Mehr Kunden, weniger EssenTafeln in Rhein-Erft arbeiten am Limit
Kerpen/Frechen – „Viele Hände, schnelles Ende! Los, haut rein!“, mit Humor feuert Rolf Cleven seine Mitstreiter an. Er selbst steht auf der Transportfläche eines Lieferwagens und hält eine Kiste Salat in den Händen. Bereits ausgeladen sind eine große Portion Nudeln und Risottoreis sowie eine Kiste mit gemischtem Obst. Dank der herbeieilenden Helfer ist schnell alles entladen, sortiert und verstaut – der Nachschub an Lebensmitteln für die Kerpener Tafel wurde schon sehnsüchtig erwartet.
Zwei Probleme auf einmal
„Wir erleben einen Ansturm wie lange nicht und haben gleich zwei Probleme auf einmal, wir arbeiten alle am Limit“, berichtet Kerstin Höfer, Vorsitzende der Kerpener Tafel. Zum einen habe sich die Zahl der hilfesuchenden Kundinnen und Kunden nicht zuletzt durch die ukrainischen Geflüchteten in Kerpen sehr erhöht. So kommen zurzeit rund 200 Bedürftige pro Woche zu der Ausgabestelle. Zum Start der Tafel 2007 waren es noch lediglich 20 bis 25 Kunden.
Zum anderen jedoch wäre es auch immer schwieriger, Hilfsgüter zu sammeln. „Es kommt weniger, wir müssen knapper kalkulieren“, berichtet Höfer. Nicht nur die höheren Lebensmittelpreise seien schuld, es käme in den Läden selbst auch immer öfter zu Engpässen bei den haltbaren Lebensmitteln. „Uns fehlen aktuell besonders Öl, Zucker, Reis, Nudeln, aber auch Windeln und Hygieneartikel“, berichtet Kerstin Höfer.
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Hoffen auf mehr Helfer
Mit einem Team von knapp 60 Ehrenamtlern organisiert sie die Lebensmittelausgabe zweimal pro Woche und hofft, in Zukunft noch mehr tatkräftige Unterstützerinnen und Unterstützer zu finden, um die viele Arbeit stemmen zu können.
Der Einsatz lohnt sich: „Ich komme immer noch gerne hier her“,versichert Hellmut Schneider, der die Tafel einst mitgegründet hat und nun seit mehr als 15 Jahren mehrere Stunden pro Woche aktiv ist: „Die Gespräche mit den Kunden sind für beide Seiten wichtig“, sagt er. Das bestätigt auch Ehrenamtler Friedhelm Halbach: „Es tut gut, Gutes zu tun und Menschen zu helfen, die in Not sind. Es gibt immer mehr Menschen, die leider durch das Raster fallen.“
„Lebensmittel retten. Menschen helfen.“
Das Konzept
Unter dem Motto „Lebensmittel retten. Menschen helfen.“ unterstützen Tafeln in Nordrhein-Westfalen mehr als 350 000 Menschen in Armut mit überschüssigen, aber qualitativ einwandfreien Lebensmitteln, die ansonsten vernichtet würden.
Der Landesverband „Tafel Nordrhein-Westfalen e.V.“ mit Sitz in Neuss vertritt und unterstützt 172 lokale Tafeln im Land mit mehr als 500 Ausgabestellen. Rund 12 600 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer erledigen die Lebensmittelausgabe, Spendenakquise, Lebensmittelabholung, Lagerung und Freiwilligen-Management. Der Landesverband übernimmt übergeordnet Organisation, Koordination und Logistik wie die bedarfsgerechte Verteilung von Lebensmittelgroßspenden und die effiziente Nutzung von Lagern zur vermehrten Lebensmittelrettung.
www.tafeln-nordrhein-westfalen.de
In Not sind auch viele Menschen in Frechen. „Seit Jahresbeginn haben wir 317 Haushalte mit insgesamt 916 Personen versorgt. Am stärksten betroffen sind alleinstehende Rentner und Erwerbsunfähige sowie Rentner-Ehepaare und Familien mit zwei bis drei Kindern“, gibt Rolf Dünkelmann von der Tafel Frechen Auskunft. Auch dort fehlen zunehmend die Lebensmittel, um die zunehmende Anzahl an Bedürftigen zu versorgen. „Die uns versorgenden Einzelhändler, meist Supermarktketten, haben auch im Bereich Nachhaltigkeit große Fortschritte gemacht, dadurch werden weniger Lebensmittel zur Vernichtung frei gegeben. Das freut uns natürlich schon sehr, aber diese sonst von uns eingesammelten Waren fehlen jetzt“. Er hofft sehr, dass in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen wird, was aktuell bei den Tafeln passiert.
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Zudem solle es auch in der Politik ein stärkeres Bewusstsein für die Notlagen der betroffenen Menschen geben und dies in der Höhe der sozialen Leistungen an Bedürftige berücksichtigt werden, wünscht sich Rolf Dünkelmann.
Bis es soweit ist, sind Spenden bei den Tafeln willkommener denn je. „Wir freuen uns über jede Firma oder Privatperson, die uns haltbare Lebensmittel oder Hygieneartikel zu Verfügung stellt. Und natürlich über jede helfende Hand.“ Unterstützung bekommt die Tafel in Kerpen auch von der Stadtverwaltung. „Wir versuchen über die Freiwilligenbörse, Helfer zu vermitteln und unterstützen, wenn es uns möglich ist, damit das Team in Arbeit bleiben kann“, teilte Hans Arnold Maus, Amtsleiter für Soziales und Wohnen bei der Stadt Kerpen mit.