Sven Fischenich war 33 Jahre alt, als der Copilot ihn und weitere 143 Fluggäste und fünf Crewmitglieder in den Tod riss. Seine Tochter war da gerade vier Monate alt.
Sven Fischenich war an BordWesseling gedenkt zehn Jahre nach Germanwings-Absturz eines der Opfer

In den Räumen der Freiwilligen Feuerwehr in Wesseling erinnert eine Vitrine an Sven Fischenich.
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Als er am Montag (24. März) die ersten Nachrichten über den Jahrestag des Germanwings-Absturzes in den französischen Alpen vor zehn Jahren hörte, hat es ihn wieder sehr berührt, sagte Diakon Paul Jürgen Schiffer. Seine Gedanken waren sofort bei der Familie von Sven Fischenich aus Wesseling, der sich damals an Bord des Fluges 4U9525 von Barcelona nach Düsseldorf befand und mit 33 Jahren ums Leben kam.
Diakon Paul Jürgen Schiffer hielt damals die Predigt zum Unglück in der Kirche St. Germanus. Als Notfallseelsorger war er auch am Flughafen in Düsseldorf vor Ort, um sich um die Angehörigen zu kümmern. „Das waren sehr schwere Stunden. Die vergißt man einfach nicht. Das ging mir sehr nahe und geht es bis heute noch“, so Schiffer, „vor allem, weil ich Sven gut kannte. Ich hatte ihn getraut und auch seine damals vier Monate alte Tochter getauft“, erzählt er. Mit dessen Familie steht der Diakon bis heute in Kontakt.
Er wurde als Ehemann, als junger Familienvater und Feuerwehrmann mitten aus dem Leben gerissen
Angehörige nehmen nach Angaben einer Sprecherin der Stadt Wesseling am Montag an der Gedenkfeier in der Nähe von Le Vernet in den französischen Alpen teil. Die Stadt Wesseling verzichtet aus Respekt vor der Trauer der Hinterbliebenen auf ein Gedenken.
Die Gedenkstätte in Frankreich ist für viele weiterhin der Ort, an dem sie sich den Getöteten am nächsten fühlen. Dort erinnert eine fünf Meter große goldene Sonnenkugel an die Opfer. Sie besteht aus 149 Elementen – der Copilot wurde bewusst nicht berücksichtigt.
Wesseling: „Raum der Stille“ hilft Menschen in Ausnahmesituationen
Auch nach zehn Jahren ist Sven Fischenichs Name in Wesseling nicht in Vergessenheit geraten. Die Karnevalsgesellschaft „Kornblumenblau" hält sein Andenken lebendig – er war deren Literat. Ihm zum Gedenken hatte Prinz Tommi I. in seinen Orden ein „SF“ eingravieren lassen, denn eigentlich sollte SvenFischenich Karnevalsprinz 2020 werden.
Und auf der Wache der Freiwilligen Feuerwehr am Kronenweg erinnert ein Gedenkschrank an den Kameraden, den Copilot Andreas Lubitz in den französischen Alpen in Selbstmordabsicht mit in den Tod gerissen hatte. Fischenich gehörte seit seinem zehnten Lebensjahr der Feuerwehr an. „Sven Fischenich wird immer im Herzen der Feuerwehrleute bleiben“, sagte am Montag der stellvertretende Leiter der Feuerwehr in Wesseling, Oliver Koch. „Er wurde als Ehemann, als junger Familienvater und Feuerwehrmann mitten aus dem Leben gerissen. Das ist den Kameraden bis heute präsent“, betonte der Stadtbrandinspektor.

Die Sonnenkugel am Ort der Absturzstelle in den französischen Alpen. Sie besteht aus 149 Elementen – der Copilot wurde bewusst nicht berücksichtigt.
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Nach ihm wurde zudem ein transportabler Container benannt, den die Feuerwehr Wesseling und benachbarte Feuerwehren in Notfällen nutzen. Dieser „Raum der Stille“ bietet Opfern, Angehörigen aber auch den Einsatzkräften selber einen Rückzugsort, zum Beispiel bei schweren Unfällen: Dabei dauern Aufräum- und Ermittlungsarbeiten oft viele Stunden an, und unverletzt Beteiligte sowie Einsatzkräfte können sich mit einem Notfallteam zu Gesprächen zurückziehen.
Finanziert wurde der „Raum der Stille“ mit 100.000 Euro aus einem Hilfsfonds der Germanwings-Mutter Lufthansa, der nach dem Unglück im März 2015 eingerichtet wurde. Damit sollten Organisationen, Familien und andere private Initiatoren unterstützt werden, die kulturelle und soziale Projekte im Sinne der Opfer verwirklichen.
Seitdem war nichts mehr, wie es früher war
Die Nachricht, dass Sven Fischenich unter den Opfern des Flugzeug-Absturzes sei, sprach sich vor zehn Jahren in Windeseile in Wesseling herum. Der damalige Bürgermeister Erwin Esser zeigte sich erschüttert: „Sein Einsatz für das Gemeinwesen war enorm, seine Hilfsbereitschaft, anderen in Notsituationen zu helfen, vorbildlich. Umso tragischer ist es, dass er bei einem solchen Unglück ums Leben kommt.“ Esser ließ im Rathaus ein Kondolenzbuch auslegen, in das sich zahlreiche Menschen eintrugen.
Der 33-Jährige hatte sich beruflich in Barcelona aufgehalten. Wie sein Vater Jürgen war er bei einem Drucker-Hersteller beschäftigt. „Am Vorabend haben wir noch miteinander telefoniert“, sagte Jürgen Fischenich in einem Gespräch mit dieser Redaktion am ersten Jahrestag des Unglücks. „Sven nahm immer den frühen Flug nach Hause, die erste Maschine am Morgen.“

Vor der Wache der Freiwilligen Feuerwehr in Wesseling hatten Kameraden und Bürger Blumen niedergelegt und Kerzen aufgestellt.
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Er habe morgens im schwarzen Sessel im Wohnzimmer gesessen. Neben ihm im Kinderwagen schlief sein Enkelkind, das vier Monate alte Töchterchen seines Sohnes. Seine Schwiegertochter war kurz beim Arzt, seine Frau beim Sport, als über Newsticker die Meldung von dem Absturz der Germanwings-Maschine über den Bildschirm lief.
Seitdem war nichts mehr, wie es vorher war.
Jürgen Fischenich machte öffentlich unmissverständlich deutlich, was an jenem verhängnisvollen Tag an Bord von Flug 4U9525 geschehen war, er sprach von Mord und kritisierte die Verantwortlichen der Airline: „Ein Pilot, der in der Ausbildung schon unter schweren Depressionen leidet und dies noch in weiteren Gutachten bestätigt wird, darf doch nicht mehr ins Cockpit. Der dürfte hier nicht mal mehr einen Bus fahren.“
Er gehörte zudem zu den zahlreichen Angehörigen, die den Klageweg beschritten. Seine Motivation: Schmerzensgeld zu erwirken, „um die Ausbildung unserer Enkeltochter absichern können“. Jürgen Fischenichs Kampf endete überraschend 2021. Er starb im Alter von 68 Jahren, sechs Jahre nach dem Tod seines Sohnes „und Freundes“, wie er mal sagte.