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„Pegeltrinker“Lohmarer Familienvater überfährt betrunken eine Fußgängerin auf der B 56 und flüchtet

Lesezeit 4 Minuten
Feuerwehrleute bauten einen Sichtschutz auf (Archivbild)

An dieser Stelle starb das Unfallopfer, eine 70-Jährige aus Heister. Der Unfallfahrer stand jetzt vor dem Siegburger Schöffengericht. (Archivbild)

Vor zwei Jahren starb eine 70-Jährige auf der B 56 in Heister. Der Unfallverursacher, ein junger Vater aus Lohmar, wurde jetzt verurteilt.  

Es war eine ungewöhnliche Gerichtsverhandlung: Sieben Stunden lang versuchte das Siegburger Schöffengericht, ein Unfallgeschehen auf der Bundesstraße 56 zu erhellen. Am Abend des 11. Januar 2023 überfuhr ein junger Familienvater mit seinem BMW eine 70-Jährige und beging Fahrerflucht. Die Fußgängerin starb noch an der Unfallstelle.  

Auf der einen Seite saß der 35-jährige Angeklagte mit seiner Verteidigerin. Gegenüber neben der Staatsanwaltschaft die Gerichtsmedizinerin, ein Verkehrsgutachter sowie die beiden Söhne der getöteten Frau als Nebenkläger mit ihrem Anwalt Dr. René Gülpen.

Der Angeklagte aus Lohmar stellte den Unfall als eine Verkettung unglücklicher Umstände dar

Wie konnte der Unfall geschehen, und wäre er vermeidbar gewesen? Dazu fand Gülpen klare Worte: Der Fahrer hätte sich gar nicht erst betrunken und berauscht hinter das Steuer seines BMW setzen dürfen, „und das wegen einer Lappalie“: Er wollte Gyros in einem Imbiss in Seelscheid  kaufen, knapp neun Kilometer von seiner Wohnadresse in Lohmar entfernt. Die Mutter seiner Mandanten sei „nicht ums Leben gekommen, sie ist von Ihnen getötet worden“.

Der Angeklagte und seine Anwältin stellten den Unfall hingegen als Verkettung unglücklicher Umstände dar. Er sei von einem entgegenkommenden Auto geblendet worden, habe plötzlich die Passantin vor sich auf der Fahrbahn gesehen und reflexartig nach links gelenkt. Vor dem Aufprall habe er die Augen geschlossen.

Danach sei er unter Schock nach Hause gefahren. Dort habe er das beschädigte Auto wegen seiner kleinen Tochter versteckt geparkt und sich seinen Eltern anvertraut, später rief seine Ehefrau die Polizei an und gab an: „Mein Mann ist gefahren.“

Einsatzkräfte begleiten die Unfallzeugin

Einsatzkräfte begleiten die Unfallzeugin, die unter Schock stand.

Wäre er einfach auf seiner Fahrspur geblieben, wäre nichts passiert, so der Sachverständige. Denn die Frau stand auf der Linksabbiegespur, wohl um den BMW passieren zu lassen und dann die Straße zu überqueren. Sie habe, wie jeden Abend, einen Spaziergang machen wollen, erzählte der Nebenklageanwalt. Der Angeklagte habe schlicht die falsche Entscheidung getroffen, meinte seine Verteidigerin. Er habe vermeiden wollen, rechts gegen den Bordstein zu lenken.   

Warum er nicht bremste, das blieb im Dunkeln. Sein Fahrverhalten sei typisch für Menschen unter Alkohol und Drogen, führte die Rechtsmedizinerin aus. 0,9 Promille hatte der BMW-Fahrer zum Tatzeitpunkt im Blut, dazu Hinweise auf Cannabis- und Amphetamin-Konsum. Diese Substanzen, so die Ärztin, beeinträchtigten die Fahrtüchtigkeit, bewirkten einen Tunnelblick und dass Entfernungen und Kurvenradien nicht mehr abgeschätzt werden könnten.

Unfallfahrer aus Lohmar zeigte sich im Prozess ungehalten

Mit dieser Erklärung zeigte sich der Angeklagte nicht einverstanden. Nicht berücksichtigt worden sei seine Alkoholgewöhnung, er sei schon seit zehn Jahren als „Pegeltrinker“ Auto gefahren, „aber das interessiert ja keinen“, sagte er ungehalten.  Die Nebenkläger und Zuhörer im Saal schüttelten den Kopf, auch weil der Angeklagte einige Jahre in der elterlichen Spedition als Berufskraftfahrer gearbeitet hat.    

Dass er nach dem Unfall davonraste und dabei sein Nummernschild verlor, schilderten mehrere Zeugen übereinstimmend. Drei Ersthelfer hatten sich um die Verletzte, die laut Gutachten mehrere Meter übers Auto hinweg durch die Luft geschleudert worden war, gekümmert und Erste Hilfe geleistet. Wenig später traf ein Rettungswagen ein. Doch jede Hilfe kam für die 70-Jährige zu spät.     

Der Angeklagte betonte, er sei vor dem Unfall lediglich Tempo 70 gefahren, so wie es erlaubt sei. Der Vorsitzende Richter Ulrich Wilbrand mahnte, an das Opfer zu denken. Er wies den BMW-Fahrer darauf hin, dass er nicht voll fahrtauglich gewesen sei und langsamer hätte fahren  müssen. 

Bei Dunkelheit wären die 70 Kilometer pro Stunde ohnehin nicht angemessen, sagte der Verkehrsgutachter. Fußgänger könnten, je nach Kleidung, zu spät gesehen werden: „Da muss man auf Sicht fahren.“ Die gelbe Jacke des Opfers hätte in dem Streulicht der Scheinwerfer wenig gebracht, helle Schuhe und Hose oder reflektierende Elemente seien sinnvoller.

Das Siegburger Schöffengericht verurteilte den 35-Jährigen zu einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung

Mit seinem Urteil ging das Schöffengericht weit über die Forderung der Staatsanwaltschaft, die auf sieben Monate auf Bewährung und eine dreimonatige Führerscheinsperre plädiert hatte, hinaus. Der bislang nicht vorbestrafte 35-Jährige wurde zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt.

Diese könne zur Bewährung ausgesetzt werden könne, da er nach dem Unfall eine Therapie gemacht und eine Arbeitsstelle habe, so das Gericht. Ihm wird ein Bewährungshelfer zur Seite gestellt, dessen Anweisungen er Folge leisten muss. Die Sperre des Führerscheins, den er noch in der Unfallnacht abgeben musste, wird um ein weiteres Jahr verlängert.

Ein BMW mit beschädigtem Blech und kaputter Frontscheibe

Der Unfallwagen (Archivbbild)

Ob er die Fahrerlaubnis wiederbekommt, das entscheidet das Straßenverkehrsamt. In der Regel ist bei Fahrten unter Alkohol und Drogen eine MPU fällig. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens, wozu auch die Zeugengelder für die sieben Zeugen und die Kosten der Nebenklage zählen.