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ProzessBeim Karnevalszug in Much eskalierte ein Polizeieinsatz

Lesezeit 3 Minuten
Amtsgericht Siegburg

Eine Anti-Gewalt-Bank vor dem Amtsgericht Siegburg

Beim Karnevalszug in Much eskalierte ein Polizeieinsatz. Zwei Männer müssen sich wegen Gefangenenbefreiung vor Gericht verantworten.

Mit einem Randalierer am Rande des Rosenmontagszugs in Much hatte die Polizei alle Hände voll zu tun. Als sich Passanten einmischten und dem Mann helfen wollten, eskalierte die Situation. Pfefferspray kam zum Einsatz. Die Männer, die daraufhin Anzeige gegen die Beamten erstatten wollten, landeten selbst auf der Anklagebank: wegen Gefangenenbefreiung und Widerstandes.

Ob sich dieser Vorwurf so halten lässt, ist fraglich. Denn sowohl die beiden Angeklagten als auch die Zeugen, darunter vier Polizisten, schilderten die Situation am 20. Februar 2023 anders als in der Anklage formuliert. Die Ordnungshüter, die den Randalierer fixierten, fühlten sich von den als Footballspielern verkleideten Männern lediglich bedrängt.

Diese hätten sich aufgespielt und gefordert, den am Boden Liegenden zumindest aufzusetzen. „Er hatte nur ein T-Shirt an, und es war kalt“, beschrieb der 40-jährige Angeklagte, ein gelernter Dachdecker. Er habe befürchtet, dass der Mann auf dem kalten Untergrund unterkühle, und diesem nur helfen wollen. Auch seine Jacke habe er angeboten, zum Darunterlegen.

Ich wollte nicht provozieren und mich auch nicht profilieren. Nur helfen.
40-Jähriger Dachdecker, der sich wegen Gefangenenbefreiuung vor Gericht verantworten muss

Seine Hinweise, er habe in der Security-Branche gearbeitet und kenne sich mit solchen Situationen gut aus, kamen bei der Polizei nicht gut an, das wisse er nun. „Ich wollte nicht provozieren und mich auch nicht profilieren.“ Der zweite Angeklagte, sein Freund, habe ihn weggezogen und beruhigen wollen.

Der 43 Jahre alte Baumaschinenführer fühlte sich unschuldig. Er sei von hinten geschubst worden; dass es ein Polizist war, der ihn so wegdrängen wollte, habe er nicht gesehen. „Ich habe zurückgeschubst. Daraufhin traf mich eine Ladung Pfefferspray.“ Auch der Dachdecker wurde von der Abwehrwaffe im Gesicht getroffen, ebenfalls ein vermeintlich unbeteiligter dritter Bekannter. Der war ebenfalls angeklagt, erschien aber nicht vor Gericht.

Das Pfefferspray hat gut geholfen
Junger Polizist im Zeugenstand zum Einsatz der Abwehrwaffe gegen die Angeklagten

Sie hätten den Tumult gesehen, sagten die Lebenspartnerin und die Schwester des Dachdeckers im Zeugenstand, und Mühe gehabt, Sohn und Tochter der beiden Angeklagten zu beruhigen. Sie hätten die Kinder auch vor dem Pfefferspray abschirmen wollen, das durch die Luft wehte.

Hat der Polizist, der die Dose zückte, den Einsatz der Abwehrwaffe angekündigt? Darüber gingen die Schilderungen auseinander. Der Beamte im Zeugenstand selbst verneinte das, die Angeklagten hatten es ebenfalls nicht vernommen; die Polizeibeamtin, 49, hingegen konnte „sich sicher erinnern“. Ein junger Kollege, 23, damals Praktikant, konstantierte: „Das Pfefferspray hat gut geholfen.“

Aus der Menschenmenge heraus wurde der Einsatz im Much gefilmt

Die Angeklagten seien zuvor der mehrfachen Aufforderung, sich zu entfernen, nicht nachgekommen. Im Gegenteil, sie seien immer näher gerückt, auf ihn habe das bedrohlich gewirkt. Dahinter hätten sich weitere Personen aufgebaut, etwa eine zehnköpfige Gruppe.

Seine Kollegin schilderte,aus der Menschenmenge heraus sei mit Handys gefilmt worden, sie habe versucht, das zu unterbinden. Die Beamten waren zu Fuß unterwegs. Erst nach einer knappen halben Stunde sei der angeforderte Polizeiwagen gekommen, um den Randalierer mitzunehmen.

Ob der Einsatz des Pfeffersprays verhältnismäßig war, das wollen die Angeklagten überprüft wissen. Vor Ort habe die Polizei keine Anzeige aufgenommen, auf der Wache am nächsten Tag seien sie gefragt worden, ob sie wirklich Anzeige erstatten wollten. Später erhielten sie eine Mitteilung, dass das Verfahren gegen den Polizisten eingestellt worden sei. Die Strafverteidigerin des 43-Jährigen hat dagegen Widerspruch eingelegt.

Das Verfahren gegen die beiden Männer wird fortgesetzt. In zwei Wochen sollen weitere am Einsatz beteiligte Polizisten, die beim ersten Prozesstermin verhindert waren, als Zeugen gehört werden.