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EuropawahlWarum Menschen in Rhein-Erft die AfD gewählt haben

Lesezeit 5 Minuten
Auf dem Sportplatz in Auenheim stehen Wohncontainer. Für die Dorfjugend bleibt nur noch ein kleiner Bolzplatz zum Fußballspielen übrig.

Auf dem Sportplatz in Auenheim stehen Wohncontainer. Für die Dorfjugend bleibt nur noch ein kleiner Bolzplatz zum Fußballspielen übrig.

Im Norden des Rhein-Erft-Kreises hat die AfD bei der Europawahl gut abgeschnitten. Das liegt auch an der Unzufriedenheit der Menschen.

Rozbek Shafaghi hat seinen Kiosk im Wohnpark Ahe mit einer farbenfrohen Wimpel-Kette mit Flaggen aus aller Welt geschmückt. Hinter der Ladentheke bedient Ehefrau Mahsa Nikadl. „Mein Vater hat den Laden vor über 30 Jahren eröffnet“, erzählt Shafaghi. Er komme hier im Wohnpark gut zurecht und schätze seine internationale Kundschaft, auch wenn es im Viertel schon mal Probleme gebe.

Rund 2000 Menschen aus knapp 60 Nationen leben im Wohnpark. Bei der Europawahl Anfang Juni holte die AfD hier mit 34 Prozent ein Rekordergebnis und war so mehr als doppelt so stark wie CDU und SPD zusammengenommen. Damit bestätigte sich auch im Wohnpark Ahe der Trend, dass die AfD dort am stärksten ist, wo die sozialen Spannungen am größten sind.

Anwohner berichten von Nachbarn, die Müll auf dem Balkon sammeln

Am Tisch vor dem Kiosk sitzen Monika, Michael und Uschi und trinken zusammen einen Kaffee. Die drei, alle um die 50 Jahre alt, leben schon lange im Wohnpark, ihren vollen Namen wollen sie lieber nicht nennen. Monika zeigt Bilder auf ihrem Handy. Ein paar weiße Punkte sind darauf zu erkennen. „Das sind Maden.“ Die seien eines Freitagabends von einem Balkon über ihr auf ihren Balkon gefallen. Sofort habe sie die Polizei gerufen und den Vermieter über die Unsitten ihrer neuen Nachbarn informiert, deren Nationalität sie nicht preisgibt.

„Es gibt Leute hier, die sammeln ihren Müll auf dem Balkon“, erklärt sie. „Es sind aber immer nur wenige, die sich nicht benehmen können.“ Rozbek Shafaghi bestätigt das. „Man darf nicht alle über einen Kamm scheren. Es sind vielleicht zehn Prozent, die Probleme machen.“

Im Wohnpark war die AfD stark

Monika, Michael und Uschi sind alle drei nicht zur Europawahl gegangen. Beim letzten Mal habe er noch SPD gewählt, erzählt Michael. „Aber das bringt doch eh nichts.“ Dass die AfD im Wohnpark so gut abgeschnitten habe, überrasche ihn nicht. „Die Leute fühlen sich verarscht“, meint er. Viele Wahlversprechen, etwa den Zuzug von Ausländern zu begrenzen, seien nicht gehalten worden. „Hier im Wohnpark leben kaum noch Deutsche.“ Vor ein paar Jahren sei das noch anders gewesen, sagt Michael und betont: Mit Ausländerfeindlichkeit habe dies nichts zu tun. „Ich bin kein Rassist.“

Dass die AfD im Wohnpark ein so sensationelles Ergebnis erzielt hat, wundert auch Ahes parteilosen Ortsbürgermeister Winfried Kösters nicht: Die Menschen dort seien durch die hohe Zuwanderung und die Fluktuation in den Wohnungen überfordert. Kösters weist darauf hin, dass die Wahlbeteiligung im Wohnpark mit 30 Prozent sehr niedrig gewesen sei, was das Ergebnis der AfD etwas relativiere. „Diejenigen, die Wut im Bauch haben, gehen zur Wahl, die anderen nicht unbedingt.“ Aufgrund ihrer Perspektivlosigkeit wählten dann viele AfD aus Protest. „Die Menschen wollen ihren Unmut zum Ausdruck bringen, sie sind deshalb aber nicht rechtsradikal“, meint er.

