Rheinfähre„Marienfels“ absolviert Abschiedsfahrt
Wesseling – Ist es der Regen oder eine Träne, die sich Wolfgang Hubert da verstohlen aus dem Auge wischt? Bei Wind und Wetter war der Fährmann 24 Jahre lang mit seiner Marienfels auf dem Rhein unterwegs, jetzt muss er Abschied nehmen von der in die Jahre gekommenen Fähre. Zum letzten Mal die Fahrgäste begrüßen, einen Euro für die Überfahrt kassieren, die Schiffsglocke läuten. Das macht schon wehmütig. „Ich habe die ganze Woche schon Bauchkribbeln, jetzt auch. Das fühlt sich irgendwie verkehrt an“, beschreibt der 63-jährige Fährmann seine Gemütslage.
Die Fahrgäste an diesem verregneten Samstagnachmittag nicken mitfühlend, die Hälfte davon sind ohnehin Familienmitglieder. „Es tut ein bisschen weh“, bekennt auch seine Ehefrau Gabriele Hubert. „Aber ich bin auf der anderen Seite auch ein bisschen froh, dass die Zeit zu Ende geht. 24 Jahre waren wir wegen der Marienfels nicht im Urlaub, am Wochenende, an Weihnachten, an Silvester, immer war mein Mann auf dem Rhein im Einsatz. Das hat jetzt ein Ende.“
83 Jahre altes Schiff
Wolfgang Hubert räuspert sich, läutet die Schiffsglocke und ruft: „Auf zur letzten Runde.“ Zum ersten Mal wünscht er sich, die Fahrt würde etwas länger dauern und nicht, je nach Strömung, nur fünf bis zehn Minuten pro Strecke. Überall am Wesselinger Rheinufer stehen Bekannte und winken dem Fährmann zu, er läutet immer wieder zum Dank die Glocke.
Auf der anderen Rheinseite, bei Niederkassel-Lülsdorf schwenkt eine Familie auf ihrem Balkon Fahnen, ruft ihm Aufmunterndes zu. „Das sind alte Freunde von mir. Der Hund vom Werner, der Bino, ist immer so gern mit meiner Fähre gefahren. Manchmal sind die beiden dann einfach ein paarmal mit mir hin und zurück gefahren“, erinnert er sich wehmütig. Seine Marienfels, die mittlerweile 83 Jahre auf dem Bug hat, hat sicher noch viel mehr erlebt. „Jedenfalls den Zweiten Weltkrieg und vielleicht auch den Einsturz der Brücke von Remagen. Dort war sie nämlich früher im Einsatz“, erklärt der Fährmann. „Hier auf der Marienfels war immer was los, Kindergeburtstage, Brautentführungen und Heiratsanträge.
Marienfels wird Hausboot
Und nach kurzem Nachdenken fügt Wolfgang Hubert hinzu: „Wissen Sie, ich bin ja mit der Fähre länger als mit meiner Frau zusammen gewesen, 14 Stunden am Tag. Es war eine herrliche Zeit und heute ist sie vorbei“. Wehmut beim Fährmann, unter Deck indes herrscht ausgelassene Partystimmung. Bierflaschen stoßen aneinander, die neuen Besitzer, Frank und Tanja aus Köln, sind mit an Bord und feiern mit Freunden ihren Neuerwerb, die Marienfels.
„Wir haben sie bei Ebay gesehen und uns sofort in sie verliebt“, sagt Tanja. „Jetzt bauen wir sie zu einem Hausboot um. Ich sehe schon die Blumenkästen auf unserer Dachterrasse draußen“. Eine neue Zukunft, mit neuem Namen. „Ja, wir nennen sie ab sofort „Wolle Hamma“, Wolle wie Wolfgang Hubert und Hamma, weil sie einfach der Hammer ist“.
Auch für Wolfgang Hubert ist der Abschied heute mit einem Neuanfang verbunden. „Ich habe beschlossen, ab nächster Woche für den Betreiber der neuen Fähre, die Weißbarth Fahrgastschifffahrt GmbH, zu arbeiten“. Zunächst wird Wolfgang Hubert mit der kleinen Fähre „Strolch“ und voraussichtlich ab 14. Oktober mit der nagelneuen, modernen Nachfolgerin der Marienfels über den Rhein schippern. Und dabei hin und wieder wehmütig an die gemeinsamen Zeiten mit seiner Marienfels denken.