Für 38 Monate soll ein Dealer ins Gefängnis. Die Richterin sah keinen minderschweren Fall – im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft, die Revision beantragen will.
ProzessBonner Staatsanwältin hält Strafe für jungen Dealer aus Neunkirchen-Seelscheid für zu hoch
Dass die Staatsanwaltschaft nach der Entscheidung einer Großen Strafkammer von einem Skandalurteil spricht und sofort einen Revisionsantrag zu Gunsten des Verurteilten ankündigt, passiert nicht alle Tage: Vor dem Bonner Landgericht wurde ein heute 23-jähriger Kleindealer wegen des Verkaufs von 80 Gramm Marihuana und acht Gramm Amphetamin zu drei Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt. Der Kunde des Dealers aus Neunkirchen-Seelscheid war nämlich zu Zeitpunkt des Verkaufs noch minderjährig.
Der Jugendliche dealte allerdings trotz seines geringen Alters bereits selber und war mit seinem Kaufwunsch seinerseits an den nun Verurteilten herangetreten. So sahen Anklage und Verteidigung gleichermaßen einen minderschweren Fall, und die Staatsanwältin beantragte, den geständigen Dealer zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten zu verurteilen.
Der Anwalt des jungen Mannes, Strafverteidiger Martin Kretschmer, sah das ähnlich und wünschte sich zusätzlich, dass die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werde.
Richterin: Angeklagter zeigte sich von früheren Verurteilungen kein bisschen beeindruckt
Dem folgte die Kammer allerdings nicht. Die Vorsitzende Richterin legte in der Urteilsbegründung dar, warum sie die Voraussetzungen für einen minderschweren Fall als nicht gegeben sah: Der zweifach wegen Betäubungsmitteldelikten vorbestrafte Angeklagte habe sich unter anderem von vorausgegangenen Verurteilungen „kein bisschen beeindruckt“ gezeigt.
In der Anklage hatte es noch geheißen, dass der junge Dealer den Minderjährigen „zum Handeltreiben bestimmt“ habe. Da der Abnehmer aber „szeneerfahren“ war, wie es die Richterin ausdrückte, war dieser Vorwurf schnell vom Tisch. Offenbar kannten sich die zwei Dealer, die beide auch selbst Drogen konsumieren, schon länger, und der Jüngere hatte den Älteren um Nachschub gebeten.
Grund genug für Verteidigung und eben auch die Vertreterin der Staatsanwaltschaft, von einem minderschweren Fall auszugehen. Hinzu kommt die Tatsache, dass der Ältere zum Zeitpunkt der Händel zwischen dem 11. Oktober und dem 7. November 2021 erst wenige Tage zuvor die strafrechtlich relevante Grenze zum 22. Lebensjahr überschritten hatte: Wäre der Verkauf der nicht als harte Drogen geltenden Substanzen vor dem 21. Geburtstag erfolgt, wäre auch eine Verurteilung nach Jugendstrafrecht infrage gekommen.
Über die von Anklage und Verteidigung angekündigte Strafmaßrevision müsste der Bundesgerichtshof in Karlsruhe entscheiden.