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Zunehmende illegale EntsorgungMit diesen Tricks jagen die Hürther Mülldetektive Abfallsünder

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Das Bild zeigt dieMülldetektive Hussam Shehade und Ralf Denzel, die versuchen, Müllsündern auf die Spur zu kommen.

Die Mülldetektive Hussam Shehade und Ralf Denzel versuchen, Müllsündern auf die Spur zu kommen.

Die Hürther Mülldetektive sprechen über spektakuläre Funde und verraten, wie es ihnen gelang, kuriose Fälle aufzuklären.

Weit müssen Ralf Denzel und Hussam Shehade nicht fahren bis zum ersten Einsatzort an diesem Tag. Keinen Kilometer vom Bauhof der Stadtwerke entfernt haben Unbekannte Renovierungsmüll in der Landschaft entsorgt. Lackdosen, Farbeimer, Reste von einem PVC-Fußboden und alte Fußleisten liegen im Grünstreifen zwischen einem Feldweg und der Ortsumgehung Hermülheim.

Doch die beiden Mülldetektive der Stadtwerke haben Hoffnung, dass die Müllsünder dingfest gemacht werden können. Denn auf einem Karton klebt noch ein DHL-Etikett mit einer Hürther Adresse. Für Denzel und Shehade ein Ansatzpunkt. Zunächst aber sorgen sie für den raschen Abtransport. Denn der Müll ist potenziell gefährlich – nicht nur für die Umwelt. „Was ist, wenn da Kinder drangehen?“, fragt Denzel.

Das Bild zeigt zwei Dutzend Müllsäcke.

Zwei Dutzend Müllsäcke mit Cannabispflanzen wurden den Mülldetektiven an der Winterstraße im Gewerbegebiet Kalscheuren gemeldet. Die Ermittlungen übernahm die Polizei.

Warum der Müllsünder den Abfall einfach in die Landschaft gekippt hat? Denzel versteht es nicht. „Direkt um die Ecke ist der Wertstoffhof. Da wäre man den meisten Müll losgeworden“, sagt er. „Für den Rest gibt es das Schadstoffmobil.“ Vor drei Jahren haben die zwei Mülldetektive ihren Dienst aufgenommen. Ralf Denzel (59) hat vorher 30 Jahre lang bei den Stadtwerken im Wegebau gearbeitet. Hussam Shehade (39) ist vor neun Jahren aus Syrien nach Deutschland gekommen. Er hat eine Ausbildung zum Veranstaltungskaufmann gemacht, musste sich aber wegen der Coronapandemie einen neuen Job suchen.

Jede Menge vertrocknete Cannabispflanzen

Vorbereitet auf die Tätigkeit hat sich das Duo bei den Abfall-, Grün- und Straßenbetrieben „mags“ in Mönchengladbach. „Dort gibt es schon länger Mülldetektive“, sagt Jürgen Schmidt, Leiter des Hürther Bauhofs. „Hier in der Region gab es das noch nicht.“ Finanziert werden die beiden Stellen bei den Stadtwerken über die Müllgebühren.

Wir fahren aber auch selbst die neuralgischen Punkte an.
Ralf Denzel, Mülldetektiv

Jeden Morgen bei Dienstantritt bekommen die beiden Mülldetektive vom Disponenten aktuelle Meldungen über wilden Müll, viele davon kommen über den Mängelmelder im Internet. „Wir fahren aber auch selbst die neuralgischen Punkte an“, sagt Denzel. Das sind die Standorte von Altglascontainern, bestimmte Straßenzüge, aber auch Grünanlagen und Parkplätze. Fündig werden sie praktisch immer. Von Haus- über Sperrmüll, Altöl und ausgedienten Kühlschränken gibt es kaum etwas, das die Mülldetektive noch nicht aufgespürt haben.

