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Zu nah an Tatort im WesterwaldAwo Ruppichteroth plant Osterfreizeit für Kinder spontan um

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Die Gruppe der Awo-Kinderfreizeit beim Theaterstück auf dem Bacherhof.

Die Awo-Jugendabteilung musste ihre Osterfreizeit kurzfristig umplanen - das Team meisterte die Herausforderung mit Bravour und bot den kleine Gästen Robin-Hood-Flair.

Besorgte Eltern meldeten sich bei den Veranstaltern der Osterfreizeit. Die sollte eigentlich in einer Herberge im Westerwald stattfinden.

„Wir haben uns am Vormittag, am gleichen Tag, an dem die Osterfreizeit beginnen sollte, hingesetzt und gefragt: Was machen wir“, so erzählt es Daniel Erwin. Er leitet die Jugendabteilung der Awo Ruppichteroth/Much/Neunkirchen-Seelscheid und hatte mit dem Team wochenlang die Osterfreizeit für die Kinder im Westerwald geplant und vorbereitet. Die Veranstaltung musste jedoch kurzfristig komplett umgeplant werden.

„Wir erhielten immer mehr Nachrichten von besorgten Eltern“, sagt Dorothee Overhaus, die mit Erwin für die Jugendabteilung verantwortlich ist. „Von 50 Teilnehmenden haben zehn Eltern ihre Kinder kurzfristig wieder abgemeldet.“ Der Grund: Für den Ferienausflug hatte die Awo lange zuvor eine Jugendherberge gemietet – die liegt allerdings nur wenige Kilometer entfernt von der Wohnung eines mutmaßlichen Mörders, der Anfang April drei Menschen getötet haben soll und sich bis heute auf der Flucht befindet.

Dreifachmörder auf der Flucht: Nähe zur Wohnung macht Awo Sorgen

Die Nähe zum Haus des Gesuchten und des nahegelegenen Tatorts, wo er eine dreiköpfige Familie getötet haben soll, habe Eltern und Teile des Teams nervös gemacht, so Friedhelm Kaiser, Vorsitzender der Awo Ruppichteroth. Und das Datum der Osterfreizeit rückte immer näher, deshalb suchten die Verantwortlichen der Awo-Jugend kurzfristig nach einem Ersatz. Sicher ist sicher. „Wir kamen am Freitagvormittag, zu dem Schluss, dass wir die Aktion so nicht durchführen konnten“, sagt Erwin. „Auch, um auf die Sorgen der Eltern einzugehen.“

Die Polizei hatte rund eine Woche vorher, am frühen Sonntagmorgen, 6. April, in einem Einfamilienhaus in Weitefeld im Westerwald drei Leichen gefunden – eine dreiköpfige Familie: ein 47-jähriger Mann, eine 44-jährige Frau und ein 16 Jahre alter Jugendlicher. Sie wurden laut Polizei mit Schuss- und Stichwaffen getötet. Forensische Spuren am Tatort machten einen 61-Jährigen aus einem Nachbarort dringend tatverdächtig, so die zuständige Polizei Koblenz. Der Mann befindet sich demnach immer noch auf der Flucht und hält sich möglicherweise bewaffnet versteckt.

Osterfreizeit auf Umwegen: Awo Ruppichteroth findet kurzfristig Ersatz

In Gesprächen mit Eltern war klar geworden, dass sie sich nicht wohlfühlen würden, ihre Kinder nur eine Woche nach der Bluttat im Westerwald so nah am Tatort zu wissen, wo die Polizei große Suchaktionen nach einem vermutlich gefährlichen Mann durchführte. „Die Polizei hat zwar mitgeteilt, es gebe keine Hinweise auf akute Gefahr, aber die Eltern sagten, sie würde das alles sehr unruhig machen“, sagt Dorothee Overhaus. Und auch für das Betreuungsteam sei es ein schwieriger Gedanke gewesen.

Also hätten sie sich sofort hinter die Laptops geklemmt, um spontan einen Ersatz für die insgesamt 56 an der Freizeit teilnehmenden Personen für das Wochenende zu suchen. Sehr spontan, denn nur ein paar Stunden später sollte der Trip schon losgehen. „Das war so kurzfristig natürlich schwierig“, so Overhaus. Aber als sie in Ruppichteroth beim Bacherhof angerufen hätten, habe die Besitzerin gesagt, das sei kein Problem, sie brauche nur zwei Stunden Vorlauf. „Das war großartig“, ergänzt Daniel Erwin.

Ruppichteroth: Eltern boten spontan Hilfe bei Besorgungen an

Danach ging dann alles ganz schnell. Auch die zehn schon abgemeldeten Kinder konnten nun wieder teilnehmen. „Wir haben die Eltern informiert, die sich sehr dankbar zeigten“, betont Overhaus. Sofort seien Angebote gekommen, noch mitzuhelfen und mitzuorganisieren, wenn noch etwas benötigt würde. Dabei habe sich auch das 14-köpfige Betreuungs- und Organisationsteam unglaublich engagiert gezeigt, so Overhaus. „Das waren 14- bis 17-Jährige, die bis zum Zeitpunkt, zu dem wir losfahren wollten, nicht wussten, wo es hinging. Und die haben alles geräumt, transportiert und mitgetragen, das war unfassbar und wir sind sehr dankbar.“

Mit Mittelalter-Flair und in Robin-Hood-Atmosphäre begaben sich die Kinder und Jugendlichen auf dem Bachherhof schließlich auf die Spuren der berühmten Räuber-Bande: Neben Nachtwanderung, gemeinsamem Kochen und Lagerfeuer probierten sich die 50 Kinder im Bogenschießen, der Holzarbeit, im Töpfern und tobten sich auf Erlebniswanderungen aus. Ein gutes Ende also, trotz Planungschaos.

Ein Kind zielt mit einem Holzbogen auf einer Wiese.

Auch Bogenschießen konnten die Kinder bei der Osterfreizeit ausprobieren.

Ein besonderer Aspekt sei gewesen, dass die Kinder selbst hauswirtschaftlich tätig wurden. Sie sollten in Kleingruppen selbst einkaufen, kochen, das Essen vorbereiten und natürlich aufräumen und spülen. In dem Zuge wurde die Ferienfreizeit vom Kreisjugendamt auch als Bildungsveranstaltung gefördert.