Sie sind die guten Geister, die für die Sicherheit bei den Karnevalszügen sorgen. Doch in dieser Session sind sie Mangelware.
Ohne sie läuft der Zug nicht rundWagenengel für Karneval in Rhein-Erft händeringend gesucht
Sie sind heiß begehrt, rar gesät und werden mancherorts sogar „geheim gehandelt“. Wer noch keine oder zu wenige hat, wird immer verzweifelter. Und die Frage „Hast du noch welche für uns?“ wird zurzeit unter Karnevalisten immer dringlicher gestellt. Das Objekt der Begierde sind Wagenengel – gute Geister, die verantwortungsvoll für die Sicherheit bei den Karnevalszügen sorgen.
Gespanne mit Zugmaschine und Anhänger benötigen sechs bis acht Begleiter, Transporter vier und Pkw zwei. Erfüllen kann die Aufgabe jeder, der mindestens 16 Jahre alt und zuverlässig ist. Als Lohn gibt es zwischen 20 und 50 Euro, Verpflegung und das eine oder andere Extra. Und auch, wenn es für einige Züge schon genug Kandidaten gibt, vielerorts herrscht Ratlosigkeit und die Suche läuft auf Hochtouren.
Ohne Wagenengel müsste das Tanzkorps Teilnahme absagen
„Dieses Jahr ist es besonders schwierig, wir suchen noch 30 Wagenengel“, sagt Birgit Otten, Leiterin des Tanzkorps der KG Pennebröder in Pulheim-Sinnersdorf und Frau des Zugleiters Ralf Otten. Sie macht sich Sorgen. Am Rosenmontagszug durch den Ort will die KG mit einigen großen Wagen teilnehmen, aber „ohne Wagenengel geht es überhaupt nicht“.
Im Bekanntenkreis wurde bislang vergeblich gesucht, viele Jugendliche seien wohl nicht motiviert. Zur Not müssten eben die Karnevalisten, die auf den Wagen mitfahren wollten, selbst Schichten übernehmen. Die letzte, traurige Konsequenz sei es, die Wagen stehen zu lassen, sagt Birgit Otten.
Auch Joachim Quint von der KG Blau-Weiß Sinnersdorf ist ratlos: „Es ist ganz kurios, ich weiß nicht, woran es dieses Jahr liegt, ob alle lieber feiern gehen?“. Für zwei Groß- und einen Bagagewagen benötigen die Narren 18 Wagenengel, gemeldet haben sich bislang nur acht. Fieberhaft wird nach den fehlenden zehn gesucht.
Karlheinz Grahn, Präsident der KG Löstige Kierberger aus Brühl, kennt das Problem ebenfalls: „Die Älteren machen es nach der Corona-Pause wohl nicht mehr, wir brauchen dringend noch acht Wagenengel für unsere Wagen, hoffentlich klappt das noch.“ Für den Einsatz am Karnevalssonntag beim närrischen Elias durch die Brühler Innenstadt gibt es 30 Euro Aufwandsentschädigung.
Auch in Frechen gibt es zwar für einen der größten Züge im Rhein-Erft-Kreis am Karnevalssonntag einen festen Stamm an Wagenengeln, aber Zugleiter Erich Braun weiß: „Wenn welche ausfallen, wird es eng. Es muss noch intensiver gesucht werden, der einen oder anderen KG fehlen noch Wagenengel.“
„Wir haben Glück, auch wenn es immer etwas schwierig ist“, Udo Reichstein, der bereits zum 13. Mal Zugleiter in Bergheim, ist frohen Mutes. Sieben große Wagen sind für den Zug angemeldet, rund 42 Wagenengel sind nötig. Die Bergheimer arbeiten mit zwei privaten Sicherheitsdiensten zusammen, die allein rund 20 Mitarbeiter als Wagenengel stellen.
In Wesseling war die Suche nach Zugordnern schwierig
„Im Städtchen wird es ja immer etwas eng, da laufen auch noch extra Aufpasser parallel im Zug mit“, schildert Reichstein, der bei der KG ABC aktiv ist. Er wundert sich eher darüber, dass „man die Leute für den Zug aus den Löchern rauskitzeln musste.“ Einige hätten wohl wegen der Pandemie die Lust am Karneval verloren, mutmaßt er.
In den Vorjahren seien es immer rund 40 Gruppen und mehr als 1000 Teilnehmer beim Zug durch Bergheim gewesen, dieses Jahr hätten sich nur 24 Gruppen und 500 Teilnehmer angemeldet. „Aber diese sind voller Begeisterung und doppelt motiviert“, versichert Reichstein.
Das kann auch der Wesselinger Zugleiter Lelic Gamal bestätigen: „Manche haben nun zwei Jahre auf den Zug gespart und kaufen doppelt Wurfmaterial, andere wiederum haben nicht mehr so viel Geld.“ Für seinen Zug mit rund 1600 Teilnehmern hat mit den Wagenengeln alles gut geklappt – die Suche nach Zugordnern sei hingegen etwas schwieriger.
Der Alt-Hürther Zug ist sogar ein Stück weit „überversorgt“
Ein Experte im Thema Wagenengel ist Michael Over von der Prinzengarde Rot-Weiss Hürth – seit mehr als 15 Jahren organisiert er die knapp 100 Begleiter für den Zug durch Alt-Hürth. Der 68-Jährige, der „schon länger im Karneval aktiv als verheiratet“ ist, weiß genau, worauf es ankommt: „Die Wagenengel dürfen bei unhöflichen Zuggästen auch mal pampig werden und müssen als Autorität erkennbar sein. Manchmal wird sogar versucht, Wurfmaterial aus den Bagagewagen zu klauen. Und die Sicherheit geht vor.“
Es sei viel Verantwortung und Arbeit, ein gutes Team zusammenzustellen. Aufgrund seiner langen Erfahrung sei der Alt-Hürther Zug nun aber schon „überversorgt“ und er habe keine Not mehr, sagt Over. Das liegt auch an seinem besonderen Kontakt zum Bundessprachenamt in Hürth: „Dort habe ich für 26 Engel angefragt, eine Woche später gab es sogar schon eine Warteliste mit über 30 Zusagen.“
Over plädiert für eine gemeinsame Datei mit Wagenengeln
Die Lehrgangsteilnehmer seien immer sehr höflich und motiviert, sich etwas dazu zuverdienen. Und die etwas schlechteren Deutschkenntnisse seien sogar manchmal ein Vorteil: „Sie reagieren nicht so auf Schimpfwörter, weil die nicht verstanden werden."
Auch wenn er sich über seine „zuverlässige Truppe“ freut, kennt Over aufgrund vieler Anfragen von anderen Zugleitern die Not mit den Wagenengeln und hat einen Vorschlag für die Zukunft: „Alle Zugleiter sollten sich zusammensetzen und eine zentrale Datei mit Wagenengeln anlegen, das würde viel Arbeit und Sorgen sparen.“