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Wesselinger FährfamilieProviantschiff „Johannes“ brachte Lebensmittel über den Rhein

Lesezeit 4 Minuten

In dem schwimmenden Supermarkt an Bord eines Schiffes gab es neben Frischetheken und Regalen sogar Einkaufswagen.

  1. „Johannes“ hieß das letzte Fährschiff, das auf dem Rhein mit Lebensmitteln unterwegs war. Vor 25 Jahren wurde der „schwimmende Supermarkt“ verkauft.
  2. Johannes Weisbarth aus Wesseling erinnert sich. Schon sein Großvater schipperte mit Proviant über den Rhein.

Wesseling – Rechts die Galoschen, links die Brote, und in der Mitte der Mann an den Rudern: So schipperte einst Johannes Weisbarths Großvater über den Rhein. Aus dem kleinen, hölzernen Proviantboot wurde im Laufe der Jahrzehnte und Generationen ein schwimmender Supermarkt – mit Wursttheke, Kühlregal und Registrierkasse. Der Blick in Weisbarths Fotoalben zeigt ein fast vergessenes Kapitel der Flussschifffahrt – und den Mittelpunkt der Familiengeschichte.

Investition zahlte sich aus

Die knatschgelbe „Johannes“ war das letzte Proviantschiff zwischen Köln und Remagen, aber vermutlich auch darüber hinaus. „Jetzt baut er sich seinen Sarg“, hätten die drei nächsten Konkurrenten einst geunkt, Anfang der 70er-Jahre, erzählt der heute 89-Jährige munter. Der prächtige Kahn verfügte nicht nur über Einkaufswagen und ein Riesen-Sortiment mit Orangen und Ostereiern, Waschpulver und Werkzeug, Pullovern und Puddingpulver, sondern auch über Heizung und Klimaanlage, Kühlräume für Frischfleisch und ein exquisites Wurstangebot von einem Metzger am Oberrhein. Die Investition zahlte sich aus: „Ich habe alle überlebt“, erzählt Weisbarth. Fünf Jahre später warf auch der letzte Konkurrent das Handtuch.

Schon der Großvater versorgte die Binnenschiffer.

Service war das Zauberwort bei Käpt’n Kaufmann. Die Öffnungszeiten des schwimmenden Warenhauses wurden schon mal ausgeweitet, wenn ein Binnenschiffer blinkte, „auch um 22 Uhr waren wir dann an Bord“. Johannes Weisbarth und seine Frau Elfriede, heute 81, sahen das Scheinwerferlicht im Wohnzimmer, dessen große Fenster zur Rheinseite hin liegen. Nur wenige Minuten dauerte der Weg über die Terrasse, durchs Törchen, die steile Treppe den Deich hinunter zur Anlegestelle gegenüber von Niederkassel-Rheidt, dann legte der Kapitän ab, steuerte zum Kunden, hängte sich an und ließ sich mitschleppen.

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Reichte Eier, Milch oder Getränkekästen entweder über die Reling oder lud zum Einkaufsbummel im Schiffsbauch ein. Was er nicht da hatte, besorgte er: „Auch Fahrräder und Autos.“ Außerdem Bier und Wein, und zu Silvester auch Spirituosen, was ihm Ärger mit der Wasserschutzpolizei – eigentlich treue Kundschaft – einbrachte: Laut Reise-Wandergewerbeschein war das nicht zulässig. Er blieb hartnäckig und setzte sich durch: „Unsere Umsatzzahlen waren hoch wie im Lebensmitteleinzelhandel.“

Johannes Weisbarth (l.) verteilte an seine Kunden Ostereier. „Schiffer sind raue Gesellen, mit dem Herz auf dem rechten Fleck“, sagt er.

Weisbarth, gerade nach einer Herzoperation aus dem Krankenhaus entlassen, sitzt entspannt auf der Terrasse, blickt auf den Rhein, auf sein Leben. An dieser Stelle baute 1926 sein Vater ein Haus, hier wuchs er auf mit Schwester und Bruder. Schwamm als Kind nach Rheidt und zurück nach Wesseling-Urfeld. Baute später an derselben Stelle ein größeres Heim für seine fünfköpfige Familie.

„Johannes“ nach Holland verkauft

Sohn Reiner wohnt in Sichtweite. Die vier Enkel gingen aus und ein, auch die vier Urenkel lieben den Garten am Fluss. „Johannes“ liegt hier längst nicht mehr, wurde vor 25 Jahren verkauft nach Holland. Die „Anja“ hat seinen Platz eingenommen, eines der Fahrgastschiffe der Familie Weisbarth, die regelmäßig auch im Mondorfer Hafen andockt.

Den Betrieb führt Sohn Reiner, auch schon 60 und Kapitän in sechster Generation. Er arbeitete erst ein paar Jahre auf dem Proviantschiff als Matrose unter väterlichem Kommando, bevor der alte Kapitän das Ruder aus der Hand gab. Harmonisch sei der Übergang gewesen und das Verhältnis nach wie vor.

Das Schiff „Johannes“, 23 Meter lang und sechs Meter breit, war das seinerzeit modernste Proviantschiff der Weisbarths.

Dass der Sohn die „Johannes“ Mitte der 90er-Jahre aufgab, sei kein Drama gewesen, sagt der Vater. Die Moderne hielt Einzug auf dem Rhein und mit ihr leistungsstärkere Schiffe, ausgestattet mit Generatoren und Kühlschränken. Mit den Preisen der Supermärkte an Land konnten die Weisbarths nicht mithalten. Johannes Weisbarth hat noch bis vor kurzem jährlich sein Kapitänspatent verlängert, fuhr zuletzt im vergangenen Jahr die Fähre „Rheinschwan“ von Wesseling bis Lülsdorf. Mit der Lux-Werft, die auch die vier Fahrgastschiffe für die Weisbarths baute, pflegt man enge Beziehungen. Die Familientradition setzt einer der Enkel fort. Zwar ist er kein Kapitän wie der Ururgroßvater, Urgroßvater, Großvater und Vater von Johannes, aber Koch in der Kombüse der „Anja“. Er sei auch „schiffig“, freuen sich die Großeltern.

Johannes Weisbarth (89) lebt bis heute in Wesseling am Rhein.

Ab und zu steht der Senior noch am Steuer, aber nur aushilfsweise und kurzzeitig, wenn Not am Mann ist und damit Sohn Reiner mal Pause hat: „Ich bin 89. Man hat doch große Verantwortung.“ Dann zieht Johannes Weisbarth auch seine alte Kapitänsuniform an, die ihm immer noch passt. Oft getragen hat er sie nicht. Das Markenzeichen von Käpt’n Kaufmann war der Karo-Hut.