Die Bonner Basketballer feiern den ersten Titel ihrer Vereinshistorie – und wollen jetzt noch mehr.
„Das kann uns keiner nehmen“Bonner feiern Europapokal-Triumph wie im Märchen
An manchen Tagen lässt sich das Glück kaum ertragen. Auf TJ Shorts ist es am Sonntagabend im wahrsten Sinne des Wortes eingestürzt. Es war so überwältigend, dass es den amerikanischen Profi von den Beinen holte. Der 25-Jährige lag vor den Augen der 11 000 Zuschauer weinend auf dem Parkett der Arena von Malaga, als sich seine Teamkollegen mit wilden Jubelschreien auf ihn warfen, um den Triumph zu feiern.
Die Telekom Baskets Bonn haben dank eines 77:70 gegen Hapoel Jerusalem die Basketball Champions League gewonnen, den nach der Euroleague wichtigsten internationalen Wettbewerb. Es ist der erste Titel der Vereinshistorie. Insofern hat Trainer Tuomas Iisalo bei der Einordnung des Erfolgs durchaus richtig gelegen, als er sagte: „Es ist etwas Einmaliges. Wir werden damit in die Geschichtsbücher eingehen. Das kann uns keiner nehmen. Ich freue mich schon, wenn wir uns in 20 Jahren wiedersehen und uns auf den Bahamas betrinken.“
Vorerst hatte der 40-jährige Finne, der als jüngster Coach im Champions-League-Finale stand, nur eine kleine Flasche Bier auf dem kargen Podium des Pressezentrums vor sich stehen, als er das Wochenende in Andalusien Revue passieren ließ. Schon mit dem 69:67 im Halbfinale am Freitag gegen den favorisierten Gastgeber Unicaja Malaga hatten die Rheinländer einen Coup gelandet. TJ Shorts war in diesem Match mit 21 Punkten der beste Werfer, ehe er sich im Endspiel nochmals steigerte und sein Team mit 29 Punkten zum Titel führte.
Auszeichnungen für Shorts und Iisalo
Der 1,75 Meter große Aufbauspieler und dessen Trainer haben sich in den vergangenen Wochen regelmäßig über individuelle Auszeichnungen freuen dürfen. Shorts wurde sowohl in der Bundesliga als auch im europäischen Wettbewerb zum wertvollsten Spieler (MVP) der regulären Saison gewählt, nach seinem großen Aufritt im Finale folgte die Ehrung zum MVP des Endspiels. Iisalo wurde in beiden Wettbewerben zum „Trainer des Jahres“ gekürt. Doch so bedeutend wie der Titel mit der Mannschaft war nichts davon. „Ich war den Tränen nahe, als ich das nach dem Spiel alles aufgesaugt habe“, erklärte Iisalo ergriffen.
Shorts saß neben ihm, die Kappe hatte er verkehrt herum über die blond gefärbten Locken gezogen und um seinen Hals baumelte die Medaille, als er sagte: „Das sind die Momente, für die jeder Basketballer lebt. Das sind die Momente, auf die du vom ersten Tag im Sommer an hinarbeitest. Das fühlt sich gerade nicht echt an.“
Tatsächlich wird das alles manchem Bonner wie im Märchen vorkommen. Diejenigen, die den Klub seit den Anfangstagen 1995 begleiten, haben sich mit einer Serie von schmerzhaften Niederlagen arrangieren müssen: Fünfmal verloren die Baskets das Finale um die Deutsche Meisterschaft (1997, 1999, 2001, 2008, 2009), dreimal mussten sie sich im Endspiel um den deutschen Pokal geschlagen geben (2005, 2009, 2012). Wer immer ganz dran ist, fühlt sich irgendwann verflucht weit weg. Doch vom ersten Tag dieser Saison an spürten die Baskets, dass diesmal alles anders werden könnte. „Jeder hat realisiert, dass wir etwas Besonderes schaffen können. Und weil jeder von uns das Team und nicht sich selbst an erster Stelle sieht, konnten wir ein starkes Kollektiv formen“, betonte Iisalo stolz.
Neben ihrer physisch starken Arbeit in der Defensive und ihrer temporeichen und variablen Offensive haben sich die Bonner eine unwiderstehliche Wettkampfhärte angeeignet. In der BBL verloren sie nur zwei ihrer 34 Begegnungen und beendeten die Hauptrunde als Spitzenreiter vor den etablierten Granden der Branche aus Berlin und München. Diese Qualitäten bekam auch Jerusalem zu spüren. Bonn lag über die gesamte Partie hinweg in Führung und bewahrte die Nerven, als der komfortable Vorsprung von zwischenzeitlich 14 Punkten auf zwei Zähler geschmolzen war.
Playoff-Start am Mittwoch
Mit dem Gewinn der Champions League haben die Baskets den Beweis ihrer Siegermentalität erbracht. Sie sind nach Alba Berlin (Korac Cup 1995), dem Mitteldeutschen BC (Fiba EuroCup Challenge 2004), der BG Göttingen (EuroChallenge 2010) und den Skyliners Frankfurt (Fiba Europe Cup 2016) erst der fünfte deutsche Klub, der einen internationalen Pokal gewann. Nicht zuletzt deshalb hat auch BBL-Geschäftsführer Stefan Holz seine Glückwünsche ausgerichtet: „Ich möchte den Telekom Baskets Bonn herzlich gratulieren. Es verdeutlicht auch, dass unsere Vereine, unsere Liga und generell der deutsche Basketball in allen Bereichen große Fortschritte machen.“
Viel Zeit zum Genießen bleibt den Bonnern nicht, am Mittwoch erwarten sie zum Playoff-Auftakt Chemnitz (19 Uhr, Telekom Dome), am Montagmorgen ging es um 10.05 Uhr mit Gesang und Pokal zurück in die Heimat. Shorts hat vor dem Abflug keine Zweifel daran gelassen, wie es weitergehen soll: „Wir wollen Meister werden“, betonte er.
Möglicherweise ist weiterer Ruhm auch bei der Suche nach einem neuen Sponsor hilfreich. Die Telekom steigt am Ende der Saison 2023/2024 aus und reduziert schon in der nächsten Spielzeit die Zuwendungen. Den Baskets eröffnet sich vom 1. Juli 2023 an die Option, einen Partner für das Namens- und Hallensponsoring zu präsentieren. Doch die Suche gestaltet sich schwierig – auch wenn man sich das gerade kaum vorstellen kann. Eine Hilfe stellt in jedem Fall die 600 000-Euro-Siegprämie für den Coup von Malaga dar.