Immer mehr Kirchenaustritte in Rhein-ErftWas Geistliche zu den Gründen zählen
Rhein-Erft-Kreis – Auch im Rhein-Erft-Kreis kehren immer mehr Gläubige den Amtskirchen den Rücken. In den ersten drei Quartalen verzeichneten die Amtsgerichte in Kerpen, Bergheim und Brühl bereits mehr Kirchenaustritte im Rhein-Erft-Kreis als im Vorjahr. Traten im Jahr 2021 insgesamt 4771 Menschen aus der Kirche aus, so meldeten die Amtsgerichte bereits bis zum 30. September diesen Jahres 5245 Kirchenaustritte.
Steigende Austrittszahlen in 2022
„Besonders viele Termine“ fänden im Brühler Amtsgericht statt, sagte der Geschäftsleiter des Amtsgerichtes Brühl, Mark Wißler. Pro Quartal waren es über 700, insgesamt waren es 2218. Bereits vergangenes Jahr habe das Brühler Amtsgericht, das für die Städte Brühl, Erftstadt, Hürth und Wesseling zuständig ist, die Anzahl der Termine, die für Kirchenaustritte zur Verfügung stehen, auf 54 Termine pro Woche erhöht.
Auch Arndt Lorenz, Direktor des Kerpener Amtsgerichts, meldet steigende Austrittszahlen für die ersten drei Quartale: 1218 waren es bis Ende September im Vergleich zu 1156 im gesamten Vorjahr. Im gesamten Jahr 2017 habe sich die Zahl der Austritte noch auf 526 belaufen. Den höchsten Anstieg gab es im vergangenen Quartal mit 483 Austritten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum mit 279 Austritten. Das Amtsgericht Kerpen ist auch für Frechen zuständig.
Wie in den anderen Amtsgerichten auch werden die Zahlen nicht nach Konfessionen getrennt erfasst, so dass sich kein Bild ergibt, wo es mehr Austritte gibt, bei den Katholiken oder Protestanten.
Amtsgerichte: Termine für Kirchenaustritte erhöht
Auch im Amtsgericht Bergheim, zuständig für die Städte Bergheim, Elsdorf, Bedburg und Pulheim, habe man die Anzahl der Termine für Kirchenaustritte erhöht, um „der Sache Herr zu werden“, wie Direktor Thomas Ulmer sagte. Termine, die über ein elektronisches Buchungssystem gemacht würden, ähnlich wie in Kerpen und Brühl, seien „gut ausgebucht“.
Insgesamt registrierte das Amtsgericht Bergheim 1809 Kirchenaustritte in den letzten drei Quartalen. Zum Vergleich seien es im Jahr 2021 „nur“ 1479 gewesen. Die Terminvergabe stelle das Personal aufgrund der immer noch geltenden Corona-Bedingungen vor große Herausforderungen, so Ulmer. Die Unterschrift für den Kirchenaustritt könne auch ein Notar beglaubigen, zu einer „überschaubaren Gebühr“. Beim Amtsgericht kostet ein Kirchenaustritt 30 Euro.
Vertreter der Kirche betonen deren soziale Rolle
Der katholische Kreisdechant Achim Brennecke bedauert die hohe Zahl von Kirchenaustritten. In einem Telefongespräch nannte er mögliche Gründe. Sicher trage die „kirchenpolitische Situation“ dazu bei, aber sicher auch die Fälle von sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in der katholischen Kirche. Aber er könne nicht in jeden einzelnen Menschen hineinblicken, sagte Brennecke.
Die Krisen verunsicherten viele Menschen und nicht wenige stellten ihre Mitgliedschaft bei der Kirche auf den Prüfstein, so Brennecke. „Wenn man alles naturwissenschaftlich erklären kann, braucht man Gott nicht mehr“, sagte er.
Auch in den Gottesdiensten beobachtet der Kreisdechant immer weniger Menschen. Vor einem Entschluss, die Kirche zu verlassen, sollte man jedoch eines bedenken: „Was die Kirche gesellschaftlich leistet, sollte man nicht außer acht lassen. Sie kümmert sich um die Menschen.“
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Pfarrer Bernhard Seiger, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Süd, bezeichnete jeden einzelnen Austritt aus der Kirche als „traurigen Schritt“: „Vermutlich hatten einige dieser Menschen eine geringe Identifikation mit ihrer Kirche.“
Er betonte die Relevanz der Kirche für die wichtigen und großen Fragen im Leben. Menschen, denen sonst nicht geholfen werde, leisteten Kirchenmitglieder durch Diakonie, Beratungsangebote, Seelsorge und Bildungsangebote Hilfe. Kirche trage so zum Zusammenhalt der Gesellschaft bei, so Bernhard Seiger.