Grüne kritisieren, dass die Ermittler kein Verfahren einleiten. Der AfD-Vorsitzende hatte behauptet, die Plakate stammten nicht von seiner Partei.
Staatsanwaltschaft ermittelt nichtGrüne aus Kerpen scheitert mit Anzeige gegen AfD-Plakate

In Köln und auch im Rhein-Erft-Kreis hingen riesige AfD-Werbeplakate, finanziert von einem Österreicher.
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Die Staatsanwaltschaft Köln lehnt Ermittlungen gegen die AfD wegen eines kontroversen Plakats aus dem Bundestagswahlkampf ab. Ein Ermittlungsverfahren könne nur dann eingeleitet werden, wenn „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer verfolgbaren Straftat“ vorlägen. Dies schreibe die Strafprozessordnung vor, heißt es in dem Schreiben der Ermittlungsbehörde, das dieser Redaktion vorliegt. Eine Frau aus Kerpen hatte im Februar 2025 Anzeige unter anderem wegen Beleidigung erstattet.
Auf dem Plakat, das während des Bundestagswahlkampfes zu Jahresbeginn in Kerpen, aber auch in vielen anderen Städten in Deutschland hing, stand: „Weiter Asylbetrug mit CDU + Rot/Grün? Deshalb AfD! Die bürgerliche Alternative“. Die Initiative für die Plakate ging nicht von der AfD selbst aus, sondern von Gerhard Dingler, einem ehemaligen FPÖ-Landesgeschäftsführer aus Österreich.
Eine solche Eignung zur Ehrverletzung vermag dem (…) Wahlplakat der AfD nicht entnommen werden
Dingler spendete der AfD Sachleistungen im Wert von 2,35 Millionen Euro – vermutlich die größte Einzelspende in der Parteigeschichte. So wurde beispielsweise in Köln ein Plakat an einem Gebäude in der Neusser Straße angebracht – direkt neben einem türkischen Imbiss.
Laut der Staatsanwaltschaft Köln erfüllt der Inhalt des Wahlplakats nicht den Tatbestand der Verleumdung – denn die setze eine „unrichtige Tatsachenbehauptung voraus“, mit dem Ziel, eine andere Person verächtlich zu machen oder herabzuwürdigen. Weiter heißt es: „Eine solche Eignung zur Ehrverletzung vermag dem (…) Wahlplakat der AfD nicht entnommen werden.“
Die mehrdeutige Aussage der Partei sei durch die im Grundgesetz verankerte verbürgte Freiheit der Meinungsäußerung gedeckt. Nach Lesart der Staatsanwaltschaft werde den Verantwortlichen von CDU, SPD und Grünen lediglich zur Last gelegt, sie ergriffen keine hinreichenden Maßnahmen gegen „Asylbetrug“.
Kerpen: Kritik dürfe auch überspitzt und polemisch geäußert werden
Auch der von der Grünen-Politikerin aus Kerpen erhobene Vorwurf der Ehrverletzung und Beleidigung sei nicht gegeben, führt die zuständige Staatsanwältin aus. Äußerungen als Beitrag zum politischen Meinungskampf müssten grundsätzlich hingenommen werden, auch wenn die Kritik in überspitzter und polemischer Form geäußert werde. Die Meinungsfreiheit könne nur dann eingeschränkt werden, wenn die Menschenwürde des von der Äußerung Betroffenen durch eine Schmähkritik oder Formalbeleidigung verletzt werde.
Dies sei bei besagtem AfD-Plakat nicht der Fall. So stelle der Inhalt des Plakats eine Auseinandersetzung in der Sache und keine Diffamierung einer angegriffenen Person dar. Nach Ansicht der Ermittlungsbehörde ist ein „hinreichend sachlicher Bezug zu der über die Asylpolitik im Wahlkampf geführten Diskussion gegeben“.

Annika Effertz ist Vorsitzende der Grünen in Kerpen.
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Annika Effertz, die Vorsitzende der Kerpener Grünen, zeigt sich verwundert über die Argumentation der Staatsanwaltschaft Köln. Ohne weitere Prüfung, also ohne überhaupt ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, gehe die Behörde davon aus, dass der „Betrugsvorwurf" keine unwahre herabwürdigende oder ehrverletzende Behauptung sei. „Das halte ich persönlich für eine überprüfungswürdige juristische Einschätzung“, kritisiert Effertz, die selbst Juristin ist.
Der Vorwurf des Asylbetruges richte sich ja hier nicht gegen die Asylsuchenden – „was per se schon unerträglich wäre“ –, sondern konkret gegen CDU, SPD und Grüne als systematischer Betrug der etablierten Parteien an der Gesellschaft. Das verkenne die Staatsanwaltschaft.

Diese AfD-Plakate hingen zur Beginn des Jahres 2025 in Köln-Niehl.
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Sie sehe daher den Tatbestand der Verleumdung erfüllt. Denn wer wider besseres Wissen (…) unwahre Tatsache behaupte oder verbreite, „welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“. Auch Parteien, Vereine oder Unternehmen können nach Effertz‘ Rechtsauffassung Opfer von Verleumdung oder übler Nachrede sein. Die Kerpenerin tritt im September als Bürgermeisterkandidatin der Grünen an.
Eine Anfrage zur Bewertung der staatsanwaltlichen Entscheidung ließ der Vorsitzende der AfD im Rhein-Erft-Kreis, Jeremy Jason, unbeantwortet. In einem Austausch über WhatsApp mit Annika Effertz, der dieser Redaktion vorliegt, bestritt er im Februar 2025, dass die AfD für die Plakate verantwortlich sei. Seine Partei würde keine Wahlwerbung autorisieren, geschweige denn finanzieren, die nicht ihrem Corporate Design, also einem abgestimmten Erscheinungsbild, entspreche. Zudem sei ihm nicht bekannt, dass die Großplakatflächen-Firma mit der AfD zusammenarbeite.