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Luftwaffenstützpunkt NörvenichIsraelische und deutsche Soldaten trainieren zusammen

Lesezeit 4 Minuten

Zum ersten Mal weht eine Israelische Flagge bei Truppenübungen in Deutschland.

Nörvenich – Auf dem Luftwaffenstützpunkt Nörvenich trainieren zurzeit israelische und deutsche Soldaten bei einem Manöver unter dem Namen „Blue Wings 2020“. Das ist nicht nur militärisch ein Novum und 75 Jahr nach dem Völkermord an den Juden ein ganz besonderer Moment in der deutsch-israelischen Geschichte, es ist auch für die Soldaten auf beiden Seiten ein emotionales Ereignis.

Samuel Mbassa, Oberstleutnant und stellvertretender Kommodore des Taktischen Luftwaffengeschwaders 31 Boelcke in Nörvenich, erzählt, wie sehr ihn diese Begegnung freut. „Sie ist ein Zeichen an die deutsche Bevölkerung, dass wir als Bundeswehr israelische Mitmenschen wertschätzen.“ Während innerhalb Deutschlands die Debatten um rechte Tendenzen in Teilen der Bundeswehr nicht zur Ruhe kommen, setzt die Luftwaffe ein Zeichen gegen Antisemitismus. Aus seinen Begegnungen mit den Soldaten zieht Mbassa nach wenigen Tagen die Bilanz: „Die Israelis sind sehr nette Menschen. Es ist eine wertvolle, kameradschaftliche Begegnung.“

Einer der ältesten Stützpunkte

Der Fliegerhorst Nörvenich zählt zu den ältesten Stützpunkten der Bundesluftwaffe. Auf ihm ist das Taktische Luftwaffengeschwader 31 Boelcke stationiert. Rund 300 Zivilbedienstete und 950 Soldaten arbeiten dort. Der Militärflughafen wurde 1955 von den Engländern an die Bundeswehr übergeben.

Zuerst waren dort Militärjets vom Typ Starfighter stationiert. Später waren es Tornado-Maschinen, nun sind es Eurofighter. Das Nörvenicher Boelcke-Geschwader hatte schon öfters hochrangigen Besuch: So wurde in den 90er-Jahren dort der damalige russische Verteidigungsminister empfangen. (wm)

Naomi (Nachnamen von israelischen Soldaten dürfen aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden), eine kleine, blonde Soldatin mit Pferdeschwanz, ist für die Pressekoordination auf deutschem Boden verantwortlich und Leutnant ihrer Armee. Sie hat schon die gemeinsamen Übungen 2019 unter der Bezeichnung „Blue Flag“ nahe Elat in Israel miterlebt. Deutschland findet sie „amazing“, erstaunlich. Besonders das Grün hat es ihr angetan. „Everything is green.“

Auf die Frage, wie sie die deutsche Luftwaffe erlebt, sagt sie sinngemäß: „Die Deutschen sind so akkurat. Sie wissen genau, was, wann, wo und wie. Wenn sie einen Zeitplan aufstellen, wird der auch eingehalten. Das ist in der israelischen Armee etwas anders.“ Angst nach Deutschland zu kommen, habe sie nicht gehabt. „Wir haben eine gute Security mit dabei.“ Auch Corona mache ihr keine Sorgen. Sie berichtet, dass in Israel die Fallzahlen viel höher lägen als in Deutschland und überall Masken getragen werden müssen. Von daher sei sie das gewohnt und sie sehe sich gut vor Ansteckung geschützt.

Erstmals startet eine israelische F-16 von deutschem Boden am Fliegerhorst Nörvenich.

Eine gemeinsame Sabbatfeier zwischen Deutschen und Israelis habe sie leider nicht organisieren, was für manche ein Bedürfnis gewesen wäre. Am Freitag feierten jüdische Soldaten darum ihren Schabbat in einer Synagoge unter sich, wie Naomi erzählt. Die israelischen Soldaten haben sich einen Rabbi mitgebracht, der sie morgens um 7 Uhr in den Tenach (in Deutschland spricht man von Altem Testament) und ins Gebet leitet. Nur ein Teil der rund 180 Soldaten sei religiös und nehme das Angebot wahr. Die Bundeswehr ist noch dabei, ein eigenes Rabbinat aufzubauen, damit auch jüdische Soldaten Rabbiner als Seelsorger und Ansprechpartner haben. Erst in diesem Frühjahr verabschiedete der Deutsche Bundestag einen Beschluss, der dies möglich macht.

„Ein Blick in die Zukunft“

Alle an einer Pressekonferenz auf dem Fliegerhorst teilnehmenden Soldaten zeigten sich tief bewegt von dieser internationalen Begegnung, die in ein größeres Luftmanöver mit anderen Partner, den sogenannten „mag-days“, übergehen wird. Das Kürzel steht für „Multinational Air Group Days“ und findet mehrmals im Jahr statt. Gefragt nach seiner Sicht auf das deutsch-israelische Verhältnis, antwortete Owen, der seit 25 Jahren Mitglied der israelischen Luftwaffe ist: „Der Flug nach Deutschland ist ein Blick in die Zukunft. Den Blick in die Tiefen der Vergangenheit können wir nicht außer acht lassen. Aber jetzt sind wir froh über die Kooperation. Das ist gut für beide Nationen.“ So sieht es auch Master Sergeant David, der zu den Technikern der Armee gehört. Mit leichter Hemmung erzählt er von seinem Großvater, der den Holocaust überlebt hat. Dennoch sei seine Familie froh, dass er an Blue Wings in Deutschland teilnehmen könne. „We are looking forward to the future.“ Er freue sich auf die zukünftige Zusammenarbeit mit der deutschen Luftwaffe.

Gegenseitiges Lernen ist eines der Ziele dieser Übung. Owen schildert: „In Deutschland herrschen ganz andere Wetterverhältnisse. Bei uns ist die Vorhersage in der Regel gut. Hier müssen wir das Wetter und den Einfluss auf den Spritverbrauch mit einbeziehen.“ Auch die speziellen deutschen Regeln im Luftraum müssen beachtet werden. Alle Flüge werden bei der deutsche Luftüberwachung angemeldet, bevor spezielle Korridore für die Übungen freigegeben werden. Im kleinen Land Israel ist das anders.

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Die deutsche Seite profitiert von den Erkenntnissen der Israelis, die zu Hause in ständiger Alarmbereitschaft stehen. Rund 174.000 Soldatinnen und Soldaten sind dort aktiv. In Deutschland mit rund neunmal mehr Einwohnern sind es nur etwas mehr als 180.000. David bedauert sehr, dass Israel zu keinem Militärbündnis gehört. „Uns fehlt der Austausch mit anderen.“ Umso wichtiger seien die gerade stattfindenden Übungen für ihn und seine Kameraden.