„SpeicherStadtKerpen“ soll Strukturwandel bringenKerpen setzt auf Wasserstoff
Kerpen – Bürgermeister Dieter Spürck war ganz euphorisch: Die Stadt Kerpen habe den Anspruch „Klima-Hauptstadt im Rhein-Erft-Kreis“ zu werden, sagte Spürck und mache hiefür nun den „nächsten wichtigen Schritt“. Dazu begrüßte Spürck im Rathaus hochrangige Gäste, etwa Katharina Reiche, Vorsitzende des Nationalen Wasserstoff-Rates der Bundesregierung und Vorsitzende der Geschäftsführung des Energieunternehmens Innogy Westenergie, sowie Manfred Sieger, Generalmanager Siemens Energy.
Die Unternehmensvertreter unterzeichneten einen Vertrag über eine langfristige Kooperation ihrer Firmen mit der Stadt und den Stadtwerken zur Realisierung des Projektes „SpeicherStadtKerpen“. Dabei geht es unter anderem darum, auf bisher für den Tagebau Hambach vorgesehene Flächen auf regenerative Weise Strom zu erzeugen, diesen in „grünen“ Wasserstoff umzuwandeln und am besten auch gleich in Kerpen zu nutzen.
Bis 2032 solle Kerpen „energetisch“ und „ innovativ“ transformiert werden. „Mit unserem ganzheitlichen, auf Nachhaltigkeit sowie CO2 -Neutralität ausgelegten Projektansatz, welcher den Sektor Energie mit nachhaltiger Stadtentwicklung sowie den Sektoren Mobilität, Logistik und Industrie vereint, wollen wir im Rahmen der Sektorkopplung zum Vorbild für Städte und Kommunen in ganz Europa werden“, heißt es in einer Presseerklärung. Geplant sei „die Installation und der Einsatz modernster Lösungen und Technologien aus den Bereichen Stromerzeugung, -übertragung und -speicherung“. Auch Michael Kreusch, Geschäftsführer der Stadtwerke Kerpen, sieht darin eine „hervorragende Chance, „die Zukunft der Region zu sichern“.
Ob die Sache klappt, hängt aber von Fördergeld ab, das im Zuge des Strukturwandels fließen soll: Wie der städtische Dezernent und Projektentwickler Joachim Schwister erläuterte, habe die Stadt das Konzept gemeinsam mit Siemens, Innogy, den Stadtwerken und dem Forschungszentrum Jülich erarbeitet. Es sei schon im Mai mit 82 anderen Projekten von der Zukunftsagentur Rheinisches Revier (ZRR) dem Land zur Beschleunigung des Strukturwandels empfohlen worden. „Damit haben wir die erste Hürde genommen.“ Jetzt gehe es darum, die Förderanträge zu konkretisieren und eine Förderzusage zu bekommen. Anfang nächsten Jahres könnten dann die ersten Summen fließen, so dass mit der technischen Umsetzung gestartet werden könne. Dass sich Konzerne wie Siemens und Innogy an der Sache beteiligen wollten und dafür führende Mitarbeiter nach Kerpen geschickt hätten, zeige, dass die Chancen zur Realisierung gut stünden, meinte Schwister.
Acht Teilprojekte
Bei dem Projekt „SpeicherStadtKerpen“ geht es nicht nur allein um die Produktion von Wasserstoff: Es gibt vielmehr acht Teilprojekte:
1. Im Zuge einer „EnergieArena“ wird der komplette Tagebau Hambach mit Wald und Wiesen rekultiviert, dazwischen stehen Wind- und Solaranlagen. Es gibt ökologische Landwirtschaft und einen See als Pumpspeicherkraftwerk.
2. Die „Hambacher Lichtungen“ bestehen aus einem acht Kilometer langen Wald der südlich des Tagebaus neu angepflanzt wird.
3. Die „Energie-Allee“ besteht aus Windrädern, die entlang der Autobahn 4 bei Buir aufgestellt werden.
4. Am Autobahnkreuz Kerpen entsteht ein „MobilitätsHafenKerpen“, der emissionsfrei erzeugten Kraftstoff bieten soll. Dieser wird den rund 140 000 Fahrzeugen angeboten, die täglich das Kreuz passieren.
5. Die „BahnStadtHorrem“ besteht aus neuen Siedlungen, die nachhaltiges Wohnen und einen Anschluss an das Bahnnetz bieten.
6. Bei der „GartenLandStadt Buir“ ist es ähnlich.
7. Das „FlexKraftwerkKerpen“ ist ein wasserstoffbefeuertes, digital gesteuertes regeneratives Kraftwerk mit integrierter BioRaffinerie und Speicher.
8. Der „BoelckeCampusKerpen“ ist die Umnutzung der früheren Kaserne als Forschungszentrum und Sitz von Start-up-Unternehmen für Nachhaltigkeit. (wm)
Innerhalb der nächsten drei Jahren schon könne in Kerpen eine Elektrolyse-Anlage zur Wasserstoff-Produktion stehen. Mit dem produzierten Wasserstoff könnten etwa Busse der Rhein-Erft-Verkehrsgesellschaft oder auch Lastwagen am Autobahnkreuz Kerpen betankt werden.
Mittelfrist ist geplant, die Wasserstoff-Anlage mit Strom zu betreiben, der auf den Flächen des bisherigen Tagebaus Hambach gewonnen wird. Ob dort Windräder oder Solaranlagen aufgestellt werden und um wie viele Anlagen es sich dabei handeln könnte, sei noch offen, sagte Schwister: „Es steht noch nicht fest, wo, wann welche Technologien zum Einsatz kommen.“
Potenziale erschließen
Theoretisch sei es möglich auf der Fläche des Tagebaus soviel regenerativen Strom zu produzieren wie dies im Moment auch durch Kohle geschehe. Wie viel sich davon aber in der Praxis realisieren lasse, müsse sich zeigen.
Reiche, die früher Staatssekretärin im Umweltministerium war, wies daraufhin, dass die Wasserstoff-Strategie der Bundesregierung auch auf Wasserstoff-Importen aus dem Ausland fuße. Es gehe aber darum, zusätzlich auch die hier vorhandenen Potenziale für die Erzeugung von grünem Wasserstoff mit regenerativer Energie zu erschließen. Reiche: „Heute dokumentieren wir, dass wir fest entschlossen sind, diesen Weg weiter zu gehen.“
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Manfred Sieger betonte, dass sein Unternehmen Siemens eine treibende Kraft bei der Energiewende sein wolle: „Wir als Technologiekonzern haben die Aufgabe, neue Technologien zu entwickeln, die auf dem Markt auch erfolgreich sind.“ Kerpen biete für die Kopplung einer regenerativen Energieerzeugung mit Wasserstoffproduktion und -nutzung „ideale Voraussetzungen“.