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Ehemalige Antifa-MitgliederKerpener wollen gegen rechtsradikalen Populismus kämpfen

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Bei der ersten Veranstaltung der neuen Kerpener Initiative „Hab 8cht!“ hielt der Bonner Politikwissenschaftler Siebo Janssen (Mitte) ein Plädoyer für ein demokratisches, menschenfreundliches Europa.

Kerpen – Schon in ihrer wilden Teenager-Zeit waren die Mitglieder des Freundeskreises als lokale Antifa-Gruppe in der Kolpingstadt unterwegs. Später wurden Studium, Beruf und Familie dann doch irgendwie wichtiger als politisches Engagement gegen Rechts.

Doch nun sind sie – allesamt um rund drei Jahrzehnte gealtert – plötzlich wieder da. „Hab 8cht!“ nennt sich eine neue Initiative, die fortan Haltung zeigen und Zeichen setzen möchte für eine „menschenfreundliche Demokratie in Europa und gegen rechtsradikalen Populismus.“

Fünf Gründungsmitglieder

Das erste Zeichen wurde am Samstagabend gesetzt, und es machte den fünf Gründungsmitgliedern von „Hab 8cht!“ durchaus Mut für mehr: In der Szenekneipe Lohmeyer wurden bei der Auftaktveranstaltung der Gruppe sogar die Stehplätze knapp – und zwar nicht erst, als die für den späteren Abend angekündigte Oliver Kerk Band für Live-Musik sorgte, sondern schon ganz zu Beginn beim politischen Teil des „Europatages“.

„Dass an einem Samstagabend so viele Menschen zu einem Polit-Vortrag über die Europa-Politik in die Kneipe kommen würden, übertrifft all unsere Erwartungen“, freute sich Michaela Sulger. Die 47-jährige Versicherungsangestellte aus Kerpen hat die Initiative gemeinsam mit Martina Kretschmann, Michael Lydorf sowie Heidrun und Patrick Wittkowski auf die Schiene gebracht. Alle stammen aus der Kolpingstadt; einige leben inzwischen in anderen Städten.

Der Bonner Politikwissenschaftler und Historiker Siebo Janssen gestaltete seinen Vortrag unter der Überschrift „Europa fängt in Kerpen an“ als flammendes Plädoyer für das Festhalten am Europagedanken, für die mutige Weiterentwicklung gemeinsamer demokratischer Strukturen und gegen den von den Rechtspopulisten forcierten Rückfall in nationalstaatliches und oft fremdenfeindliches Denken und Handeln.

Aufruf zur Wahl

Alle Anhängerinnen und Anhänger der demokratischen und pro-europäischen Parteien von der CDU bis hin zur Linken rief Janssen auf, am 26. Mai zur Europawahl zu gehen, um den in vielen Meinungsumfragen erschreckend starken Rechtspopulisten die Stirn zu bieten. Das war ganz im Sinne der „Hab 8cht!“-Aktivisten und passte auch zu dem Zitat unbekannter Herkunft, das die Gruppe als Motto ihrer Grundsatzerklärung vorangestellt hat: „Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf.“

„Wachgerüttelt haben uns nicht zuletzt die Aktivitäten der Partei Die Rechte, die gerade hier bei uns in Kerpen ziemlich präsent ist und mit schlimmen Parolen Ängste schürt. Aber es ist auch erschreckend, was man inzwischen in den sozialen Medien und im Alltag auch sonst noch so an Hass und demokratiefeindlicher Hetze zu lesen und zu hören bekommt“, meint Michaela Sulger nachdenklich. „Man muss sich wirklich Sorgen um unsere Demokratie machen. Wir waren uns in der Gruppe einig, dass es jetzt wirklich höchste Zeit ist, aus dem Alltagstrott herauszukommen und aktiv Haltung für ein gutes demokratisches Miteinander zu zeigen“, ergänzt ihre Mitstreiterin Heidrun Wittkowski, „dabei verstehen wir uns als parteipolitisch, religiös und weltanschaulich unabhängige, gewaltfreie, demokratische Initiative.“

Geplant sind bislang unter anderem mehrere Polit-Stammtische im Lokal Lohmeyer, die Teilnahme an der Pro-Europa-Großdemo am 19. Mai in Köln und eine Autorenlesung mit Lale Akgün im Rahmen des Literaturherbstes Rhein-Erft am 27. September in der Stadtbücherei St. Martinus.

www.hab8cht.de