Rhein-Erft-KreisDas sagen die Bürgermeister über die „Spaziergänger“
Rhein-Erft-Kreis – Wesselings Bürgermeister Erwin Esser (SPD) fürchtet, dass es auch nach dem Pandemie-Ende „Montagsspaziergänge“ geben wird. Seiner Beobachtung nach nähmen an den Protestaktionen gegen die Corona-Maßnahmen auch Menschen teil, die die Gelegenheit nutzten, „um sich grundsätzlich gegen unseren Staat, unsere Demokratie auszusprechen“. Er glaubt, dass viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht wüssten, mit wem sie sich gemein machen – und dass einige sich daran auch nicht störten.
In der Vorwoche hatte sich Brühls Bürgermeister Dieter Freytag (SPD) als erster der zehn Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Rhein-Erft-Kreis an einer Mahnwache im Gedenken an die Opfer der Corona-Pandemie beteiligt. Auf Bitte der Veranstalter, einem breiten gesellschaftlichen Bündnis, hatte er ein Grußwort gehalten – als die Teilnehmer des „Mittwochsspaziergangs“ die Brühler Fußgängerzone durchquerten. Wie Esser kann auch Freytag sich vorstellen, dass „Spaziergänge“ auch künftig als Mittel zum Ausdruck des Unmutes oder der Unzufriedenheit gewählt werden.
Bergheims Bürgermeister Volker Mießeler (CDU) äußert die Sorge, dass diese Form der Protestbewegung auf lange Sicht unberechenbar sein wird.
Es sei bedauerlich, dass Querdenker und/oder antidemokratische Kräfte die „Spaziergänge“ für ihre Zwecke nutzen wollten. Gleichwohl sei er davon überzeugt, dass momentan die weitaus meisten Teilnehmer und Teilnehmerinnen „dieses Thema als ihr ganz persönliches, konkretes Anliegen vertreten“.
Kerpens Rathauschef Dieter Spürck (CDU) sagt, er lehne es ab, mit Corona-Leugnern über das Pro und Contra einer Impfung zu diskutieren. Die Argumente für eine Impfung seien seit über einem Jahr mehr als umfassend behandelt worden. Eine Impfung könne den Geimpften das Leben retten und bei einer Erkrankung den Verlauf mildern, sagt Spürck.
Eine Demokratie müsse andere Meinungen und Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen aushalten, sagt der Hürther Bürgermeister Dirk Breuer (CDU). Es sei im Rahmen der Meinungsfreiheit legitim, gegen eine Impflicht einzutreten. Er selbst werbe für die Impfung, aber gerade vor dem Hintergrund, dass durch die Covid-19-Impfstoffe keine sterile Immunität erzeugt werde, müsse man die „Montagsspaziergänge“ tolerieren. Seiner Ansicht nach bleiben die konkreten Ziele der Teilnehmer heterogen, genauso wie die Hintergründe der Teilnehmer heterogen sind. Für ihn sei zudem gar nicht klar ersichtlich, „worin konkret die Forderungen dieser Protestzüge bestehen“.
Pulheims Bürgermeister Frank Keppeler, selbst Jurist, sieht das ähnlich: „Wir sollten wachsam darauf schauen, ob die »Spaziergänge«, die es auch in Pulheim gibt, für die Verbreitung von politischen Ansichten missbraucht werden, die nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind“. Grundsätzlich sei der Austausch über unterschiedliche Meinungen ein wichtiger Bestandteil der Demokratie und der freien Gesellschaft. „Wenn wir weiter im Austausch bleiben, uns der Diskussion stellen, wirken wir einer möglichen Spaltung unserer Gesellschaft aktiv entgegen“, sagt der CDU-Politiker.
Ebenfalls eine klare Position bezieht seine Frechener Amtskollegin Susanne Stupp (CDU). Sie widme ihr Engagement und ihre Arbeit in erster Linie all denen, die sich täglich im Kampf gegen die Corona-Pandemie aufstellten: „Dabei denke ich insbesondere an die Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten.“ Daher habe sie nur sehr wenig Raum für „Montagsspaziergänge“ und die Personen, die sich dort als „Spaziergängerinnen und Spaziergänger“ zeigten.
Mit zunehmender Sorge betrachtet auch Erftstadts Bürgermeisterin Carolin Weitzel (CDU) die „Montagsspaziergänge“. Sie würden von rechtsextremistischen Kräften unterwandert, die grundsätzlich Entscheidungen der Regierungen unter den Verdacht der gezielten Beeinträchtigung der Freiheit stellten: „Denen geht es nicht um das jeweilige Thema, sondern sie instrumentalisieren diese, um gegen unseren freiheitlichen Rechtsstaat zu agieren.“ Sie selbst dagegen ziehe es vor, sich an wissenschaftliche Fakten zu halten. Diese zu ignorieren oder von vorneherein als falsch zu bezeichnen, mache eine wertschätzende Auseinandersetzung schon im Ansatz unmöglich: „Bauchgefühl contra Fakten – das führt zu keinem Ergebnis.“
Bedburgs Bürgermeister Sascha Solbach (SPD) betrachtet die Versammlungen als ein durch die „Neue Rechte“ instrumentalisiertes Konstrukt, um für möglichst viel Unruhe und Aufruhr zu sorgen – und dies in einer Zeit, in der Menschen nach Orientierung suchten. Am Ende werde dort die Frage gestellt, ob der Staat überhaupt noch haltbar sei.
Solbach: „Das geht für mich gar nicht. Daher kann ich die »Spaziergänge« nicht gut finden. Sie sind auch respektlos den zahllosen Toten gegenüber, die der Pandemie bereits zum Opfer gefallen sind und versuchen Egoismen verkleidet als Freiheit anstelle von Solidarität und Mitgefühl zu stellen.“
Elsdorfs Bürgermeister Andreas Heller (CDU) äußerte sich zu der Frage nach seiner Haltung in Bezug auf die „Montagsspaziergänge“ nur ganz knapp: „Wir sind sehr froh darüber, dass wir in der aktuellen pandemischen Situation keine größere Polarisierung des gesellschaftlichen Zusammenlebens in Elsdorf erleben.“
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Wesselings Rathauschef Esser dagegen fordert ein deutliches Signal: Regierung, Verwaltungen und Politik müssten endlich beginnen, „selbstbewusst zu zeigen und den Bürgerinnen und Bürgern zu vermitteln, warum die Staatsform, in der wir leben, ein großes Glück ist und dass wir stolz auf unsere Demokratie sein können“. Ansonsten werde jedes neue aktuelle Thema den Extremisten von links wie rechts wieder denselben Zulauf auf den Straßen und damit eine weitere Spaltung der Gesellschaft bringen.