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Tauchlehrerausbildung in PulheimGemeinsam in der Welt der Schwerelosigkeit

Lesezeit 3 Minuten

Behinderte erfahren unter Wasser ein völlig neues Körpergefühl.

Pulheim-Stommeln – Ein ungewohntes Bild bot sich am Samstag in der Aquarena. Neben Badegästen waren an diesem Tag auch Tauchlehrer mit Neoprenanzug, Maske und Atemgerät zu Gast in dem Hallenbad. Sie verständigten sich in kleines Teams, entwickelten am Beckenrand eine eigene Zeichensprache, tauchten ab, kamen nach zehn Minuten wieder an die Oberfläche.

Zu den Tauchern gehörten fünf Menschen mit unterschiedlichen körperlichen Beeinträchtigungen, die selbst mit erweitertem Equipment diesen Sport ausüben. Im Wasser können sie sich frei bewegen, ohne Rollstuhl, ohne Phantomschmerzen, ohne Muskelschwäche.

Zweitägiges Training

Die gemeinsamen Tauchgänge von Menschen mit und ohne Handicap dienten letztlich der Ausbildung zum Behindertentauchlehrer. Um diese Zusatzqualifikation zu vermitteln, hatte der Deutsche Unterwasserclub Stommeln 17 Lehrer aus ganz Deutschland zu einem zweitägigen Training eingeladen.

Vor drei Jahren war der Tauchclub vom Verband deutscher Sporttaucher zum bislang einzigen Kompetenzcenter der Republik ernannt worden. „Uns liegt es am Herzen, Tauchlehrer im Umgang mit behinderten Menschen in Theorie und Praxis zu schulen“, sagte der Vorsitzende vom DUC Stommeln, Frank Werner. „Das gemeinsame Tauchen mit Menschen mit Handicap ist mehr als ein Freizeitsport. Es ist für uns gelebte Inklusion.“

Ungewohntes Körpergefühl

Tauchen sei mit einer Vielzahl von Behinderungen möglich. Einzige Ausnahme seien geistige Handicaps. „Noch“, ergänzte der Tauchlehrer und Arzt Heinz Albert Brüne. Ein Taucher mit Querschnittslähmung beispielsweise könne sich unter Wasser mühelos selbstständig bewegen. So werde für ihn ein ungewohntes Körpergefühl und ein Stückchen Freiheit erlebbar.

„Teil der Ausbildung ist die korrekte Einstufung des behinderten Sporttauchers“, führte Brüne aus. So gibt es Taucher, die im Notfall sich selbst und dem Tauchpartner helfen können, solche, die nur sich selbst helfen können, und solche, die sich im Notfall nicht selbst helfen können. Davon hängt die erforderliche Zahl und Qualifikation der Tauchbegleiter ab.

Erfahrene Unterstützerin

Wie kommuniziere ich mit einem blinden Menschen, wie und wo berühre ich einen gelähmten Menschen im Wasser – diese Fragen gingen Tauchlehrerin Sibel Yavasoglu aus Rommerskirchen durch den Kopf.

Antworten kennt Vera Thamm, Medaillengewinnerin über 50 Meter Brust bei den Weltmeisterschaften der Behinderten 2013 in Montreal. Seit ihrer Geburt fehlen ihr beide Arme und der rechte Unterschenkel. Beim DUC hilft sie, diese Berührungsängste abzubauen. So wie sie erklärte auch Tristan Janßen, der unter einer beinbetonten Spastik leidet, im Theorieteil den Schülern, worin seine Einschränkungen liegen. „Ich mache den Vortrieb mit den Händen“, erläuterte der 20-Jährige.

Handschuhe statt Flossen

Dazu nutzte er Handschuhe, die wie Taucherflossen aussehen. Das Ankleiden im Bad brauchte seine Zeit, merkten seine Schüler, die ihn über und unter Wasser nicht aus den Augen ließen. Gemeinsam tauchten sie durch Ringe. „Das hat macht Spaß gemacht. Im Wasser fühle ich mich fei“, so Janßen.

„Die größte Herausforderung war für mich die Überwindung der Berührungsangst ihm gegenüber“, bestätigte Patrick Phlipsen Duisburg. „Aber im Wasser habe ich die Scheu vor möglichen unkontrollierten Bewegungen von Tristan verloren.“ Sein Handicap habe sich im nassen Element reduziert, ergänzte Mathias Krebs aus Köln. „Das gemeinsame Tauchen führt in die Welt der Schwerelosigkeit, die alle eint“, resümierte Rainer Schäfer, der an diesem Tag als Ausbilder und Trainer agierte und selbst mit einer Beinprothese taucht.

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Die Ausbildung zum Behindertentauchlehrer endet im Sommer mit einem Lehrgang im Fühlinger See, wo DUC und Stadt Köln einen Behinderteneinstieg gebaut haben. Das wünschen sich die Club-Mitglieder auch für den Pulheimer See vor ihrer Haustür und hoffen auf Gespräche mit der Stadt.