Josef Wißkirchen erforscht mit seinem Buch ein Stück Alltagsgeschichte aus Stommeln.
Historiker mit neuem BuchDas „Chronicon Stommelense“ zeigt den Alltag im 18. Jahrhundert
Josef Wißkirchen ist ein enthusiastischer und engagierter Historiker. Er hat unzählige heimatgeschichtliche Werke geschrieben und herausgegeben, und jetzt steht die Veröffentlichung einer umfangreichen Arbeit an: Das „Chronicon Stommelense“, die Chronik des Ortes Stommeln von Heinrich Glessen.
Dieser ehemalige Stommelner Pfarrer hat die lokalen Geschehnisse als Zeitgenosse von 1706 bis 1740 Jahr für Jahr handschriftlich in lateinischer Sprache beschrieben. Transkribiert und ins Deutsche übersetzt wurde die Chronik in großen Teilen von Burkhart Cardauns, lange Jahre Professor für Klassische Philologie in Mannheim.
Chronist hält den Streit zweier Vikare aus Stommeln fest
Josef Wißkirchen hatte die Initiative zur Publizierung ergriffen, er hat das Werk überarbeitet und mit wissenschaftlichen und editorischen Anmerkungen versehen. Heinrich Glessen war ursprünglich Kölner, ein hochgebildeter Mann, Priester, Gymnasiallehrer, Autor und Dichter. Wie gelangt so jemand nach Stommeln? Wißkirchen: „Ein nicht unbedeutender Grund könnte gewesen sein, dass die Stommelner Pfarrstelle mit einer ansehnlichen Pfründe verbunden war, die ihm ein auskömmliches Leben sicherte – in Zeiten großer Armut ein wichtiges Argument.“
Glessen war ein kluger Beobachter, der sich in die örtlichen Streitigkeiten nicht einmischte und daher allseits geschätzt war. Er berichtete zum Beispiel über den Streit zweier Vikare um das Abhalten einer Messe mit Abendmahl, die auf Honorarbasis bezahlt wurde, also sehr lukrativ war. Der eine der beiden hatte sich klammheimlich die Schlüssel zum Tabernakel verschafft, in dem die Hostien für die Eucharistiefeier verwahrt werden. Die beiden stritten sich lautstark in Anwesenheit der Gemeinde, die sich dann nach und nach verkrümelte.
Wißkirchen arbeitete als Lehrer in Grevenbroich
Für Wißkirchen eine von vielen interessanten Geschichten aus dem Alltag. Wißkirchen ist 1939 in der Nähe von Rheinbach geboren. Sein Vater war in russischer Kriegsgefangenschaft gestorben. Seine Mutter brachte ihre sechs Söhne allein durch die schwierigen Zeiten. „Ich ziehe meinen Hut vor ihr“, sagt Wißkirchen, „fünf der Söhne haben einen akademischen Hintergrund, einer ist Kfz-Meister geworden.“ Nach einem Studium der Germanistik und der Geschichte wurde er Lehrer in Grevenbroich.
1966 zog er nach Stommeln, und es war ihm schnell klar: „Ich möchte verstehen, wie die Menschen hier gelebt haben, was sie angetrieben hat, worunter sie gelitten haben.“ 1977 trat er dem örtlichen Geschichtsverein bei, dessen stellvertretender Vorsitzender er bis 2010 blieb. Er recherchierte zur jüdischen Geschichte in Stommeln, half mit, die Stommelner Synagoge zu einem kulturellen Zentrum zu machen. Eines der Bücher von Josef Wißkirchen trägt den Titel „Rudy Herz. Ein jüdischer Rheinländer“.
Wißkirchen hatte Herz kennengelernt, der ein dramatisches Holocaust-Schicksal überlebt hatte. Auch für die Zukunft hat der 85-Jährige ambitionierte Pläne. „Das weibliche Arbeitsdienstlager in Stommeln in der NS-Zeit ist ein Thema, das mir am Herzen liegt“, sagt Wißkirchen. Er hatte eine Ärztin aus dem Frankfurter Raum kennengelernt, die Tagebücher aus ihrer Zeit in dem Lager hinterlassen hat. Es geht Wißkirchen auch darum, den ideologischen Hintergrund dieser Lager zu analysieren, auch die verstörende Erkenntnis, dass viele der Berichte aus diesem Lager sich positiv anhören, was sicher mit der Realität nicht vereinbar ist.
Zur Veranstaltung mit Josef Wißkirchen
Josef Wißkirchen stellt sein neues Buch „Chronicon Stommelense“ am Donnerstag, 29. August, 19.30 Uhr, im Martinushaus in Stommeln, Venloerstraße 546 vor. Der Eintritt ist frei.