In Auenheim erreichten die Rechtspopulisten 30 Prozent

Rund 42 Prozent der Bewohner im Wohnpark haben eine andere Staatsangehörigkeit. Mit über 600 Menschen stellen im Moment hier Rumänen die größte Gruppe. Mit großem Abstand folgen dann unter anderem Polen und Marokkaner. 22 Prozent der Erwachsenen sind erwerbslos, Über 40 Prozent der Kinder und Jugendlichen leben vom Bürgergeld. Probleme gebe es so nicht nur zwischen „Deutschen und Nicht-Deutschen“, sondern auch unter den verschiedenen nicht-deutschstämmigen Bevölkerungsgruppen, sagt Kösters.

Gemeinsam mit der Stadt Bergheim versucht er die Lage zu verbessern: „Ich kümmere mich.“ Seit 2017 gibt es ein Quartiersbüro mit Sozialarbeitern, Hausaufgabenhilfe und einer internationalen Mutter-Kind-Gruppe. Ein Jugendtreff im Wohnpark verweist in seinem Aushang stolz auf ein gewonnenes Fußball-Jugendturnier. Eine kleine öffentliche Bibliothek wirbt im Schaufenster mit Bilderbüchern in deutscher und rumänischer Sprache. Um die Menschen besser zu erreichen, habe die Stadt nun eine besondere Aktion durchgeführt, berichtet Kösters.

Vor einem Mehrfamilienhaus in Auenheim liegt Sperrmüll herum.

Vor einem Mehrfamilienhaus in Auenheim liegt Sperrmüll herum. Die Hausverwaltung kümmere sich nicht genug, meint eine Bewohnerin.

So seien Vertreter von Ordnungsamt, Polizei, Feuerwehr, Ausländerbehörde und anderen Institutionen von Haustür zu Haustür gezogen, um die Menschen gezielt und einzeln anzusprechen, um so vielleicht Probleme lösen zu können. „Das Projekt ist gerade in der Auswertungsphase.“ Ganz anders als im Wohnpark Ahe mit seiner dichten Besiedlung mit Mehrfamilienhäusern sieht es im Bergheimer Ortsteil Auenheim aus. Das kleine Dorf mit seinen vielen Einfamilienhäusern wirkt ganz idyllisch, wenn man einmal von den nahen Kühltürmen des Kraftwerkes Niederaußem absieht, die es überragen. Doch auch hier hat die AfD mit gut 30 Prozent ein starkes Ergebnis erzielt. CDU (20 Prozent) sowie SPD und Grüne (jeweils 7,95 Prozent) sind weit abgeschlagen. Die Wahlbeteiligung lag bei 33 Prozent.

Container auf dem Sportplatz Thomas, 60 Jahre alt, geht gerade mit seinem Hund im Park an der Auenheimer Kirche spazieren: „Die Leute sind alle gefrustet hier“, erzählt er. Es gebe einfach zu viele Migranten im Ort. Bei Wikipedia wird der Ausländeranteil für Auenheim mit 30 Prozent angeben. Auf dem Sportplatz hat die Stadt Bergheim Wohncontainer für Flüchtlinge und Aussiedler aufgestellt.

„Seitdem haben wir in Auenheim keinen Sportplatz mehr, sondern nur noch ein kleinen Bolzplatz“, so Thomas. Gegen die Bewohner der Container könne er nichts sagen: „Die sind freundlich. Wenn die hier in den Grünanlagen grillen, nehmen sie hinterher ihren Müll auch komplett wieder mit.“ Probleme gebe es eher mit zwei Mehrfamilienhäusern in der Nähe, wo auch viele Familien aus dem Ausland lebten.

Vor den Häusern liegt ein Haufen Sperrmüll, den anscheinend niemand wegzuräumen gedenkt. Die Haustüren stehen offen, Briefkästen und Klingeln sind teilweise defekt. Petra lebt mit ihren Kindern als eine der wenigen Deutschen in dem Haus. „Manchmal liegt der Sperrmüll hier meterhoch“, erzählt sie. Die Hausverwaltung, eine private Gesellschaft, kümmere sich einfach zu wenig. AfD habe sie deshalb aber nicht gewählt. „Ich wähle immer die Piratenpartei.“