Das Pächter-Ehepaar gibt den im Ort beliebten Gasthof zum Jahresende auf. Derweil wird die Immobilie mal wieder zum Verkauf angeboten.
„Mord mit Aussicht“Kult-Gasthof Röttgen in Neunkirchen-Seelscheid steht endgültig vor dem Aus
Plötzlich ging alles ganz schnell und Sabine Rogawski traf zusammen mit ihrem Mann Andreas eine Entscheidung, „die das Leben unserer Familie verändert.“ Am Jahresende 2024 geben beide den Gasthof Röttgen ab. Sie hatte Ende 2019 den Pachtvertrag für das in ganz Deutschland bekannte Objekt unterschrieben. Bei der Kultserie „Mord mit Aussicht“ kehrte seinerzeit nicht nur Caroline Peters als Kommissarin Sophie Haas im Gasthof Aubach ein, wie das Lokal in der TV-Serie hieß. Auch viel andere Prominente tranken im Film dort ihr Bier. Wirtsehepaar Klaus und Jutta Haas wollten damals aus Altergründen aufhören und das Objekt am liebsten verkaufen. Doch es fand sich keiner, der es erwerben wollte.
Das Ehepaar Rogawski unterschrieb von Jahr zu Jahr immer einen neuen Pachtvertrag für den Gasthof Röttgen
Das Ehepaar Rogawski kennt sich im Geschäft aus. Sie betreiben den Partyservice „Machbar“, das Lokal bot sich als Ergänzung an. Da beide in Seelscheid wohnen, war es sogar ein kurzer Weg zum neuen Objekt. Kaufen wollten sie die Immobilie allerdings nicht. Und so unterschrieben sie von Jahr zu Jahr einen neuen Pachtvertrag, „um einem möglichen Verkauf nicht im Wege zu stehen“, sagt Sabine Rogawski. Das erwies sich jetzt als Vorteil. „Unser Koch hat gekündigt, das Team im Service hört auf und mein Mann möchte mit 63 Jahren, kurz vor der Rente, nicht mehr regelmäßig am Herd stehen“, begründet die 54-Jährige den Schritt. Der Partyservice „Machbar“ laufe jedoch weiter.
Zum Team im Service gehören Sophie Schimmelpfennig und Margarita Becker. Beide haben ihr Studium beendet. Becker hat schon eine feste Stelle als Kindheitspädagogin, Schimmelpfennig schreibt ihre Doktorarbeit in Fachbereich Chemie an der Uni Bonn. Einen Gefallen konnten sie Sabine Rogawski aber nicht abschlagen. Beide machen noch bis Silvester weiter, obwohl sie eigentlich auch im September aufhören wollten. Dann findet die große Abschiedsfete statt und die „Kneipe wird leer gesoffen“, wie es im Rheinland heißt. Wer die Rogawskis kennt, ahnt natürlich, dass es auch erlesene Köstlichkeiten an dem Abend geben wird. Die Hotelzimmer im Haus sind übrigens zu diesem Termin schon alle ausgebucht.
Das À-la-carte-Geschäft ist wie ein vierstündiger Dauersprint, Catering dagegen wie ein Dauerlauf
Urlaub war für das Ehepaar bis jetzt nur einmal im Jahr für 14 Tage möglich. Und das Tagesgeschäft im Restaurant kostet Kraft. „Ich erkläre ihnen das mal anhand von Olympia, das ist ja jetzt aktuell“, so die Wirtin im Gespräch mit der Redaktion. „Das À-la-carte-Geschäft ist wie ein vierstündiger Dauersprint. Catering ist dagegen wie ein Dauerlauf. Fast schon entspannend.“ Zudem schaue man als Inhaberehepaar einer Gaststätte nicht auf die Uhr, wie sie es formuliert. Und da passiere es schon mal, dass man morgens kurz vor 7 Uhr erster ist und nachts nach einer Feier um 4 Uhr morgens am nächsten Tag abschließe.
Die Gaststätte ist im Dorf beliebt. Da sie aus Personalmangel inzwischen nur noch von Freitag bis Montag öffnet, sind die Tische immer schnell reserviert. Während Corona boten die Rogawkis vom Gasthof Röttgen aus einen Lieferservice fürs Essen an. Alle Mitarbeitenden machten mit und so brauchte keiner entlassen zu werden. Als später der Biergarten eröffnet werden durfte, kam weiteres Geld in die Kasse. Mit viel Engagement und der Unterstützung der Mitarbeitenden sei der „Lockdown gemeinsam gemeistert worden.“
Gema wollte beim Gasthof Röttgen beim Grillevent prozentual an den Einnahmen beteiligt werden
Auch die gestiegenen Nebenkosten hätten einen Weiterbetrieb nicht einfach gemacht. Allein 2000 Euro Stromkosten hätte die Gaststätte mit Baujahr 1900 monatlich, hinzu kämen noch Gas und Wasser. Auch die Waren seien teurer geworden. „Die Krönung war, dass die Gema jetzt für unser Grillevent mit Pariser Flair 1000 Euro Gebühren will. 380 waren es früher gewesen“, so die Wirtin verärgert, die jetzt auch noch in der Küche steht. Bei einem Anruf dort sei ihr gesagt worden, dass nur durch die schöne Musik unser Essen gut verkauft würde. Und deshalb hätte die Gema ein Recht, prozentual an den Einnahmen für die Speisen beteiligt zu sein. „Da haben wir das Grillevent ausfallen lassen.“
Die vier Kinder des Ehepaares wollen auch nicht ins Geschäft einsteigen. „Die haben gesehen, wie viel Arbeit das jeden Tag ist“, sagt Sabine Rogawski lachend. So kam ein Erwerb des Objektes nie infrage. Derweil hat die VR-Bank einen neuen Anlauf zum Verkauf der „Historischen Rarität im Ortskern von Seelscheid“ genommen. 598.000 Euro möchte sie für das Renditeobjekt mit 923 Quadratmetern Gesamtfläche, 1180 Quadratmetern Grundstück und einem Veranstaltungssaal mit Platz für bis zu 200 Personenhaben.