalstatistische Auswertung von der Polizei im Rhein-Erft-Kreis. Die Dunkelziffer wird von Fachleuten noch wesentlich höher geschätzt. Bundesweit spricht das Bundeskriminalamt von einem Anstieg der Opfer häuslicher Gewalt von 2019 bis 2023 um 19 Prozent. Die überwiegende Anzahl der Opfer sei weiblich und zwischen 30 und 40 Jahren. 

Drei wunderbaren Kindern wurde plötzlich der Boden unter den Füßen weggezogen, und sie blicken voller Angst in eine ungewisse Zukunft
Cousine von Olesia S.

„Die Situation ist für alle Beteiligten nach wie unbegreiflich, und die Trauer der Kinder und aller Angehörigen unbeschreiblich. Die Familie wurde zerstört und die Kinder stehen ohne Eltern und ohne ein finanzielles Polster da“, berichten Olesias Cousine und ihr Mann, die ohne zu zögern die drei Kleinen (6, 8 und 10 Jahre alt) zu ihrem eigenen Sohn aufnahmen.

„Drei wunderbaren Kindern wurde plötzlich der Boden unter den Füßen weggezogen, und sie blicken voller Angst in eine ungewisse Zukunft“, berichtet sie. Alle sechs leben nun gemeinsam im Rhein-Erft-Kreis und versuchen, das Geschehene zu verarbeiten. Aktuell seien sie dank vieler Unterstützung dennoch auf einem guten Weg.

Auf dem Bild sind die drei kleinen Kinder von Olesia S. von hinten bei der Seebestattung ihrer Mutter zu sehen.

Die drei kleinen Kinder von Olesia S. nahmen bei einer Seebestattung Abschied von ihrer Mutter.

Von „einem Tötungsdelikt zum Nachteil einer 35-Jährigen“ schrieb die Polizei des Rhein-Erft-Kreises im August in einer ersten Pressemitteilung. „Der Ehemann (44) stehe im dringenden Tatverdacht, seine Ehefrau im Rahmen von Streitigkeiten in ihrer Wohnung in Bachem getötet zu haben.“ Gegen den Tatverdächtigen hat die Staatsanwaltschaft kürzlich Anklage wegen „vollendeten Totschlags“ eingereicht.

Frechen: Olesia startete mit viel Kraft in ein neues Leben

Das Drama hinter den nüchternen juristischen Formulierungen ist unvorstellbar groß: Nach dem Angriff Russlands im Februar 2022 floh die Familie nachts überstürzt mit wenig Habseligkeiten aus der Ukraine in den Rhein-Erft-Kreis. Olesia, die nach der Flucht aus Kummer und Sorge in ein tiefes Loch gefallen war, schaffte mit hohem Kraftaufwand einen Neuanfang und startete in ein selbst bestimmtes, freieres Leben. 

„Ihre Mutter ist gestorben, als sie 16 Jahre alt war, sie war untröstlich und fast auf sich allein gestellt. Sie heiratete einen älteren Mann und bekam drei Kinder, ihre Persönlichkeit kam in dieser Zeit viel zu kurz“, erzählt ihre Cousine. Sie sei schon immer eine Kämpferin gewesen, aber erst in Deutschland habe sie ausreichend Kraft und Mut gesammelt. 

Auf dem Bild ist ein Portrait von Olesia S. zu sehen.

Olesia S. startete nach ihrer Flucht aus der Ukraine ein neues, selbst bestimmtes Leben in Deutschland und machte sich selbst ständig.

Olesia machte sich selbstständig und startete als Yogalehrerin, Motivationsrednerin und Coach durch. Sie organisierte Workshops für geflüchtete Frauen, war in den Sozialen Medien mit Videos und Wortbeiträgen aktiv und veröffentlichte ihr erstes Buch. Immer im Fokus:  Die Chancen der Persönlichkeitsentwicklung, die sich durch den Mut zur Veränderung ergeben - gerade für Frauen.

Die Kinder kehrten nie mehr in die Wohnung zurück

Mit ihrem neuen Selbstbewusstsein habe es zu Hause mit ihrem Mann immer mehr Streit gegeben, berichten Verwandte. Das Paar sei geschieden worden, aber für eine räumliche Trennung wurde keine Möglichkeit gefunden. Die Versuche Olesias, den Zustand mithilfe von Behörden zu ändern, seien fehlgeschlagen. Immer wieder habe sie geäußert, Angst zu haben.