Zuletzt waren es aufgeschnittene Öltanks am Otto-Maigler-See. Zur Reifenwechselsaison im Frühjahr und Herbst landen viele Autoreifen in der Botanik. Manchmal sind kuriose Funde dabei. Nach den Osterferien wurde das Stadtwerke-Duo auf zwei Dutzend Müllsäcke im Gewerbegebiet Kalscheuren aufmerksam gemacht. Darin: Jede Menge vertrocknete Cannabispflanzen. „Als wir den ersten Sack aufgerissen haben, kam uns schon ein Duft vom Allerfeinsten entgegen“, erinnert sich Ralf Denzel. Die weiteren Ermittlungen übernahm dann die Polizei.

Hürth: Mülldetektive finden Tresor aus einem Einbruch

Das war auch bei einem Fund am Gotteshülfeteich in Gleuel so. „Da lag ein Tresor, der wohl aus einem Einbruch stammte“, berichtet Denzel. Darin befanden sich Waffen und Munition. Den Mülldetektiven sind selbst schon spektakuläre Ermittlungserfolge gelungen. Etwa nach dem Fund von 40 Windschutzscheiben im Bereich des Zieselsmaarsees. Durch die Autokennzeichen auf den Umweltplaketten, die noch auf den Scheiben klebten, gelang es Denzel und Shehade, die Spur über einen Kfz-Betrieb in der Nähe von Koblenz bis nach Kerpen zurückzuverfolgen.

Oder der Fall einer großen Menge Warensendungen, die der Fahrer eines Paketdienstes offenbar nicht zustellen wollte. „Der hat sich das Beste herausgesucht und den Rest in der Grünanlage entsorgt“, berichtet Ralf Denzel. „Wir haben herausbekommen, wer der Fahrer war.“ In stundenlanger Puzzlearbeit haben die Mülldetektive schon Briefbögen mit Adressen wieder zusammengesetzt, die zerrissen im wilden Müll lagen.

Hürth: 1084 Fälle von wildem Müll im Jahr 2023

Wie die Müllsünder im Einzelfall bestraft werden, wissen die Mülldetektive nicht. Sie melden ihre Erkenntnisse an das Ordnungsamt, das für die Verfolgung zuständig ist. Bis zu 510 Euro Bußgeld können laut Satzung der Stadt verhängt werden. Einen Überblick über ihren Erfolg haben die Stadtwerke-Mitarbeiter aber schon.

Hussam Shehade schaut in die Statistik: Im Jahr 2023 haben die Mülldetektive in 1084 Fällen von wildem Müll ermittelt. In 110 Fällen seien die Verursacher gefunden und Bußgeldbescheide erteilt worden. „Ob die alle bezahlt wurden, wissen wir nicht“, sagt Shehade. Aber darauf kommt es den Mülldetektiven auch nicht an. „Unser Ziel ist es, die Stadt sauber zu halten und aufzuklären – nicht Leute zu bestrafen.“

In erster Linie sollen Shehade und Denzel nämlich als Umweltbeauftragte der Stadtwerke darüber informieren, wie der Müll korrekt entsorgt wird. Darum ging es 2023 laut Statistik in 850 Fällen – ganz ohne Bußgeld. Etwa, wenn Sperrmüll zwar bei den Stadtwerken zur Abfuhr angemeldet wurde, aber schon Tage vorher an der Straße lag. „Wir sprechen die Leute dann an“, sagt Denzel.

„Wo einmal Müll liegt, kommt schnell weiterer Müll dazu.“ Oder wenn Grünschnitt einfach in die Grünanlage hinter dem Gartenzaun gekippt wurde. Regelmäßig führen Denzel und Shehade Kita- und Schulgruppen über den Bauhof und erklären, was mit dem Müll passiert. „Zum Schluss drehen wir eine Runde im Müllwagen über den Bauhof“, sagt Ralf Denzel lachend.

Auch die Koordination und Ausstattung der freiwilligen Helfer beim jährlichen Frühjahrsputz der Stadt liegt in den Händen der Mülldetektive. Weil Shehade neben Deutsch auch Arabisch spricht, klärt er die Bewohner der Flüchtlingsunterkünfte über die korrekte Müllentsorgung auf. Denn für viele Geflüchtete sei das deutsche Mülltrennsystem zunächst ein großes Rätsel.