„Unter der Haube“Arbeitsplatz Monozelle – Lektor arbeitet in Pulheimer Innenstadt
- Der Künstler Christian Hasucha bringt die Kunstaktion „Monozelle“ nach Pulheim
- In dem Einzelarbeitsplatz aus Plexiglas arbeitet Lektor Carsten Weber
- Die beiden erzählen uns, was es damit auf sich hat – und wie die Pulheimer reagieren
Pulheim – Wer im knapp bemessenen Großraumbüro sitzt und den Sonnenschein nur scheibchenweise durch die Jalousien sieht, könnte glatt neidisch werden auf diesen Arbeitsplatz. Carsten Weber sitzt ganz entspannt unter einer Haube aus Acrylglas. Mitten in der Pulheimer Innenstadt hat er ein schattiges Plätzchen gefunden. Nur gedämpft hört er die Geräusche der vorbeifahrenden Autos. Auf den Knien hat er ein Manuskript, in dem er liest, anstreicht, Randbemerkungen macht. Der Mann arbeitet tatsächlich hier auf dem Pulheimern Bürgersteig: Weber ist Lektor.
Viele Passanten haben die „Monozelle“ im Laufe der Woche gesehen, sich gewundert. Viele sind weitergegangen, andere haben versucht herauszufinden, was es damit auf sich hat. In den Seitenwänden sind jeweils drei kleine Löcher in der Acrylwand, es ist also kein Problem, den Mann in der Klarsichthülle anzusprechen. „Was machen Sie da?“ sei die am häufigsten gestellte Frage, berichtet Christian Hasucha. Er ist derjenige, der sie am besten beantworten könnte. Denn der Künstler hat die Monozelle entworfen, es ist seine Idee, sie im öffentlichen Raum zu platzieren.
„Der Pulheimer regt sich gern auf“
Den Vorläufer habe er für eine Aktion in Berlin so entworfen, dass die Kapsel auf eine Bank gestellt wurde. Im neuen Modell ist ein Stuhl, ein Freischwinger, integriert. In Düsseldorf und Heilbronn hat Hasucha den temporären Arbeitsplatz schon aufgestellt – auch, um zu sehen, ob Menschen in unterschiedlichen Städten auch unterschiedlich reagieren.
Und, gibt es Unterschiede? Oh ja. Hasucha zögert, wägt seine Worte: „Der Pulheimer regt sich gern auf.“ Damit das nicht so negativ klingt, schiebt er hinterher: „Das finde ich sehr konstruktiv.“
Problemlos von Standort zu Standort
Mit dem Erregungspotenzial der Pulheimer hat er schon vor 20 Jahren seine Erfahrungen gemacht, damals in der Reihe Stadtbild.Intervention. Seine „Pulheimer Rochade“ hatte wahre Stürme der Entrüstung ausgelöst. Damals hatte der Künstler jeweils 25 Quadratmeter Pflaster vor der Abtei Brauweiler und der Realschule gegeneinander getauscht.
Wie zur Stadtbild.Intervention ist Hasucha auch diesmal wieder auf Einladung der städtischen Kulturabteilung in Pulheim. Der Aufwand ist diesmal aber deutlich geringer. Die Monozelle ist so konstruiert, dass sie problemlos von Standort zu Standort gebracht werden kann. Der Effekt ist verblüffend. Nach zwei Stunden Arbeit unter den Augen der Öffentlichkeit – jeden Tag dieser Woche von 10 bis 12 Uhr – klappt Weber sein Gehäuse auf und steigt raus.
„Bei Regen hat es was von Campingurlaub“
Mit ein paar Handgriffen befestigt er den Stuhl im Innern, dann schiebt er die Kapsel problemlos durch die Stadt. Hasucha hat einen Lieferwagen trickreich ausgerüstet. Eine Rampe wird angelegt, die Monozelle in den Laderaum geschoben, festgezurrt, die Rampe eingeladen. Fertig. Mittagspause. Um 14 Uhr geht es an einem anderen Stadtort weiter. Dass er wie auf dem Präsentierteller sitzt, stört Carsten Weber nicht. „Ich bin geschützt und gleichzeitig exponiert“, sagt er.
Bei warmen Wetter sei es in der Monozelle ein bisschen wie im Treibhaus. Und bei Regen? „Dann hat es was von Campingurlaub. Wenn man im Zelt liegt und es auf die Plane trommelt.“ Interessant sei, die Reaktion der Leute zu beobachten und deren Fragen zu beantworten. Und wenn alle achtlos vorübergingen, auch kein Problem. Dann arbeite er einfach weiter.
Künstler möchte Emotionen wecken
Dass der Kerl in der Kapsel tatsächlich arbeitet, ist für Hasucha ein wesentlicher Faktor seiner Aktion. „Mit einem Schauspieler, der nur so tut, als ob er arbeitet, würde das nicht funktionieren“, sagt der Künstler. Er hält sich im Hintergrund, beobachtet, dokumentiert. „Ich bin der freundliche Rentner auf der Bank“, beschreibt er seine Rolle. Der freundliche Rentner, der aber notfalls auch eingreift, falls jemand sein Missfallen an der Kunst handgreiflich ausdrücken möchte.
Dass es negative Reaktionen gibt, ist eingeplant. „Was erregt denn unsere Aufmerksamkeit? Dinge, die wir als Bedrohung empfinden oder die uns von Nutzen sein könnten“, sagt der in Berlin lebende Künstler. Er wolle Emotionen wecken. Und damit erreichen, dass die Menschen über das nachdenken, was sie gesehen haben. Und sich eventuell auch aufregen.