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Millionen aus dem StrukturwandeltopfDas sind die Pläne der Stadt am alten Hürther Kreishaus

Lesezeit 4 Minuten
Das Bild ist eine Luftaufnahme und zeigt das alte Kreishaus

Hürth möchte das Stadtzentrum auf das Gebiet des alten Kreishausareals erweitern. Dort sind unter anderem eine neue Stadtbibliothek und die neue Musikschule geplant.

Das alte Kreishaus-Gebäude in Hürth, das 1971 gebaut wurde, soll nach Vorstellung der Stadt abgerissen und komplett neu gestaltet werden.

Das Nebengebäude des ehemaligen Kreishauses steht weitgehend leer, demnächst zieht noch die Polizei aus. Auch für das Hauptgebäude zeichnet sich ein Leerstand ab: Der Caritasverband hat bereits angekündigt, den Mietvertrag für das Seniorenzentrum nicht zu verlängern, und die Somnia-Klinik der Oberberg-Gruppe wird Hürth in Richtung Erftstadt verlassen.

Doch die Stadt will nicht zusehen, wie sich die zentral gelegenen Stahlbetonbauten aus den 70er-Jahren, die verschiedenen Eigentümern gehören, in „Schrottimmobilien“ verwandeln, wie Bürgermeister Dirk Breuer befürchtet. Im Gegenteil: Die Verwaltung hat große Pläne für das Kreishausareal. Breuer sieht die große Chance, nach Ankauf und Abbruch des Gebäudeensembles dort das Hürther Stadtzentrum, dessen vorläufiger Schlusspunkt 1984 mit dem Bau des Rat- und Bürgerhauses gesetzt worden sei, zu vollenden.

Hürth hat ein funktionales Zentrum, aber kein emotionales
Dirk Breuer, Bürgermeister der Stadt Hürth

„Hürth hat ein funktionales Zentrum, aber kein emotionales“, sagt Breuer. Das will der Verwaltungschef ändern. Das Projekt firmiert im Rathaus unter dem Arbeitstitel „Agora Hürth“. Agora, das war im alten Griechenland das Gemeindezentrum mit Versammlungs- und Marktplatz. Ähnliches schwebt der Verwaltung für das 22 000 Quadratmeter Gebiet zwischen Bonnstraße, Friedrich-Ebert-Straße, Hürther Bogen und dem Alten Friedhof vor. Im Zentrum des geplanten Quartiers steht ein Kulturforum mit Neubauten für Stadtbücherei und Musikschule als zentraler Treffpunkt für die Hürther.

Vorgesehen ist auch eine Freifläche, die als Erweiterung des Otto-Räcke-Platzes vor dem Rat- und Bürgerhaus genutzt werden kann, etwa für Stadtfeste. Um die öffentlichen Einrichtungen herum würden sich moderne Bürogebäude, Gastronomie und Wohnanlagen gruppieren. Vor allem für seniorengerechtes Wohnen sei der Standort durch seine zentrale Lage und die künftige Anbindung an die Stadtbahn gut geeignet, so Breuer. Das Areal des Alten Friedhofs soll als Erholungs- und Ruheraum eingebunden werden.

Niederländische Partnerstadt Spijkenisse ist das Vorbild

Das Vorbild für die Agora-Pläne haben die Hürther in der niederländischen Partnerstadt Spijkenisse gefunden. Dort entstand ein neues Stadtzentrum um eine spektakuläre Glaspyramide herum, die die neue Bibliothek beherbergt und auch als Veranstaltungsort dient. Der Wohngebäudebestand aus den 80er-Jahren wurde abgebrochen und durch neue Häuser ersetzt. Wie bei allen öffentlichen Großprojekten sind bei „Agora Hürth“ die Finanzen ein kritischer Punkt. „Wir können das Projekt nur umsetzen, wenn wir Fördermittel bekommen“, räumt Marco Dederichs, Beigeordneter und Stadtkämmerer, ein.

Investitionen in zweistelliger Millionenhöhe

Er geht von einem Investitionsvolumen in zweistelliger Millionenhöhe aus. Eine mögliche Geldquelle hat die Stadtspitze aber bereits ausgemacht. Sie hofft auf Mittel aus einem Strukturwandeltopf, mit dem besondere Städtebauprojekte gefördert werden. Das Argument: „Alt-Hürth hat sich nicht zum Stadtzentrum entwickeln können, weil es von Braunkohlegruben umgeben war“, so Bürgermeister Breuer. Die Stadt sei Teil des Kernreviers, Kraftwerks- und Veredelungsstandort und etwa 100 Jahre lang vom Braunkohleabbau betroffen gewesen. Nahezu 45 Prozent der Stadtfläche seien ausgekohlt worden.

„Große Flächen sind der Stadt durch die Bergbautätigkeit entzogen worden.“ Jetzt will sich Hürth etwas Fläche im Zentrum zurückholen. Unterstützung kommt dabei von der Landesgesellschaft „Starke Projekte“, die Kommunen im Rheinischen Revier bei Strukturwandelprojekten zur Seite steht. Auch Städtebau- und Architekturwettbewerbe sind geplant.

Voraussetzung für die Umsetzung des Projekts sei, dass sich „alle Flächen in öffentlicher Hand“ befänden, erklärt Dederichs. Ein strategisches Grundstück an der Ecke Hürther Bogen/Friedrich-Ebert-Straße hat die Stadt erworben. Nach zähen Verhandlungen hat sich die Verwaltung jüngst mit dem Eigentümer des früheren Straßenverkehrsamts über einen Ankauf geeinigt. Die Aussichten, dass die Stadt auch den Gebäudeteil, in dem noch die Polizei untergebracht ist, vom Land kaufen könne, schätzen Breuer und Dederichs als gut ein.

Noch kein Ergebnis im Immobiliengesellschaft in Manchester erreicht

Fehlt noch das Hauptgebäude, das einer Immobiliengesellschaft aus Manchester gehört. Gespräche würden seit längerem geführt, so Breuer, bisher aber ohne Ergebnis. Beim Planungsrecht hat die Stadt schon Pflöcke eingeschlagen. Das Kreishausareal ist Teil des Plangebiets eines Integrierten Städtebaulichen Entwicklungskonzepts (Isek) für Hermülheim, das der Rat 2019 beschlossen hat und zu dem auch die Umgestaltung der Luxemburger Straße zur „Lebensader Lux“ gehört. Ende 2020 hat die Stadt die Aufstellung eines Bebauungsplans beschlossen und sich 2021 per Satzung ein Vorkaufsrecht für die Liegenschaften gesichert.

Aktuell bereitet die Stadt eine Sanierungssatzung vor, um Immobilienspekulation vorzubeugen. In welchem Zeitraum das Projekt umgesetzt werden kann, ist noch unklar. „Dazu müsste ich in die Glaskugel schauen, wir haben ja noch nicht alle Objekte“, sagt Dirk Breuer schmunzelnd. „Wir sind noch in der Vorkonzeptionsphase.“ Immerhin habe der Förderantrag aber schon eine erste Hürde genommen, ergänzt Kämmerer Dederichs.