Polizei organisiert Infoveranstaltungen, Seniorin sensibilisiert ihre Altersgenossen.
SchockanrufeDie miesen Tricks der falschen Polizisten am Telefon
„Mama“, schluchzt eine tränenerstickte und kaum verständliche Stimme in den Hörer. „Mama, du musst mir helfen – bitte, ich habe echt Mist gebaut“. Im nächsten Augenblick übernimmt eine sehr ernste, aber auch verständnisvoll klingende Stimme das weitere Telefongespräch: „Ihr Kind hat einen sehr schlimmen Unfall verursacht, dabei ist ein zweijähriges Mädchen zu Tode gekommen“.
Der Mann am Telefon stellt sich als Staatsanwalt oder ermittelnder Polizist vor. Oft zeigt er Interesse und großes Verständnis. „Ihr Kind hat sich ja bisher noch nie etwas zuschulden kommen lassen“, sagt er mitfühlend. Deswegen lasse sich eine Untersuchungshaft noch abwenden – gegen die Zahlung einer Kaution. Summen in Höhe von 40 000 Euro und mehr werden dann genannt. Geld, das sofort zu zahlen sei.
„Meistens lassen die Täter sogar noch mit sich handeln“, weiß Kriminalhauptkommissar Guido Kümpel. Als Experte in der Abteilung Kriminalprävention und Opferschutz weiß er, wie perfekt es die Täter verstehen, ältere Menschen enorm unter Druck zu setzen. „Sollte kein oder weniger Bargeld verfügbar sein, fragen die Täter auch gern nach Schmuck, den sie alternativ oder ergänzend zum Geld nehmen“, berichtet Kümpel. Nicht selten schlügen die Täter Übergabeorte vor Amtsgerichten oder anderen Behörden vor.
Kümpel kennt einige Menschen, die solchen Verbrechern geglaubt haben. Schlimmer noch als der Verlust des Geldes sei für viele Menschen die Scham, einem solchen Betrüger auf den Leim gegangen zu sein. „Oft können die Opfer auch Tage und Wochen nach der Tat nicht oder kaum darüber sprechen“, sagt er. Schockanrufe zählen inzwischen zu den häufigsten Betrugsmaschen am Telefon. „Es ist eine der perfidesten Maschen, mit denen die Betrüger darauf abzielen, Eltern, Großeltern oder Familienangehörige in einen Schockzustand zu versetzten“, erläutert Kümpel.
Dabei werde gezielt darauf gesetzt, die Senioren mit verschiedenen Schreckensszenarien zu konfrontieren, um Ängste und Druck aufzubauen. So sehr, dass die Opfer dem Anrufer am Ende wirklich alles glaubten. Es falle den Betrügern leicht, immer wieder neue Gründe zu erfinden, warum das Geld sofort übergeben werden müsse. „Das sind Berufsverbrecher, und die verstehen ihr Geschäft verdammt gut“, warnt Kümpel. „Diese Betrüger tun ja den ganzen Tag nichts anderes.“
Frau konnte Anrufer abwimmeln
„Um so wichtiger ist Aufklärung“, sagt Gertrud Jansen (78), Vorsitzende des Seniorenbeirats in Kerpen. Sie weiß, wie sich die Angst anfühlt, die bei Schockanrufen plötzlich in einem aufsteigt. Sie habe nämlich auch einmal einen ähnlichen Anruf bekommen. „Da wurde mir am Telefon erzählt, man habe Kontoauszüge von mir gefunden“, schildert sie. Sie habe den Anrufer aber abwimmeln können und dann sofort die Polizei angerufen. „Sie rieten mir, beim nächsten Anruf direkt aufzulegen“, berichtet die 78-Jährige. Die Polizei habe die Telefonnummer rückverfolgt, die auf dem Display angezeigt worden sei, doch wer letztendlich bei ihr angerufen habe, sei nie herausgekommen.
„Heute gibt es die technischen Möglichkeiten, die Anrufnummer zu verändern“, erklärt Kümpel. Er und sein Team setzen auf Aufklärung. Allein im Oktober hat der Kriminalhauptkommissar bei vier Beratungsterminen in den Städten im Rhein-Erft-Kreis etwa 80 Seniorinnen und Senioren unter anderem die Merkmale von sogenannten Schockanrufen vorgestellt. Kümpel und seine Kollegen beraten und informieren die Menschen auf Anfrage telefonisch, aber auch bei Ortsterminen in kleinen oder größeren Gruppen, so wie zuletzt in Kerpen im Rathaus, wo auf Einladung des Seniorenbeirats 25 ältere Menschen das Angebot annahmen. Die Beratungen sind stets kostenlos.
Wie wichtig die Aufklärung ist, zeigen etliche Beispiele. Allein zwischen dem 17. und dem 25. Oktober sind bundesweit rund 20 für die Täter erfolgreich verlaufene Schockanruf-Betrugsfälle im Presseportal der Polizei veröffentlicht worden. Ein Ehepaar wurde um fast 100 000 Euro betrogen. Erst vor ein paar Tagen hat auch eine Seniorin in Erftstadt einem Täter eine fünfstellige Summe auf einem Parkplatz übergeben. Auch diese Betrüger haben der Frau zuvor glaubhaft gemacht, dass ein Familienmitglied einen tödlichen Unfall verursacht habe. Im Glauben, einem Angehörigen zu helfen, überließ die ahnungslose Frau einem der Täter das Geld.
„Ein echter Staatsanwalt oder Polizist nimmt niemals Bargeld oder Schmuck an und würde eine Herausgabe auch niemals verlangen“, betont Kümpel eindringlich. Niemals würden ein echter Staatsanwalt, die Polizei oder andere Amtsträger bei den Angehörigen zu Hause anrufen, um ihnen Nachrichten etwa von schlimmen Unfällen und Todesfällen mitzuteilen. „Unsere Polizei schickt die Beamten raus, um den Betroffenen in einem persönlichen Gespräch Nachrichten zum Beispiel von Unfällen zu übermitteln.“ Bei solchen Anrufen empfiehlt der Kriminalhauptkommissar: „Beenden Sie das Gespräch sofort und achten Sie genau darauf, dass Sie auch selbst das Telefonat beenden und die rote Taste drücken.“
Denn einerlei, wie herzzerreißend das angebliche Kind oder Enkelkind am Telefon schluchze und wie verständnisvoll und barmherzig sich der angebliche Staatsanwalt oder Polizist am anderen Ende der Leitung gebe, das sei alles nur Teil einer Inszenierung, um sich am Geld ihrer Opfer zu bereichern. „Beenden Sie direkt das Gespräch und wählen dann die Nummer 110 der Polizei“, gibt Kümpel den Senioren mit auf den Weg. Weitere Informationen zum Thema unter 02271/814818 oder im Internet.