Dann sei am Montagnachmittag, 5. August, der unfassbare Anruf gekommen, in dem der Ex-Mann die Tat gestanden habe, so die Cousine. Olesia soll da schon mehrere Stunden tot gewesen sein. Die Kinder waren bei Freunden spielen - sie seien nie mehr in die Wohnung an der Hubert-Prott-Straße zurückgekehrt.

Obduktionsergebnis: Olesia wurde erwürgt und starb durch Ersticken

Laut Staatsanwalt soll es am Sonntagabend, 4. August, zum Streit zwischen den beiden Erwachsenen gekommen sein. Die Auseinandersetzung eskalierte und wurde schließlich handgreiflich. Im Verlauf der Streitigkeiten soll der Mann seiner Ex-Frau „komprimierend auf den Hals eingewirkt haben“, heißt es im Juristendeutsch. Olesia wurde erwürgt und starb durch Ersticken, dies bestätigte auch die Obduktion. Wann der Prozess beginnen wird, steht noch nicht fest, es wird aber auf jeden Fall noch mehrere Wochen dauern.

„Wenn Du merkst, dass Dein Leben unbezahlbar ist und das Kostbarste, was Du hast, Deine Aufmerksamkeit, Energie und Zeit ist, dann macht es Sinn, es von etwas zu entfernen, das Dir kein tiefes Glück bringt. Verbeuge Dich einfach mit Respekt vor der gelebten Erfahrung. Möglicherweise mit Dankbarkeit. Und raus!“, lautet der letzte Eintrag auf einer Internetseite von Olesia, sie sprach über Beziehungen. Zwei Tage später war die 35-jährige Mutter tot. 


Olesia S. schrieb viele Gedichte, um ihrem inneren Kampf um das Leben kreativen Ausdruck zu verleihen - so auch am 26. Juni 2024.

Ich tanze den Tanz mit mir allein

Mal liebe ich mich, mal kämpfe ich sehr, Mal treibt es mich fort, mal zieht es mich her. Es ist kein Spiel vor großem Licht, Es ist mein Sieg – doch nur für mich.

Ich tanze den Tanz, Blick tief in Blick, Ich weiche nicht aus, ich halte Schritt. Denkst du, ein Engel schaut mir zu? Nein – es ist die Angst, nicht du. Doch in dem Tanz bestimm’ nur ich, Denn meine Fragen führ’n zu mich.

Ich halte inne, die Stille schreit, Ein Echo dröhnt – so laut, so weit. Bin ich mir Feind, mein eig’ner Schmerz? Spielt mein Verstand ein falsches Herz?

Doch ich greife nach mir, lass nicht mehr los, Finde die Wahrheit, sie leuchtet groß. Und tanze den Tanz, so mutig, so frei, Aus Liebe zu mir – ich bleibe dabei


Tipps der Polizei Rhein-Erft-Kreis bei häuslicher Gewalt:

Wählen Sie bei einer akuten Bedrohung die 110 – den Notruf der Polizei. Auch wenn Sie bedroht oder unter Druck gesetzt werden, melden Sie dies unbedingt der Polizei und erstatten Sie Strafanzeige bei der Polizei, wenn Sie Opfer häuslicher Gewalt geworden sind. Denn nur so kann die Polizei schnell geeignete Maßnahmen zum Schutz einleiten und die Ermittlungen aufnehmen.

Notieren Sie sich Einzelheiten zu den Vorfällen wie Datum, Uhrzeit und was genau geschehen ist. Suchen Sie einen Arzt auf, nennen Sie den Ursprung der Verletzungen und lassen Sie sich die Verletzungen attestieren.

Auch der polizeiliche Opferschutz steht Betroffenen zur Verfügung. Die Beamtinnen und Beamten können an entsprechende Beratungs- und Hilfestellen verweisen. Weitere Hinweise unter anderem zum Verhalten in Akutsituationen, zu einstweiligen Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz (z.B. Annäherungs- bzw. Kontaktverbot) sowie zu Rechten und Ansprüchen sind online unter abrufbar.


Kontaktadressen für Hilfesuchende

Rund um die Uhr und in 18 Sprachen erreichen Betroffene das „Hilfetelefon – Gewalt gegen Frauen“ unter der Telefonnummer 116 016. Es sind zusätzlich auch Online-Beratungen, Beratungen in Gebärdensprache sowie in leichter Sprache möglich.

Das Frauenhaus Rhein-Erft-Kreis ist unter 02237/7689 und online erreichbar.

Die App des Vereins „Gewaltfrei in die Zukunft e.V.“ bietet einen niedrigschwelligen Zugang zu Informationen und Unterstützungsangeboten und soll als Brücke in das bestehende Hilfenetzwerk dienen.