Bauboom in RhöndorfCDU-Politiker sorgt sich wegen Neubauten um Charakter des Ortes
Bad Honnef – Wenn Peter Profittlich durch „sein“ Rhöndorf geht, dann kommt er aus dem Grüßen gar nicht mehr heraus. Er kennt jede und jeden und ist selbst bekannt wie der sprichwörtliche bunte Hund in dem kleinen Dorf am Fuße des Drachenfels. Der 62-jährige CDU-Kommunalpolitiker ist Vize-Bürgermeister der Stadt Bad Honnef und so etwas wie Rhöndorfs inoffizieller Bürgermeister. Entsprechend ist er der erste Ansprechpartner, wenn den Rhöndorfern was auf den Nägeln brennt. Und das ist in der jüngeren Vergangenheit der Bauboom, der in dem kleinen Ort ausgebrochen ist. Und der Rhöndorf sichtbar verändert.
Vier Mehrfamilienhäuser „verheerend“
„Das passt überhaupt nicht hier hin“, stimmt Profittlich den Kritikern zu und meint die an der Konrad-Adenauer-Straße geplanten vier Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 31 Wohnungen. „Verheerend“ findet das Projekt gar Heinz-Peter Gries, auf den Profittlich bei einem kurzen Gang mit der Redaktion durch das Dorf vor dem Haus mit der Nummer 19 trifft, das abgerissen werden soll.
Das Gebäude sei frisch renoviert, betont Gries. Und bei den Neubauten seien viel zu wenig Plätze in der Tiefgarage vorgesehen, die nur über enge Dorfstraßen zu erreichen sind. Auf der gegenüberliegen Straßenseite wird gerade eine alte Villa entkernt und für den Abriss vorbereitet, nicht weit entfernt entsteht ein großes Einfamilienhaus. Die übereinstimmende Einschätzung der beiden Rhöndorfer: Der Charakter des Ortes sei in Gefahr.
Peter Profittlich, dessen Café am Ziepchensplatz Kultstatus genießt, muss von dort aus gar nicht weit gucken: An der Drachenfelsstraße ist ein Mehrfamilienhaus gebaut worden, und genau davor werde jetzt noch ein Gebäude errichtet. 600.000 bis 700.000 Euro hätten die Eigentumswohnungen gekostet, weiß Profittlich. Bad Honnef ist ein teures Pflaster.
„Grundstücke bis auf den letzten Zentimeter ausgereizt“
Dabei, das betont der Ur-Rhöndorfer immer wieder, laufe bei den Neubauten alles nach Recht und Gesetz. „Dass gebaut wird, ist absolut richtig“, sagt Profittlich. Ihn stört vor allem das Was und das Wie. „Ortsüblich und angemessen“, wie es früher geheißen habe, seien die Gebäude heute nicht mehr. Auch die Stadtverwaltung von Bürgermeister Otto Neuhoff habe „kein Gespür mehr dafür, was eine ortsübliche und angemessene Bebauung ist“ (siehe auch Infokasten). Die Grundstücke würden bis auf den letzten Zentimeter ausgereizt, und Bauherren seien nur noch Investoren, die auf Rendite gucken. „Es gibt nicht mehr den klassischen Bauherrn, der für sich und seine Familie baut.“
Die Hintergründe
Projekt der Bonava
Das aktuell besonders umstrittene Projekt der Bonava, die an der Konrad-Adenauer-Straße 19 vier Mehrfamilienhäuser mit zusammen 31 Wohnungen baut, ist von der Stadt nach Paragraf 34 Baugesetzbuch beurteilt worden, weil nach Angaben von Fabiano Pinto, Geschäftsbereichsleiter Städtebau, der entsprechende Bauantrag schon vorgelegen habe, bevor der Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan für das Areal gefasst worden sei.
Laut Paragraf 34 ist in bebauten Ortsteilen ein Vorhaben zulässig, „wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung (...) in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (...)“. Pinto bezeichnet die Vorschrift als „Basisplanungsrecht“, während ein Bebauungsplan eher den Sonderfall beziehungsweise die Abweichung regele. Was die Umgebungsbebauung zu dem Streitobjekt angeht, verweist Pinto beispielsweise auf das relativ hohe Haus St. Hedwig oder die wohl in den 1970er Jahren gebauten Terrassenhäuser. Ansonsten gelten laut Pinto in Rhöndorf mehrere Bebauungspläne, etwa für das Haus im Turm mit dem großen Park oder die Bauten auf dem Gelände des früheren Deutsch-Franzöischen Jugendwerks an der Rhöndorfer Straße.
Die Bonava-Häuser mit dem Titel „Rheintalgärten“ haben zwei beziehungsweise drei Etagen plus jeweils ein Staffelgeschoss. Ein Unternehmenssprecher hatte auf Anfrage betont, es entstünden „keine Luxuswohnungen“, sondern Eigentumswohnungen zu „ortsüblichen Preisen“. (csc)
Der Rhöndorfer hat überhaupt nichts dagegen, dass viele Senioren und auch Millionäre in den Ort ziehen, wie er betont. Aber es fehlten junge Familien mit Kindern. Die Vereine hätten Nachwuchssorgen, die Freiwillige Feuerwehr könnte auch Verstärkung gebrauchen. In ein paar Jahren, fürchtet der Kommunalpolitiker, stehe die Rhöndorfer Grundschule (ein Ableger der Löwenburgschule) womöglich wieder in Frage, weil es zu wenig Kinder gibt.
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Profittlich findet bei dem Rundgang auch positive Beispiele was die Größenordnung angeht. Etwa die Bauten, die vor einigen Jahren auf dem Gelände der einstigen Katholischen Landvolkshochschule (heute Haus im Turm) neben dem Haus St. Hedwig entstanden sind. Und er weiß von einigen Rhöndorfern zu berichten (die er natürlich alle mit Namen kennt), die alte Gebäude gekauft haben und die sie aufwendig in Schuss halten. Um das von Fachwerkbauten geprägte Oberdorf zu sichern, brauche Rhöndorf aber dringend einen Ensembleschutz, betont der 62-Jährige. „Wir müssen die alte Bausubstanz erhalten.“
Der Altbau Konrad-Adenauer-Straße 19, der dem Projekt „Rheintalgärten“ der Bonava weichen soll, hat unterdessen auch seine Geschichte: Laut Profittlich wurde er nach dem Zweiten Weltkrieg als eine der Bundesbauten für britische Besatzungsoffiziere errichtet.