Grüne Wüste ohne LebenAusgleichsfläche am Siegufer wird zu oft gemäht
- Die große Wiese in den Siegauen wird regelmäßig gemäht – für eine potenzielle Flora-Oase nicht gerade optimal
- Auch Landrat Sebastian Schuster macht das wütend.
- Ob die grüne Wüste bald wieder ein fruchtbarer Lebensraum für Tiere wird, muss abgewartet werden.
Rhein-Sieg-Kreis – Landrat Sebastian Schuster reicht es jetzt: „Ich habe an Straßen-NRW einen Brief geschrieben. Es ist für mich völlig unverständlich, warum die große Wiese in den Siegauen noch immer eher einer grünen Wüste als einer blühenden Oase gleicht.“
Mit Freude hatte der Landrat im vorigen Jahr kleine bunte Blumeninseln auf der Fläche entdeckt. Auf Nachfrage in seiner Behörde erfuhr er, dass das rund vier Hektar große Areal, rechts hinter der Siegbrücke, wenn man von Sankt Augustin aus nach Siegburg hineinfährt, vor 18 Jahren als Ausgleichsfläche für den Bau der Autobahn 560 ausgewiesen worden war. Der Landesbetrieb Straßenbau NRW sei für die Fläche zuständig und müsse die Einhaltung der Vorgaben überprüfen. In diesem Jahr waren die „blühenden Oasen“ in der Wiese plötzlich verschwunden. „Ich stelle mir Ausgleichsmaßnahmen anders vor“, übt der Landrat Kritik. In den Zeiten des Lockdowns habe er bei vielen Spaziergängen in der Region gesehen, „wie schön und artenreich die Natur hier im Kreis ist“. Daher sei es für ihn völlig unverständlich, wieso eine Ausgleichsfläche, die „Insekten und anderen Tieren als Lebensraum dienen soll, so artenarm ist“.
Missverständnis eingeräumt
Der Landesbetrieb Straßenbau NRW hat nun auf die Kritik reagiert.
„Leider wurde die Fläche zu früh gemäht, bevor die Samen sich fürs nächste Jahr verteilen konnten. Das war ein Missverständnis zwischen dem Landwirt und uns. In Zukunft werden wir selbstverständlich konkret darauf achten, dass die Blühstreifen so bewirtschaftet werden, dass sie zur Förderung der Artenvielfalt beitragen können“, so der Pressesprecher des Landesbetriebs, Timo Stoppacher.
Er betont, dass zertifiziertes Regio-Saatgut verwendet wurde. Eine Mischung aus gebietsheimischen Pflanzen.
Deswegen werde die Einsaat im kommenden Jahr „nicht wieder verschwinden“ und müsse auch nicht „unbedingt nachgebessert werden“. Es werde allerdings noch mit der Regio-Mischung nachgesät. (vr)
Kritik gibt es deswegen schon seit langem. Der BUND, der das regionale Wiesen- und Weidenzentrum in Sankt Augustin betreibt, hatte sich im Jahr 2018 eingeschaltet. „Viele junge Menschen kennen nur noch tote Wiesen. Sie wissen gar nicht, wie vielfältig an Arten eine solche Fläche sein kann“, so BUND-Sprecher Achim Baumgartner. Im Frühjahr vorigen Jahres wurden daher vier Areale auf der Fläche mit einer besonderen Samenmischung geimpft, um mehr blühende Pflanzen in die Wiese zu bringen. Die sind eine lebenswichtige Nahrungsquelle für Insekten. Diese Tiere locken Vögel an, die sich von ihnen ernähren. Doch davon ist jetzt kaum etwas zu erkennen.
„Das liegt daran, dass die Wiese viel zu früh komplett gemäht wurde“, erklärt Baumgartner. Für ihn ist es völlig unverständlich, dass sogar „die im vorigen Jahr liebevoll gepflanzten Blühinseln komplett abrasiert worden sind“. In der Samenmischung seien allerdings die falschen Pflanzen gewesen. Viele typische Wiesenblumen hätten gefehlt.
Wiesenflockenblumen können keine Samen bilden
„Sie blühen nicht immer sofort. Viele zeigen erst ein Jahr nach der Aussaat oder später ihre bunte Pracht, werden aber bis zu 20 Jahre alt, wie zum Beispiel der Große Wiesenknopf.“ Doch diese Chance hätten sie in diesem Jahr durch die viel zu frühe Mahd leider nicht bekommen. Auch die Wiesenflockenblumen und Wiesenklee können deswegen in diesem Jahr keine Samen bilden.
Die Wiese sei eine Ausgleichsmaßnahme, da sollte man den Mäh-Rhythmus an eine ökologische Zielsetzung anpassen. „Blumenwiesen sollten erst im Juli oder August gemäht werden, je nach Wiesentyp“, sagt Baumgartner. Er sieht den Landesbetrieb Straßenbau NRW in der Pflicht, „endlich das zu tun, was nötig ist“. Dass sich Landrat Schuster jetzt eingeschaltet hat, bestätige seine Auffassung, dass die Wiese nicht so bewirtschaftet wird, wie es für die Natur am besten sei.