Bonner VerkehrswendeNeues Ratsbündnis will autofreie Innenstadt
Bonn – Das neue Bündnis im Bonner Stadtrat hat insbesondere mit Blick auf Verkehr und Mobilität in den kommenden vier Jahren Großes vor. Unter allen verkehrspolitischen Einzelprojekten, die im Koalitionsvertrag des Viererbündnisses stehen – angefangen bei der weitgehenden Reservierung des Rheinufers in Höhe der Innenstadt für Fußgänger und Radfahrer, über den Ausbau von Fußgängerzone und Radwegenetz, den Neubau des heruntergekommenen Busbahnhofs, die Taktverdichtung für Busse und Bahnen bis zur seit Jahrzehnten diskutierten Verwirklichung einer neuen Straßenbahnlinie in den westlichen Bonner Stadtbezirk Hardtberg – sticht jedoch ein Projekt hervor: Bis 2025 soll eine autofreie Bonner Innenstadt geschaffen sein.
In dem Mitte Januar vorgestellten Vertragswerk beschreiben Grüne, SPD, Linke und Volt, das gesamte Areal, das von Kaiser-Karl-Ring, Bonner Talweg, Reuterstraße und Rhein begrenzt wird, als Innenstadt. Die gewünschte autofreie Zone legt sich damit wie ein breiter Gürtel um die Fußgängerzone im historischen Zentrum Bonns. Große Teile der Süd- und der Weststadt sowie der Stadtteile Gronau, Nordstadt und Bonn-Castell sind von dem Plan betroffen.
Nach Angaben der Bonner Stadtverwaltung wohnen in diesem Gebiet etwa 28.200 Menschen. Diese Bonnerinnen und Bonner nennen etwa 15.500 Pkw ihr eigen. Alle anderen Fahrzeuge hinzugerechnet, die von Bewohnern des Plangebiets angemeldet sind, kommt man, wiederum nach Zahlen der Stadtverwaltung, auf 24.500 Fahrzeuge. Das typische Straßenbild in den innerstädtischen Vierteln sind ein- oder beidseitig dicht an dicht mit Autos zugeparkte Straßenränder.
Das wissen natürlich auch die Bonner Koalitionäre, weshalb das Wort autofrei im Koalitionsvertrag wohl auch in Anführungszeichen gesetzt ist. „Autofrei heißt für uns: Durchgangsverkehr aus diesem Gebiet herausnehmen, also dafür sorgen, dass es weniger Belastung durch motorisierten Verkehr gibt und mehr Platz für die Menschen schaffen, die nicht motorisiert, also zu Fuß oder mit dem Rad, unterwegs sind", erläutert dazu Friederike Dietsch, umwelt- und verkehrspolitische Sprecherin der Grünen im Bonner Stadtrat.
Projekt soll im Dialog mit Bürgern verwirklicht werden
Natürlich sollten Krankentransporte, Lieferverkehr oder der ÖPNV weiter in diesem Innenstadtgebiet möglich sein. „Auch wer für den Besuch von Verwandten, die in der Innenstadt wohnen, auf das Auto angewiesen ist, soll das natürlich weiterhin tun können. Wir wollen das Auto nicht pauschal verteufeln", fügt Dietsch, die auch Vorsitzende des Ratsausschusses für Mobilität und Verkehr ist, hinzu. Aber der Straßenraum solle eben nicht mehr, wie es bisher der Fall sei, schwerpunktmäßig dem motorisierten Verkehr vorbehalten sein.
Das betont auch die Verkehrsexpertin der SPD im Stadtrat, Gabi Mayer. „Wir wollen den Straßenraum neu verteilen.“ 60 Prozent des öffentlichen Straßenraumes werde von motorisiertem Verkehr genutzt, wobei davon wiederum ein guter Teil schlicht von parkenden Autos blockiert werde. Erstes Ziel müsse deshalb sein, in dem innerstädtischen Areal eine durchgängige Parkraumbewirtschaftung einzuführen. Tatsächlich gibt es zwar in dem betroffenen Stadtteilen schon in vielen, aber längst nicht allen Straßen Anwohnerparken.
Dietsch wie Mayer betonen unisono, dass das gesamte Konzept nur „gemeinsam mit den Bürgern“ Schritt für Schritt besprochen und entwickelt werden könne. „Da soll nichts übergestülpt werden“, so Mayer. In diesem Dialog sei man freilich noch ganz am Anfang.
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Viel Dialog und Überzeugungsarbeit wird bei diesem Projekt wohl auch noch vor den Koalitionären liegen. Denn als eines der Fernziele bei der Umverteilung des Straßenraumes zulasten des Autoverkehrs streben die vier Fraktionen Quartiersgaragen an, große Parkhäuser, wo Anwohner ganzer Wohnblocks künftig ihre Autos abstellen sollen. Es ist nicht viel Fantasie nötig um sich vorzustellen, dass es nicht bei jeder Bewohnerin und jedem Bewohner auf Begeisterung stößt, wenn sie oder er künftig eventuell ein paar Hundert Meter zur Parkgarage zurücklegen muss, um zum Auto zu kommen, anstatt es mehr oder minder vor dem eigenen Wohnhaus stehen zu haben.
Unklar ist außerdem einstweilen, wieviel Prozent des Verkehrs in den betroffenen Straßen überhaupt auf den Durchgangsverkehr entfallen, den die Koalitionäre aus den Vierteln verbannen wollen. Zahlen dazu liegen der Stadtverwaltung nicht vor. Es existiert lediglich eine Verkehrszählung aus den Jahren 2018 bis 2020 für die Bonner Innenstadt, die im Zusammenhang mit dem Cityring um die Fußgängerzone veranlasst wurde.
Daraus geht hervor, dass viele Straßen der betroffenen Stadtviertel täglich von motorisiertem Verkehr in dreistelliger Höhe passiert werden. Wieviel davon allerdings Durchgangsverkehr ist und wieviel von Bewohnern der Viertel verursacht wird, bleibt offen.