Gastronomie in HürthDiscokugel dreht sich zum letzten Mal
Hürth-Gleuel – Wenn am kommenden Samstagabend Helmut Könen zusammen mit seiner Frau Margarete um 20 Uhr die Tür zu ihrer Gaststätte „En de Hött“ in der Burgstraße 20 öffnen, dann wird viel Wehmut mitschwingen. Die „Hött“, wie die Gleueler liebevoll ihre Disco nennen, gibt dann ihre Abschiedsfeier. Nach mehr als ereignisreichen 60 Jahren wird die Gaststätte dann Geschichte sein.
Besonders dem 82-jährigen Helmut Könen fällt es sichtlich schwer, loszulassen. „Wir haben uns noch keine Gedanken dazu gemacht, wie es mit den Räumen weitergeht“, sagt er und ergänzt: „Die Entscheidung zur Schließung ist ja erst ein paar Tage alt.“ Aber an einen Nachfolger vermieten wollen die beiden nicht. „Die Zeiten sind vorbei“, sagt Helmut Könen.
Der Vater seiner Frau Margarete, Christian Hansen, hatte die Gaststätte am 31. Juli 1954, einem Samstag, eröffnet. Das belegt einer der Handzettel, die Hansen damals zu Werbezwecken drucken ließ und den es noch heute gibt. Er ist säuberlich eingeklebt in ein Fotoalbum, zusammen mit zahlreichen Erinnerungsfotos und Zeitungsanzeigen rund um die Hött.
Damals war die Hött noch ein reines Tanzlokal. Das Kölsch kostete 30 Pfennige, das Pils 40 Pfennige, und die meist dreiköpfige Kapelle spielte für einen Stundenlohn von 3,50 Mark pro Musiker. Helmut Könen erinnert sich noch gut an diese Zeit. Schon damals war er mit seiner späteren Ehefrau Margarete liiert und half hinter der Theke aus. Mittwochs, freitags, samstags und sonntags trafen sich die Gäste aus nah und fern in der Burgstraße, um gemeinsam etwas zu trinken und sich auf der Tanzfläche beim Schwof näher zu kommen.
Auch Richard Würges lernte in der Hött seine erste Frau kennen. Der heute 57-Jährige war schon mit 17 als Disc-Jockey in Köln ein gefragter junger Mann. Mit einem Stundenlohn von fünf Mark warb Könen ihn ab und holte ihn 1965 zum Plattenauflegen nach Gleuel. Zunächst nur am Sonntagnachmittag für zwei Stunden, bevor die Kapelle einsetzte. Doch der Zeitgeist hatte sich gewandelt: Statt der klassischen Tanzmelodien wollten die Gäste lieber Rock'n'Roll hören, und so hatte DJ Ricky, wie sich Würges nannte, nach nur einem Jahr die Band verdrängt.
Damals gab es nur einen Plattenteller in der Hött. „Ich musste mir also für die zwangsläufigen Pausen zwischen den Liedern etwas einfallen lassen“, erinnert er sich. Also unterhielt er die Gäste mit flotten Sprüchen und sang auch selbst. Das machte ihn bald unverwechselbar, ebenso wie die eigentlich wenig bekannte Platte „Irgendwann, irgendwo, irgendwie seh'n wir uns wieder“ von Jürgen Drews, die DJ Ricky zu vorgerückter Stunde zu seinem allabendlichen Rausschmeißer-Song machte.
Rausschmeißer gab es aber nicht nur auf dem Plattenteller. Vor allem in der Disco-Blütezeit der 1970er und 1980er Jahre bedurfte es mitunter auch kräftiger Unterstützung am Eingang der Hött, um manchen aufkeimenden Streit unter den Gästen zu schlichten. Legendär war besonders Beki, ein türkischer Gastarbeiter, der allein durch seine gewaltige Statur schon Eindruck machte, wie sich Richard Würges erinnert. Und Helmut Könen erzählt: „Eines Abends hatten wir Besuch von ein paar Motorradrockern, die offenbar Streit suchten. Beki ging mit ihnen nach draußen und hob nur kurz eines der mehrere Hundert Kilo schweren Motorräder hoch. Danach waren die Rocker mucksmäuschenstill.“
Unzählige dieser Geschichten werden Helmut und Margarete Könen auch nach der Schließung am Samstag noch in Erinnerung bleiben. Und dann und wann wird Helmut Könen wehmütig zurückblicken. Doch wehmütig wird er auch schon, wenn er sich die schwindende Gaststättenkultur in Gleuel ansieht: „Früher gab es hier im Ort 30 Kneipen, heute existieren nur noch zwei.“ Der Trend habe sich schon seit Jahren abgezeichnet, doch das Raucherschutzgesetz habe das übrige dazu beigetragen.
In den vergangenen Jahren öffnete die Hött nur noch einmal im Monat, „aus gesundheitlichen Gründen“, wie Helmut Könen sagt. Und so wie das Ehepaar Könen wird auch DJ Ricky, der der Hött mit Unterbrechungen seit 50 Jahren treu geblieben ist, am Samstag zum letzten Mal mit dabei sein. Er wird seine Platten auflegen und Liederwünsche erfüllen, ohne Rücksicht auf Musikstile oder Taktgeschwindigkeiten – so wie er es immer gemacht hat. Nur eine Platte wird sich keiner wünschen können, nämlich die letzte. Die ist für Jürgen Drews reserviert...