Tod der TraditionskneipenJede achte Kneipe im Rhein-Erft-Kreis macht dicht
- Auch der Rhein-Erft-Kreis bleibt vom Kneipensterben nicht verschont – Jede achte Pinte musste schließen.
- Was früher ein Ort der Kommunikation war, ist heute nur Platz zum Fußballschauen und für das schnelle Kölsch.
- Wirte aus der Region berichten über die neuen Anforderungen der Gastronomie.
Rhein-Erft-Kreis – Noch ist es recht ruhig in der Kneipe „Em Äädjeschoss am Markt“ in Kerpen-Türnich. Die Sonne scheint durch die Fenster. Es ist 10 Uhr. Die Gaststätte hat gerade geöffnet. In der Ecke hängt ein Flachbildfernseher, es laufen Fußballnachrichten. Hinter dem Tresen wischt eine Mitarbeiterin über die Theke. Ein älterer Gast sitzt vor einer Stange Kölsch und liest die Zeitung. Wenig später kommt auch Gastwirt Dominic Ide in sein Lokal. Der 27-Jährige in Jeans und schwarzem T-Shirt nimmt sich einen Kaffee, und wir setzen uns an einen der Tische.
Die Kneipe direkt am Marktplatz ist Ides zweite Gaststätte in Türnich, er betreibt seit 2014 auch das „Äädjeschoss am Wohnpark“. Seit November 2018 hat die Gaststätte am Markt geöffnet. Ide ist gelernter IT-Systemkaufmann. „Aber irgendwie war mir das alles zu trocken“, sagt er und rührt in seinem Kaffee. Nebenbei sei er noch kellnern gegangen.
11,20 Euro Gesamtumsatz
„Am Anfang war es aber schon schwierig“, sagt er im Rückblick. Das erste Jahr sei miserabel gewesen. „Ich erinnere mich an Tage, an denen ich mit zwei, drei Mitarbeitern gesessen hab’ und am Tagesende mit 11,20 Euro Gesamtumsatz dastand.“ Ide war aber überzeugt, die Kurve noch zu bekommen.
Er überlegte sich, das Angebot zu erweitern. Mehr oder weniger zufällig kam er an einen Pizzaofen. Seit Ende 2015 bietet Ide auch Steinofenpizza an, auch außer Haus. 2016 ging es richtig los. „Im ganzen Jahr hat sich alles extrem entwickelt“, sagt er. „Der Laden hier am Markt ist wie eine Bombe eingeschlagen“, sagt Ide. Die zentrale Lage, Hauptverkehrsstraße, an der Erft und an der Kirche – besser gehe es kaum. Der beste Tag sei der Sonntag. „Hier schießen wir 200 bis 250 Essen raus, dazu kommen 80 bis 90 Fahrten außer Haus.“ Zum Mittagstisch sei der Biergarten bei gutem Wetter immer voll, abends dann auch der Laden.
Ohne Essen könnten sich seine Läden nicht halten, sagt Ide. Dass Menschen nur zum Trinken ausgingen, nehme ab. Vor allem bei den Jüngeren. „Die trinken eher einen Kasten Bier mit Kumpels zu Hause.“ Das Ausgehverhalten habe sich verändert. „Man muss irgendwas bieten, was die Leute nicht so einfach kriegen“, sagt Ide. Bei ihm sei das die Steinofenpizza. Seit diesem Sommer gibt es auch italienisches Eis in seinen Läden.
Neue Kneipe, neues Konzept
Tags darauf ein Besuch bei Werner Schnöring auf der Terrasse des „Efferener Hofs“ in Hürth. Vor rund drei Monaten hat er die Gaststätte eröffnet. Seit 1991 ist er in der Gastronomie aktiv. In Gleuel betreibt er seit sieben Jahren die Kultkneipe „Malörchen“. Außerdem führt er seit einem Jahr das Hotel und Restaurant „Zum Burghof“. Das laufe jedoch gar nicht, auch wenn er alles versucht habe. „Den Laden muss ich in naher Zukunft schließen“, sagt Schnöring. Im „Efferener Hof“ dagegen laufe es gut. Das hänge auch damit zusammen, dass es wenig Alternativen gebe. „In den vergangenen sechs Monaten haben hier drei Kneipen zugemacht.“
Die Terrasse, die zur Gaststätte gehört, nennt Werner Schnöring einen Glücksfall. Denn wenn es regnet, kann er durchsichtige Planen herunterziehen, und die Leute sitzen weiterhin im Trockenen. Im „Efferener Hof“ läuft laut Schnöring nicht nur das Restaurant gut, sondern auch der Bierausschank.
Grundsätzlich werde es aber weniger. Auch neue Gesetze machten es nicht leicht: Lärmschutz, Schallschutz. „Es ist heute leider so, dass ein Nachbar reicht, um dir das Ding zumachen zu lassen“, klagt Schnöring, der aber auch davon überzeugt ist, dass das Rauchverbot viel kaputt gemacht habe.
„Reich wird man hier nicht mehr“
Eine Veränderung im Trinkverhalten sieht auch Schnöring. Im „Malörchen“ nimmt er nur 1,20 Euro für ein Kölsch. Weil jedoch viel umgesetzt werde, komme er klar. „Man muss bescheiden bleiben. Reich wird man nicht mehr, wenn man eine Kneipe betreibt – zumindest nicht in Hürth“.
Im „Efferener Hof“ bietet der 48-Jährige den Gästen gutbürgerliche Küche, er zeigt außerdem Fußball. Das kostet ihn mehr als 500 Euro im Monat. Aber das müsse sein, in Hürth gebe es nämlich viele FC-Fans. So hat Schnöring seine 20 Gäste bei jedem Spiel, die auch nach dem Spiel noch bleiben und für Umsatz sorgen.
Nach rund zehn Jahren hat Frank Raddatz Ende 2018 das „Müller’s“ in Alt-Berzdorf in Wesseling geschlossen. „Die Kneipen an der Ecke sterben immer weiter“, sagt er. Die Alten, die früher zum Frühschoppen gekommen seien, blieben aus. Und die junge Generation gehe nicht mehr in Gaststätten. „Wir haben uns früher nach dem Sport noch in der Kneipe getroffen und uns ausgetauscht“, erzählt Raddatz. Das gebe es nicht mehr.
Der Austausch finde nur noch über das Handy statt, klagt der Gastwirt. Auch wenn er gutes Essen angeboten habe, seien die Gäste ausgeblieben. Außerdem werde es immer schwieriger, Personal zu finden. Am Schluss sei er erleichtert gewesen, als er den Laden zugemacht habe, sagt Schnöring. „Das zermürbt einfach“, gibt er zu. Er hat die Gaststätte umgebaut und bietet jetzt Monteurszimmer an.