Der Wesselinger tritt die Nachfolge von Heike Steinhäuser an. Sie kandidierte aus persönlichen Gründen nicht mehr.
92 Prozent der StimmenSPD Rhein-Erft wählt Helge Herrwegen zum neuen Vorsitzenden
Seine kämpferische Vorstellungsrede, in der er unter anderem für mehr soziale Gerechtigkeit, für die Wahrung der Arbeitnehmerrechte, für bessere Bildung, für den Ausbau der kommunalen Infrastruktur und für mehr Tempo beim regionalen Strukturwandel plädierte, war offensichtlich Balsam auf die Seelen der Genossinnen und Genossen. Jedenfalls wurde Helge Herrwegen am Samstag beim SPD-Kreisparteitag im Horrem/Sindorfer Schulzentrum immer wieder von spontanem Applaus unterbrochen.
Das spiegelte sich wenig später auch im Wahlergebnis wider: Mit knapp 92 Prozent der Stimmen wählten die Parteimitglieder den Bezirksleiter der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie und stellvertretenden Bürgermeister von Wesseling zum neuen Vorsitzenden des SPD-Kreisverbandes.
Turbulenten Parteitag wie 2022 wollte die SPD-Spitze nicht noch mal erleben
Der Parteitag hatte nicht von ungefähr mit dem Appell von Versammlungsleiter Ingpeer Meyer begonnen, die Veranstaltung diesmal doch bitte sachlich und friedlich über die Bühne zu bringen. Denn einen turbulenten Parteitag wie 2022, als die Bedburgerin Heike Steinhäuser erst nach heftigen Debatten eher ungeplant zur Kreisvorsitzenden gewählt worden war, wollte man nicht noch einmal erleben.
Meyer wurde erhört. Bei offenbar allzu schönem Wetter waren zwar nur 112 der kreisweit über 2000 SPD-Mitglieder nach Kerpen gekommen, doch die relativ kleine Runde demonstrierte Geschlossenheit und Harmonie. Bei den Vorstandswahlen gab es keine Kampfkandidaturen; sämtliche Bewerberinnen und Bewerber wurden mit weit über 80 Prozent gewählt, und auch diverse Sachanträge gingen nach konstruktiven Diskussionen einstimmig oder mit großen Mehrheiten durch.
Stehend Applaus spendeten die Anwesenden der scheidenden Vorsitzenden Heike Steinhäuser. Sie betonte nochmals, dass sie keineswegs aus parteipolitischen Erwägungen auf eine erneute Kandidatur verzichte: „Hintergrund sind Änderungen in meinen persönlichen Lebensumständen, die es mir nicht mehr möglich machen, den täglichen Anforderungen so nachzukommen, wie ich es für dieses Amt für erforderlich halte. Ich werde aber weiterhin aktiv am politischen Geschehen teilnehmen.“
Nachfolger Helge Herrwegen, der unter Steinhäusers Leitung bereits stellvertretender Kreisvorsitzender war, sprach der Bedburgerin seinen Dank aus dafür, dass sie die Parteiführung in einer schwierigen Zeit übernommen und SPD auf einen guten Weg zurückgeführt habe: „Du hast es geschafft, dass die Rhein-Erft-SPD nun wieder geeint ist. Und dass die Demokraten zusammenstehen, ist in diesem Zeiten sicherlich besonders wichtig.“
In größerem Zusammenhang betrachtet sei dieser demokratische Zusammenhalt auch im Kampf gegen den Rechtspopulismus unverzichtbar, erklärte Herrwegen mit Blick insbesondere auf die Migrationspolitik. Zwar sei es zweifellos nötig, beispielsweise die Asylverfahren zu beschleunigen. Nicht gefallen habe ihm freilich der in den vergangenen Wochen auch von demokratischen Parteien mitgetragene Überbietungswettbewerb an unausgegorenen Maßnahmenvorschlägen gegen Zuwanderung.
Viele Forderungen seien kaum umsetzbar und rechtlich fragwürdig: „An diesem Überbietungswettbewerb sollten wir Sozialdemokraten uns nicht beteiligen, und wir sollten einem Friedrich Merz diesen Populismus auch nicht durchgehen lassen“, erklärte Herrwegen und begründete dies: „Um den Fachkräftemangel auch in unserem Kreis in den Griff zu bekommen, brauchen wir auch qualifizierte Zuwanderung. Angesichts des sich verstärkenden Populismus und des aktuellen politischen Klimas bin ich aber skeptisch, ob wir viele qualifizierte Migrantinnen und Migranten für Deutschland gewinnen können.“
Darüber hinaus stellte sich Herrwegen als Politiker vor, der als Gewerkschafter fest im Arbeitnehmerflügel der SPD verortet ist. Seine Handschrift trägt auch ein vom Parteitag bei nur einer Gegenstimme verabschiedeter Antrag. Hier fordert die Kreis-SPD unter anderem eine Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro, eine Aufstockung des gesetzlichen Mindesturlaubs von vier auf fünf Wochen, die Abschaffung sachgrundlos befristeter Arbeitsverhältnisse und zumindest langfristig eine 30-Stunden/Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich.
So glatt wie Herrwegens Wahl verlief die gesamte Vorstandsbesetzung. Dierk Timm aus Pulheim und Aaron Spielmanns aus Bedburg wurden als stellvertretende Vorsitzende bestätigt. Neu im Bunde ist die designierte Wesselinger Bundestagskandidatin Andrea Kanonenberg. Melani Schmielewski (Bergheim) wurde als Schriftführerin, Iris von Gallera (Frechen) als Kassiererin bestätigt. Hinzu kommen 21 Beisitzerinnen und Beisitzer aus den Ortsverbänden und den sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaften.