Ab 2019 fahren sie in KölnMehr Platz und Wlan – die RRX-Züge im Praxistest
Düsseldorf – Da ist er. Pünktlich auf die Minute fährt der Regionalexpress 11 in den Hauptbahnhof von Mülheim an der Ruhr ein. Mit einem leicht alarmistischen Piepen öffnen sich die Türen, ein paar Fahrgäste nehmen die Treppe hoch ins obere Abteil – es riecht hier wie im Neuwagen, alles ist sauber, die Scheiben sind nicht verkratzt. Zwei junge Frauen setzen sich auf die schwarz-grauen Polstersitze, die eine sagt zur anderen: „Nicht schlecht.“
Fahrten mit einem RE zwischen Düsseldorf und dem Ruhrgebiet sind normalerweise kein besonders erwähnenswertes Ereignis – und ein Staunen rufen sie bei den Fahrgästen erst recht nicht hervor, eher ein verärgertes Stöhnen, wenn mal wieder Verspätungen, Ausfälle, Überfüllung oder ein Bahnstreik angesagt sind.
Der erste Rhein-Ruhr-Express ist ein Vorläufer
Doch seit ein paar Tagen ist etwas anders im Pendleralltag: Aus dem schnöden RE 11 ist so etwas wie ein Vorbote für die Zukunft des Schienenverkehrs im Rheinland und im Ruhrgebiet geworden. Seit dem Fahrplanwechsel an diesem Sonntag wird die Linie vom privaten Unternehmen Abellio betrieben, der RE 11 ist damit der erste sogenannte Rhein-Ruhr-Express – zumindest was die Fahrzeuge angeht. Offiziell bleibt die Linie bei ihrem alten Namen, auf den Anzeigetafeln taucht das RRX nur in Klammern auf.
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Der RRX ist das wichtigste Nahverkehrsprojekt in Nordrhein-Westfalen, irgendwann soll er die Großstädte im Rheinland im 15-Minuten-Takt mit dem Ruhrgebiet verbinden und das häufige Leid der rund 2,4 Millionen Bahnpendler im Land deutlich lindern. Auch wenn das ganze Konzept auf keinen Fall vor 2030 Wirklichkeit werden dürfte, kommen die ersten neuen Züge schon jetzt zum Einsatz. Vorlaufbetrieb heißt das in der Bahnsprache und der RE 11, der die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt mit dem hessischen Kassel verbindet, ist dafür der offizielle Startschuss.
Wer als Pendler regelmäßig auf der Strecke unterwegs ist, wird sich mit Sicherheit über die Neuerung freuen. Denn die neuen Fahrzeuge sind tatsächlich deutlich komfortabler als die meisten anderen Züge, die im Regionalverkehr in NRW unterwegs sind. Der Rhein-Ruhr-Express bietet bei zwei Waggons auf der Hauptstrecke auch mehr Platz, insgesamt sind es 800 Sitzplätze. So ließ sich bei unseren Stichproben selbst im Berufsverkehr am Morgen ohne Probleme ein Sitzplatz finden.
Was bei der Fahrt als erstes auffällt: Der RRX ist extrem leise, er gleitet in beinahe völliger Ruhe in Richtung Rheinland. Die Sitze sind bequem, wer nicht allzu sehr mit seinem Nachbarn kuscheln will, kann die Armlehne runterklappen. An jedem Platz ist eine Steckdose und einen Klapptisch gibt es auch – das ist deutlich über dem Standard. Allerdings sind die Sitze in den obereren Abteilen recht eng an die Wand gedrückt – in den Regionalzügen der Bahn ist der Abstand zum Beispiel spürbar größer.
Der Zug ist jedenfalls ein echter Hingucker, das gilt für außen wie für innen. Mit seinem orange-grau-weißen Design fällt der RRX sogar so sehr auf, dass bei unserer Testfahrt immer wieder Fotografen an den Bahnhöfen zu sehen waren – obwohl die Jungfernfahrt ja bereits einige Tage zurück liegt. Der Innenraum ist freundlich und hell beleuchtet, aber nicht zu grell. Wer im Dunkeln mitfährt und ein bisschen schlummern will, sollte das auf jeden Fall können, wer sich lieber in sein Buch vertiefen möchte, kann über seinem Sitz ein kleines Lämpchen anknipsen.
Sogar die Toiletten machen einen vernünftigen, wenn auch recht engen Eindruck, allerdings ist das bei einem komplett neuen Zug auch keine allzu große Überraschung – in einem halben Jahr kann es dort der Erfahrung nach deutlich weniger einladend aussehen.
Kritik an der Beinfreiheit und den Ansagen der Computerstimme
Sinnvoll sind die Infos, die auf den vielen Bildschirmen angezeigt werden: Zu lesen sind da sowohl die aktuelle Verspätung (davor ist der neue Zug nicht weniger gefeit) als auch die Anschlüsse im nächsten Bahnhof. Solche Anzeigen gibt es bereits in anderen Regionalzügen. Allerdings scheinen sie bisher nicht ganz zuverlässig zu funktionieren, bei einer Fahrt wurde konsequent ein Bahnhof zu früh angezeigt. Wenig praktisch sind die Gepäckablagen geraten, ein größerer Koffer passt da auf keinen Fall mehr hin – in den oberen Abteilen noch nicht mal eine Tasche, selbst für eine Winterjacke wird es schon eng.
Achja...ein Wlan-Netz gibt es auch – allerdings hat es bei unserer Testfahrt auf dem Smartphone nicht funktioniert. In anderen Berichten ist aber die Rede davon, dass die Verbindung problemlos klappt.
Bei den Fahrgästen kommt der neue Zug offenbar gut an. In den sozialen Netzwerken sind die meisten Kommentare positiv. Bei Twitter werden vor allem das leise Fahrgeräusch, das angenehme Licht, die technische Ausstattung mit Steckdosen und Wlan gelobt. Kritik gibt's hingegen für die Beinfreiheit und die Sitze, auch mit den (ziemlich lauten) Ansagen der Computerstimme können sich viele nicht so richtig anfreunden – auch das auffällige Piepen der Türen beim Einsteigen stört manche Fahrgäste.
Bahnpendler in Köln und Umgebung müssen übrigens nicht bis 2030 warten, bis sie in den Genuss der neuen RRX-Modelle kommen. Ab dem nächsten Sommer fahren die neuen Züge auch die Bahnhöfe in Köln an, in den folgenden Jahren werden nach und nach insgesamt 82 neue Modelle ausgeliefert, die neben Abellio von National Express betrieben werden.
Die Planung dafür sieht so aus:
- Juni 2019: RE 5 (Koblenz - Wesel)
- Dezember 2019: RE 6 (Köln/Bonn Flughafen- Minden)
- Juni 2020: RE 1 (Aachen - Hamm)
- Dezember 2020: RE 4 (Aachen - Dortmund)
Irgendwann soll es in Nordrhein-Westfalen sieben Linien des Rhein-Ruhr-Expresses geben, die benachbarten Bundesländer Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Hessen wären dann ebenfalls an das Netz angebunden. Noch ist das Zukunftsmusik, die von einer weit entfernten Kapelle gespielt wird, trotzdem: Der neue Zug dürfte für viele Pendler und Reisende schon jetzt eine Verbesserung sein, auch wenn der Fahrgastverband Pro Bahn schon mal vorsorglich vor Kinderkrankheiten warnt und sich am stark belasteten NRW-Schienennetz vorerst nichts ändert. Das merkt auch der RRX an diesem Tag ein bisschen: Sein Ziel in der Landeshauptstadt erreicht er fünf Minuten später als geplant.