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Sie wurde 99 Jahre altPianistin Tiny Wirtz aus Kerpen ist gestorben

Lesezeit 4 Minuten
So werden sie viele in Erinnerung behalten: Pianistin Tiny Wirtz wurde auf Melatenfriedhof in Köln beerdigt. Das Foto an ihrem Sarg zeigt eine bemerkenswerte Frau.

So werden sie viele in Erinnerung behalten: Pianistin Tiny Wirtz wurde auf Melatenfriedhof in Köln beerdigt. Das Foto an ihrem Sarg zeigt eine bemerkenswerte Frau.

Am 9. Januar starb Tiny Wirtz mit 99 Jahren. Sie galt als weltberühmte Pianistin aus Kerpen-Horrem.

Wer glaubt, der Rhein-Erft-Kreis sei provinziell, der irrt. Gleich zwei weltberühmte Musiker, die hier geboren, aufgewachsen und gestorben sind, rückten in den letzten Tagen in den Mittelpunkt des Interesses: Tiny Wirtz, Pianistin aus Horrem, und Bernd Alois Zimmermann, Komponist aus Bliesheim.

Am 9. Januar starb Tiny Wirtz mit 99 Jahren. Jetzt wurde sie auf dem Melatenfriedhof in Köln beigesetzt. Pfarrer Franz Meurer, der bekannte Priester mit dem unbekümmert rheinischem Zungenschlag, führte durch die Trauerfeier in der Maria-Magdalena-Kapelle auf Melaten. Er umschrieb in berührender Weise den Charakter der Verstorbenen: „Bei aller Disziplin hatte ihr Leben etwas Leichtes gehabt, etwas Großzügiges. Sie hatte gelegentlich einen recht bissigen Humor.“

Ihr Klavierlehrer merkte schnell, dass Tiny Wirtz zu gut für ihn war

Herbert Vietor, Organist und ehemaliger Musiklehrer am Kerpener Gymnasium, konnte bei anderer Gelegenheit dazu eine Anekdote beitragen: „Einer ihrer Klavierschüler kam niedergeschlagen von einem Wettbewerb, er hatte verloren. Tiny Wirtz beruhigte ihn. Wenn man alle Töne, die der Sieger falsch gespielt habe, zusammennimmt, könne man daraus eine komplette Klaviersonate komponieren!“

Tiny Wirtz bekam schon als Kind beim Organisten der Horremer Pfarrkirche Klavierunterricht; nach kurzer Zeit merkte ihr Lehrer aber, dass sie zu gut für ihn war. Also gaben ihre Eltern sie zu einem Pianisten nach Köln, sie ging auf die Rheinische Musikschule und bestand am 12. April 1946 ihre Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule in Köln.

Am selben Abend, was man durchaus als Sensation auffassen darf, debütierte sie mit der Uraufführung der „Extemporale“ von Bernd Alois Zimmermann in Hörsaal I der Kölner Universität.

Das Foto zeigt eine Zeichnung von Wilhelm Heiner, die Tiny Wirtz zeigt; entnommen dem Flyer, der bei ihrer Beerdigung an die Trauergäste verteilt wurde.

Das Foto zeigt eine Zeichnung von Wilhelm Heiner, die Tiny Wirtz zeigt; entnommen dem Flyer, der bei ihrer Beerdigung verteilt wurde.

Später führte sie alle Solo-Klavier-Werke Zimmermanns als erste auf. Zimmermann war einer der angesehensten Komponisten der Neuen Musik, berühmt wurde seine Oper „Die Soldaten“, die 1965 an der Kölner Oper uraufgeführt wurde. Die enge Beziehung zwischen Tiny Wirtz und Bernd Alois Zimmermann zeigte sich auch darin, dass Tiny Wirtz die Patentante seines Sohnes Gereon war.

Bettina Zimmermann, die Tochter von Bernd Alois, zitiert in ihrem Buch über ihren Vater („con tutta forza – Bernd Alois Zimmermann“) Tiny Wirtz: „Es war eine nette Freundschaft zwischen uns. Man machte etwas zusammen und unterhielt sich dann. Wir haben uns über Musik unterhalten, auch manchmal gealbert, er hat ja auch Witze erzählt. Er sprach ein anderes Platt als wir in Horrem, rrrrollte das R und erzählte die Witze dann auf Bliesheimer Platt.“

Wegen ihres Talents wurde sie von einflussreichen Mäzenen gefördert

Tiny Wirtz wurde aufgrund ihres Talents, aber auch wegen ihrer Unerschrockenheit von einflussreichen Mäzenen gefördert, zum Beispiel von Peter Werhahn, einem bekannten Unternehmer, dem unter anderem die Horremer Brikettfabrik gehörte.

Sie zählte zu den Gründungsmitgliedern der Donnerstagsgesellschaft Alfter, einem Zusammenschluss von kunstinteressierten Menschen, zu denen der Politiker Carlo Schmid, der Jurist und Kunstsammler Josef Haubrich, der Maler Georg Meistermann und die Schauspielerin Elisabeth Flickenschild gehörten.

Tiny Wirtz machte nicht nur Zimmermann bekannt, sie widmete sich auch romantischen Komponisten wie Robert Schumann, dessen „Blumenstück“ bei der Beerdigungsfeier zu hören war, in einer Einspielung von Tiny Wirtz. Auch dem Jazz stand sie nahe, ebenso zeitgenössischen Komponisten wie Claude Debussy, Paul Hindemith und Igor Strawinsky.

Das Foto zeigt das Grab der Horremer Pianistin Tiny Wirtz auf dem Melatenfriedhof in Köln.

Die Horremer Pianistin Tiny Wirtz wurde auf Melatenfriedhof in Köln beerdigt.

Wirtz arbeitete mit namhaften Dirigenten zusammen, viele Jahre lang nahm sie Einspielungen für die ARD-Anstalten auf. Stefan Kraus, Leiter des Kölner Kolumba-Museums, berichtete bei der Trauerfeier, dass sie für diese Einspielungen nur ein schlechtes Honorar erhalten habe, sie diese später zum Eigenbedarf nutzen wollte und dafür einen deutlich höheren Preis entrichten musste. Mehr als 30 Jahre unterrichtete sie als Professorin an der Musikhochschule Köln.

Ihr Grab auf Melaten liegt zwischen dem des Malers Friedrich Vordemberge und dem von Toni Feldenkirchen, dem Leiter des Kölnischen Kunstvereins von 1942 bis 1972. Kolumba-Leiter Kraus: „Sie hatte sich die Grabstelle schon vor Jahren gekauft. Sie bestand darauf, dass der Grabstein aus unbehandelter Grauwacke die beiden Nachbargräber auf keinen Fall dominieren dürfe.“ Eine große Künstlerin und eine bescheidene Frau.