Kerpener Judo-Trainer über Olympia„Mich ärgert die Außendarstellung in Deutschland“
Tokio/Kerpen – Seine ersten Olympischen Spiele erlebte Judo-Trainer Michael Bazynski bereits 1988 als Sportler in Seoul, Südkorea. Seitdem war der 62-Jährige bei fast jeder weiteren Olympiade als Trainer für die Deutsche Nationalmannschaft dabei und konnte mit seinen Sportlern einige Medaillen erkämpfen. Lediglich die Spiele 2004 in Athen konnte der Familienvater als aktiver Judoka nicht wahrnehmen. Bei den Spielen in Tokio ist der Kerpener erstmals für die weiblichen Judokas aus den Niederlanden verantwortlich und konnte in der vergangenen Woche Sanna van Dijke im Mittelgewicht zur Bronzemedaille führen. Im Gespräch mit Matthias Breuer erklärt Bazynski, was ihm die Medaille bedeutet, wie wichtig der Trainer im Judo ist und wie er die Spiele bisher erlebt hat.
Herr Bazynski, was bedeutet einem Trainer der Medaillengewinn durch einen von ihm betreuten Sportler bei den Olympischen Spielen?
Bazynski: Kurz gesagt, überragend viel. Das ist einfach der größte sportliche Wettbewerb, und viele Sportler träumen davon, hierherzukommen. Jetzt unter solchen Maßnahmen noch eine Medaille zu gewinnen, ist für mich einfach gewaltig. Gerade im Judo ist die Verbindung zwischen Trainer und Athlet sehr, sehr eng durch die vielen gemeinsamen Reisen. In einem normalen Jahr bin ich etwa 40 Tage zu Hause, den Rest der Zeit bin ich mit Sanne und anderen Athletinnen unterwegs. Da ist der Kontakt schon fast enger als zu meiner Familie.
Konnten Sie den Gewinn der Medaille bereits feiern?
Eigentlich nicht. Unser Teammanager hat zwar in meinem Hotel mit einem Bier auf mich gewartet, welches ich auch sehnsüchtig erwartet habe, aber es ist so, dass die ganzen Feierlichkeiten in Scheveningen nachgeholt werden. Dort wird ein kleines Olympia-Festival am Strand veranstaltet, an dem alle Teilnehmer der Olympiade direkt vom Flughafen mit einem Shuttle anreisen können. Natürlich werden dann dort auch alle Medaillen-Gewinner und das zugehörige Personal gefeiert. Da werde ich dann am kommenden Montag sicherlich die Nacht verbringen und dienstags von meiner Frau nach Hause gefahren.
Sie waren lange Trainer der deutschen Judo-Nationalmannschaft und haben damals van Dijkes Gegnerin um Bronze, Giovanna Scoccimarro, trainiert. Wie wichtig waren Ihre Kenntnisse über die Gegnerin für Ihren Schützling?
Giovanna kenne ich nicht nur aus meiner Trainerzeit, auch privat kenne ich sie, weil sie mit meiner Tochter sehr gut befreundet ist. Aber auf diesem Weltspitzenniveau kenne ich doch jede Athletin, egal ob sie aus Kolumbien, Japan oder eben Deutschland kommt. Mittlerweile kann ich von den Gegnern jeden Kampf aus mehreren Winkeln mehrfach anschauen. Daher, wer als Trainer die Gegnerin nicht genau kennt, der hat seinen Beruf verfehlt.
Sie erwähnten schon, dass die Beziehung zwischen Trainer und Athlet sehr eng ist. Wie wichtig ist einem Judoka der Trainer während des Wettkampfes?
Ich sehe es immer wieder, dass der Trainer sowohl im positiven als auch im negativen Sinne sehr entscheidend im Wettkampf ist und maßgeblich eingreifen kann. An der Matte gilt es für ihn, knappe und verständliche Ansagen zu machen. Wobei zu beachten ist, dass es seine Zeit braucht, bis die Athleten genau verstehen, was der Trainer sehen will und den Hinweisen zu hundert Prozent vertrauen. Das gelingt nur bei einem absolut zusammen gewachsenem Duo. Ich sehe häufig, dass das nicht immer so gut funktioniert.
Neben dem Medaillen-Erfolg war für Sie sicherlich die Eröffnungsfeier in Tokio ein Highlight. Wie haben Sie diese wahrgenommen?
Pandemiebedingt war es für die Trainer nicht vorgesehen, an der Veranstaltung im Stadion teilzunehmen – für mich einfach eine logische Konsequenz und daher keine Enttäuschung. Viele Sportler haben von sich aus die Eröffnungsfeier nicht wahrgenommen, oder sind nur durch das Stadion gelaufen und direkt wieder ins Hotel gegangen, um kein erhöhtes Infektionsrisiko zu haben. Für mich persönlich war es sowieso von Anfang des Jahres an fraglich, ob die Sportler überhaupt zusammen ins Stadion gehen können. Ich habe eigentlich damit gerechnet, dass nur ein Fahnenträger hereingehen darf. Von daher fand ich es schön, dass die Feier für die Sportler so möglich war, was für sie sicherlich ein schönes Erlebnis war.
Konnten Sie trotz der straffen Regeln die Stimmung im Land oder in der Stadt beobachten?
Für uns Trainer ist es generell so, dass wir durch die vielen Wettkämpfe gar keine Zeit haben und für die Sportler viel zu organisieren haben. In den letzten zwei Tagen habe ich vier Stunden schlafen können. Das ist für mich aber selbstverständlich, denn den kann ich bald nachholen. Während der Spiele bewegen wir Trainer uns immer im absoluten Ausnahmezustand. Von daher sehen wir nicht viel vom Treiben außerhalb der Wettkampfstätte. Dennoch ärgert mich die negative Außendarstellung in Deutschland, die die Japaner gegenüber den Spielen hätten. Die kann ich überhaupt nicht bestätigen. Wenn wir zu den olympischen Veranstaltungsorten in unseren gekennzeichneten Bussen fahren, winken uns die Menschen zu und freuen sich, uns zu sehen. Leute, die mit Schildern und Plakaten gegen die Spiele protestieren, wie es im Fernsehen oft dargestellt wird, habe ich überhaupt noch nicht gesehen.
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Haben sich Ihre Sportler wie die Outdoor-Sportler eigentlich speziell auf die Witterungsbedingungen in Japan versucht anzupassen?
Ja, klar. Nicht nur die Sportler. Auch ich habe mich im Trainingszentrum vor den Spielen in die Wärmekammer begeben, weil mir das ja auch hilft. Es geht doch für meine Sportler nicht, wenn ich hier rumlaufe und nur japse wie ein Fisch, den man auf den Stein geworfen hat. Gerade, weil ich auch schon etwas älter und nicht mehr körperlich so fit wie die Topsportler bin, ist das auch für mich sehr wichtig.
Werden Sie in den kommenden Tagen noch bei weiteren Entscheidungen am Rand der Matte stehen?
Am Samstag werden wir noch im Mixed-Teamwettkampf mit den Niederlanden antreten. Wir hoffen, dass wir um Bronze mitkämpfen können. Die Japaner und Franzosen sind hochfavorisiert und werden um die Goldmedaille kämpfen. Die Bronzene werden wir uns wahrscheinlich gegen Deutschland erkämpfen müssen.