Rücktritte gefordertStreit um Ernennung des Dezernenten in Kerpen verschärft sich
- Die bislang nicht erfolgte Amtseinführung des neuen Ersten Beigeordneten Mahmoud Al-Khatib sorgt in Kerpen für Unruhe.
- Bürgermeister Dieter Spürck hat am Mittwoch von neuen Informationen gesprochen, wegen denen der Rat die im Februar erfolgte Wahlentscheidung für Al-Khatib überdenken solle.
- Entscheidend könnten am Ende mögliche Fehler der Staatsanwaltschaft Köln sein.
Kerpen – Erst wurde rund vier Stunden lag hinter verschlossener Tür über die bislang nicht erfolgte Amtseinführung des neuen Ersten Beigeordneten Mahmoud Al-Khatib gestritten, dann ging es im öffentlichen Teil der Ratssitzung bei demselben Thema ganz schnell: Bürgermeister Dieter Spürck erklärte lediglich, dass ihm über den Fall neue Informationen vorlägen, die geklärt werden müssten. Er ziehe deshalb seine Anregung zurück, der Rat möge die im Februar erfolgte Wahlentscheidung für Al-Khatib überdenken und die Verwaltung beauftragen, die Stelle des Ersten Beigeordneten neu auszuschreiben.
Das war es: Was genau im nichtöffentlichen Teil der Sitzung passiert ist, sagt offiziell kein Ratsmitglied. Es gilt eine Geheimhaltungspflicht. Auch Al-Khatib, der an der Sitzung teilnehmen durfte, gibt dazu keine Auskunft. Wie zu hören ist, könnte die nichtöffentliche Ratsvorlage, in der Al-Khatib häusliche Gewalt gegen seine Ehefrau unterstellt worden war, teilweise nicht richtig gewesen sein: So war dort behauptet worden, die Staatsanwaltschaft Köln habe ein Strafverfahren gegen Al-Khatib wegen Körperverletzung nach Zahlung eines Geldbetrags eingestellt.
Staatsanwaltschaft soll Fehler gemacht haben
Nun heißt es aber, die Stadtverwaltung sei von der Staatsanwaltschaft über das Verfahren möglicherweise falsch informiert worden: So sei das Verfahren eventuell auch ohne Geldzahlung eingestellt worden. Von der Staatsanwaltschaft Köln selbst ist zu der Sache keine Stellungnahme zu bekommen. Politiker von SPD, UWG und Linken halten die Vorwürfe gegen Al-Khatib für widerlegt. Diese hätten sich „ausnahmslos“ als falsch erwiesen, heißt es in einer Presseerklärung.
CDU-Fraktionsvorsitzender Klaus Ripp wollte dies nicht so sehen: Es gebe Unklarheiten, weil Al-Khatib der Stadt keine Akteneinsicht gewährt habe: „Diese Mitwirkung vermisse ich.“ Mitwirken wollte jedenfalls Al-Khatibs Frau, die mit ihrem Mann zur Ratssitzung erschienen war. Sie durfte aber nicht am nichtöffentlichen Teil der Ratssitzung teilnehmen und musste vor der Tür bleiben. In einer Pause sprach sie Spürck und Ripp an und forderte, einbezogen zu werden. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit verließen drei CDU-Ratsmitglieder – laut Ripp teilweise krankheits- oder erschöpfungsbedingt – die Sitzung.
Mehrheitsverhältnisse haben sich verschoben
Das Bündnis aus CDU, FDP und BBK verlor so im Verlauf der Sitzung seine Mehrheit, die anfangs einschließlich der Stimme des Bürgermeisters aus einem Zwei-Stimmen-Vorsprung bestand. SPD, UWG, Grüne und Linke konnten so im Rahmen einer Abstimmung durchsetzen, dass die Ehefrau Al-Khatibs doch noch gehört wurde. Die neuen Mehrheitsverhältnisse nutzten die Oppositionsparteien dann auch, um mit knapper Mehrheit eine Reihe von Ratsbeschlüssen zu fassen, von denen es einige in der Geschichte Kerpens so wohl noch nicht gegeben hat.
So solle Al-Khatib umgehend zum Beigeordneten ernannt werden. Auch solle der Rat Spürck wegen seiner Vorgehensweise bei dem Stellenbesetzungsverfahren für den Ersten Beigeordneten wegen Untreue anzeigen. Gemeint war damit das erste – schon 2019 gescheiterte – Besetzungsverfahren mit dem Bewerber René Strotkötter. Spürck solle dabei für den durch seine angebliche Untreue der Stadt entstandenen Schaden persönlich in Regress genommen werden. Auch forderte der Rat Spürck auf, mit sofortiger Wirkung von seinen Ämtern zurückzutreten.
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Spürck, der während dieser Beschlüsse vor der Tür warten musste, wies daraufhin, dass er diese Beschlüsse beanstanden werde. In einer neuen Ratssitzung, in der das CDU-Bündnis dann wieder eine Mehrheit habe, könnten diese revidiert werden. Die Beschlüsse im nichtöffentlichen Teil der Sitzung würden gegen Recht und Gesetz verstoßen. Zudem seien bei den Abstimmungen „Zufallsergebnisse“ wegen fehlender Ratsmitglieder der Mehrheitskoalition zustande gekommen. „Diese zufälligen Mehrheitsverhältnisse im Rat spiegeln in keiner Weise das Wahlergebnis der letzten Kommunalwahl wieder“, sagte Spürck. Teilen des politischen Gegners wirft Spürck nun „üble Nachrede“ und „Brunnenvergiftung“ vor. Die Staatsanwaltschaft habe nach einer Anzeige gegen ihn wegen des Verdachts der Untreue im Bewerbungsverfahren Strotkötter kein Verfahren gegen ihn, Spürck, eröffnet.
„Das weiß auch SPD-Fraktionschef Andreas Lipp. Warum hält er das zurück? Soll damit der Bürgermeister öffentlich beschädigt und in seiner Amtsausübung behindert werden“, mutmaßt Spürck. Die Verursacher der „üblen Nachrede“ fordert er dazu auf, mit sofortiger Wirkung von ihren Ämtern zurückzutreten. Spürck schließt rechtliche Schritte nicht aus. Nach wie vor, sagte Spürck, habe er erhebliche Zweifel an der „charakterlichen Eignung“ des Bewerbers Al-Khatib, eine vertrauensvolle und loyale Zusammenarbeit mit Bürgermeister und Verwaltung sei nicht gegeben. Der Rat wird sich also voraussichtlich am 23. Juni noch einmal mit den Personalien befassen müssen. Je nachdem, wie das ausgeht, ist anschließend die Kommunalaufsicht am Zug.