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Kommentar

Kommentar zur Kritik an Microsoft-Projekt
Petition des BUND wegen Rechenzentren in Rhein-Erft zur Unzeit

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Lesezeit 3 Minuten
So oder ähnlich werden die Datencenter im nördlichen Teil des Rhein-Erft-Kreises aussehen.

So oder ähnlich werden die Datencenter im nördlichen Teil des Rhein-Erft-Kreises aussehen.

Im Februar wurde der spektakuläre Plan für die Hyperscaler im Norden des Kreises vorgestellt. Erst jetzt äußern Umweltschützer Kritik.

Es war ruhig. Zu ruhig. Verdächtig ruhig. Im Februar war offiziell öffentlich gemacht worden, was schon lange zuvor die Spatzen von den Dächern gepfiffen hatten: Es gibt eine Zukunft nach dem Ende des Braunkohletagebaus im Rheinischen Revier, speziell im Norden des Rhein-Erft-Kreises.

Und die erschien so strahlend, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) darum wetteiferten, wer denn nun den größeren Anteil am Coup mit Microsoft hat, und so strahlten sie mit den Vertretern des Weltkonzerns bereitwillig in die Kameras.

Dass ein SPD-Bürgermeister als Motor des Deals gilt, fuchst viele in der CDU

Deren Schatten war allerdings nicht so lang, so dass der Bürgermeister des 25 000-Einwohner-Städtchens Bedburg zum heimlichen Star der Ansiedlung von Microsoft auf der Grenze zu Bergheim wurde: Sascha Solbachs Anteil daran, dass dort zwei Rechenzentren außerordentlichen Ausmaßes entstehen, war zweifelsohne nicht gering.

Daran zeigte sich, dass sich Hartnäckigkeit und das Verfolgen eines klaren Plans auszahlen können. Der SPD-Mann war jedoch klug genug, die Verdienste seiner Amtskollegen in Bergheim und Elsdorf, Volker Mießeler und Andreas Heller (beide CDU), zu betonen.

Dem BUND zu unterstellen, Jobs interessierten ihn nicht, geht zu weit

Dennoch: Dass ein SPD-Bürgermeister (einer von dreien in den zehn Städten des Kreises) zum Gesicht des Strukturwandels geworden ist, dürfte die erfolgsverwöhnten und mitunter selbstgefällig agierenden Christdemokraten ordentlich wurmen. Öffentlich aussprechen würde das natürlich keiner.

Öffentlich ausgesprochen hat dagegen in dieser Woche der BUND seine Bedenken gegen das wegweisende Projekt – zur Erinnerung: ein halbes Jahr nach dessen Bekanntgabe. Und dies, obwohl die Fakten von Anfang an auf dem Tisch liegen: Der Standort (auf der grünen Wiese) ist bekannt, die Größe der Hyperscaler, ihre Funktionsweise und auch das Versprechen von Microsoft, die Rechenzentren über kurz oder lang klimaneutral zu betreiben. Auch der Umstand, dass mit ihnen allein nicht alle Jobs aufgefangen werden können, die durch den Kohle-Ausstieg wegfallen werden, lag von Anfang an auf dem Tisch.

Auch Umwelt-Lobbyisten dürfen über den Tellerrand hinausschauen

Doch sind zunächst mehrere Hundert Arbeitsplätze, in deren Umfeld sich – so die berechtigte Hoffnung – eine Vielzahl von Unternehmen aus der IT-Branche ansiedeln wird, nichts? Ist es nicht vor allem das von den Menschen seit langem erwartete Signal, dass unsere Region es auch ohne die Kohle schafft und nicht droht, abgehängt zu werden?

Den Naturschützern des BUND zu unterstellen, sie interessierten sich nicht für die Menschen und sie ignorierten, ob die für gute Arbeit gutes Geld bekommen, geht sicher über das Ziel hinaus. Gleichwohl darf man auch von Umwelt-Lobbyisten erwarten, über den Tellerrand hinauszuschauen.

Wir reden hier nicht über die x-te Ansiedlung eines Logistikers in einem Gewerbegebiet in Kerpen oder Frechen. In solchen Fällen kann man getrost unterschiedlicher Meinung sein, ob das Verhältnis zwischen versiegelter Fläche und Jobs in einem gesunden Verhältnis steht und welchen Zugewinn eine Kommune davon hat. In puncto Gewerbesteuer zahlen sich solche Unternehmensansiedlungen jedenfalls gewiss nicht aus.

Aber die Microsoft-Ansiedlung ist ein anderes Kaliber. Der BUND wäre gut beraten, in den Dialog mit dem Unternehmen zu treten bezüglich der ökologischen Ausgestaltung des Projekts, statt mit einer Petition und dem Verharren in Klischees dem Strukturwandel ein Bein zu stellen – und das in einem Augenblick, wo nicht damit zu rechnen war.