VinzenzhausErinnerungen an eine düstere Zeit
Kerpen – Sie war in eine Zwangsjacke gesteckt worden, musste stundenlang im eiskalten Wasser liegen und auch schon mal auf dem kalten Boden schlafen, wenn sie wieder einmal ins Bett gemacht hatte. Als Kind lebte Monika Stey in den 1960er Jahren im Kerpener Vinzenzhaus, das damals ein Heim für geistig behinderte Kinder war und vom Orden der „Armen Dientsmägde Jesu Christi“ aus Dernbach geführt wurde. Vor vier Jahren hatte der „Kölner Stadt-Anzeiger“ über die Erlebnisse des Heimkindes Monika Stey berichtet, welche in Kerpen auf großes Interesse, aber auch auf Widerspruch gestoßen waren. Nicht alle konnten ihre Darstellungen glauben.
Nun hat die heute 59-jährige über ihr Leben ein Buch geschrieben, das im Selbstverlag veröffentlich wurde und an dessen Finanzierung sich auch der Diözesan-Caritasverband beteiligt hat. „Ich träume von einer Insel – Mein Leben unter schwarzer Pädagogik“ heißt das 230-Seiten-Werk, von dem bislang 300 Stück verkauft sind und das nun in einer zweite Auflage gedruckt wird. Hier schildert Stey wie sie als Kind in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs und mit acht Jahren von einem Arzt als „schwachsinnig“ eingestuft und ins Heim geschickt worden war – eine Diagnose, die sich später als falsch herausstellte. Nach einem ersten Aufenthalt im Landeskrankenhaus Düren kam sie schließlich nach Kerpen ins Vinzenzheim, das an der heutigen Stiftsstraße lag und vor 25 Jahren abgebrochen wurde.
„In Kerpen blieb ich rund fünf Jahre“, schreibt sie in dem vierseitigen Kapitel über Kerpen. „Eine Zeit, die mir vor allem in Erinnerung blieb, weil die Nonnen aus mir mit jedem Mittel einen »guten Menschen« machen wollten und dies für mich Schmerzen bedeutete, Verlust von Freiheit, Erniedrigung und Missachtung. Schon bald hatten die Schwestern einen Rufnamen für mich gefunden, wenn ich mich daneben benahm: Ich war die »böse Hexe«, was mich damals sehr verletzte.“ Sie berichtet von den Misshandlungen, von ihrer beginnenden Pubertät im Heim, über die sie mit den Nonnen nicht reden konnte und was dann zu Konflikten führte, aber auch von „schönen“ Erinnerungen: „Wir hatten bei den Krippenspielen viel Spaß, ich lernte zu tanzen und durfte Theater spielen.“
Dennoch sei es wie eine „Befreiung“ gewesen, als sie 1966 nach fünf Jahren im Vinzenzheim in die Rheinische Landesklinik nach Langenfeld abgeschoben wurde. Dort sei sie erstmals gefördert worden. Wie sie sich ins Leben zurückkämpft, den Hauptschulabschluss nachholt, eine Prüfung als Krankenpflegerin ablegt und auch zum ersten Mal alleine in Urlaub fährt, wird in den folgenden Episoden des Buches beschrieben.
Noch immer leidet Stey, die heute in Engelskirchen lebt, unter ihrem jahrzehntelangen Heimaufenthalt und den damals zur Ruhigstellung verabreichten Medikamenten. Sie kämpft um Anerkennung und Entschädigung. „Ich würde mein Buch und meine Lebensgeschichte gerne einmal in Kerpen oder Umgebung vorstellen“, sagt sie. Bislang ist es ihr aber noch nicht gelungen, hierfür einen Veranstalter zu finden.
Immerhin hat es in Kerpen schon einmal eine Aufarbeitung des Geschehens gegeben: Anfang 2009 fand ein Zeitzeugengespräch über das Vinzenzhaus statt, zu dem der Kerpener Heimatverein ins Haus für Kunst und Geschichte eingeladen hatte. Stey traf dort neben einer ehemaligen Küchenhilfe des Heimes, die ihre Darstellungen bestätigte, auch Vertreterinnen des Ordens.
Wer ihr helfen will, eine Buchvorstellung in Kerpen zu organisieren, kann sich bei ihr unter 02263-481300 melden. Das Buch ist bei ihr oder im Buchhandel unter der ISBN 978-3-942594-23-3, für 11,90 Euro, erhältlich.