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„Ihr Tod darf nicht umsonst sein“Bonnerin Savita Wagner wird in der Ukraine als Heldin gefeiert

Lesezeit 5 Minuten
Ein Soldat hält ein Foto von Diana Savita Wagner bei ihrer Beerdigung in den Händen.

Ein Soldat hält ein Foto von Diana Savita Wagner bei ihrer Beerdigung in den Händen.

Von Beginn des Krieges an riskierte Diana Savita Wagner ihr Leben für die Ukraine. Jetzt wurde sie im Fronteinsatz getötet.

Im Januar 2024 reiste Ula Wagner aus Bonn in die Ukraine, um ihre Tochter Savita zu besuchen. Zu diesem Zeitpunkt ahnte sie nicht, dass es das letzte Mal sein würde, dass sie ihre Tochter lebend sehen würde. Denn nur kurze Zeit später ist Diana Savita Wagner tot. Die 36-Jährige wurde im Fronteinsatz vom Splitter eine Mörsergranate am Hals getroffen.

Ihre Mutter Ula begreift erst nach und nach, was ihre Tochter genau in der Ukraine gemacht hat. Ihr erzählte Savita, sie arbeite 50 Kilometer von der Front entfernt und sei in Sicherheit. Wie gefährlich ihre Arbeit wirklich war, das behielt Savita Wagner für sich, nur ihr Ehemann Karl Stenerud war eingeweiht.

Bonnerin Savita Wagner: „Ich war nie ein Kriegstyp“

Aufgewachsen ist Savita in einem behüteten Elternhaus in Bonn. Ihre Mutter war Angestellte, der Vater Polizist. Dass sie jemals in einem Krieg dienen würde, hätten die Menschen aus ihrem Umfeld nie geglaubt. „Ich habe auch nie Kriegsfilme geguckt, ich war nie ein Kriegstyp“, erklärte Wagner in einem Gespräch mit der „Deutschen Welle“ (DW) im Herbst 2022.

Mit ihrem kanadischen Ehemann Karl Stenerud war sie im Sommer 2018 nach Halle an der Saar gezogen. Er arbeitete als IT-Spezialist, sie studierte nach einem abgebrochenen Medizin-Studium Mathematik, wollte ihren Abschluss machen.

Tag des russischen Angriffs verändert alles für Savita Wagner

„Nach Corona wollten wir eigentlich reisen, vielleicht ein Haus auf dem Land kaufen“, sagte Ehemann Karl im Interview mit ntv am 6. März 2024. Doch der 24. Februar 2022, der Tag des russischen Angriffs auf die Ukraine, änderte alles. Savita, die sonst die politisch war, habe nicht glauben können, was passierte. Sie sei schockiert gewesen, dass der Westen Russland einfach gewähren lasse.

Ukrainische Soldaten geben Diana Savita Wagner die letzte Ehre.

Ukrainische Soldaten geben Diana Savita Wagner die letzte Ehre.

Karl Stenerud erinnert sich: „Sie sah die Bilder und Savita sagte: ‚Wir können das nicht passieren lassen, Deutschland sollte von allen Ländern am besten wissen, dass man Imperialismus stoppen muss. Und wenn der Westen nichts tut‘, sagte sie, ‚dann muss ich etwas tun.‘“

Savita Wagner reist mit medizinischen Gütern in die Ukraine

Savita Wagner traf eine impulsive Entscheidung. Mit einem Auto reiste sie in die Ukraine, um humanitäre Hilfe zu leisten. Das war im März 2022, also nur einen Monat nach dem Angriff Russlands. Doch sie wollte mehr machen, als nur medizinische Güter zu liefern.

Ihr angefangenes Medizinstudium war offenbar „gut genug für die Frontlinien-Medizin“, so Savita Wagner damals gegenüber der DW. Sanitäter wurden dringend gebraucht.

Savita Wagner landet nach Kriegsbeginn als Infanteristin im Schützengraben

Doch die Deutsche musste nach zwei Monaten Grundausbildung direkt mitten durch die Kriegshölle. Im Juni 2022 wurde sie an die Front in den Nordosten der Ukraine verlegt – nicht als Sanitäterin, sondern als Infanteristin. Vermutlich ein Fehler im Chaos der ersten Kriegsmonate.

Ukrainische Soldaten bei einem militärischen Training in einem Schützengraben zu Beginn des Ukraine-Krieges 2022.

Ukrainische Soldaten bei einem militärischen Training in einem Schützengraben zu Beginn des Ukraine-Krieges 2022.

„Wir waren rund um die Uhr an der Frontlinie“, berichtete Wagner von ihren ersten Wochen in den Schützengräben, bevor sie als Sanitäterin eingesetzt wurde. „Du bist in so einem Wald, mitten im Nirgendwo. Du hast keine Nachtsichtgeräte oder nur ein Nachtsichtgerät für fünf oder acht Leute. Irgendwo knallt was, dann schießt du in die Richtung der Russen – als Unterdrückungsfeuer.“

Bonnerin rettet etlichen Soldaten das Leben

Als Frontsanitäterin zog sie anschließend Soldaten aus den Schützengräben, immer wieder, unter Einsatz ihres eigenen Lebens. Zwischen den Einsätzen kam sie in dem Haus eines alten Mannes in Lyman unweit der Frontlinie unter. Kein Strom, kein fließendes Wasser: Auch hier ging es täglich ums Überleben.

„Sie erzählte mir, dass sie einmal von einem Einsatz zurückkam und der alte Mann stand nur da und sagte zu ihr: ‚Danke!‘ Das bedeutete ihr so viel, denn das war der Grund, warum sie da war, um die Menschen zu verteidigen“, erinnert sich Witwer Karl gegenüber ntv. Für ihn sei die Zeit schrecklich gewesen, er habe teils tagelang nicht gewusst, ob seine Frau noch lebte.

Savita Wagner wird in der Ukraine als Heldin gefeiert

Doch er habe auch immer gewusst: „Das hier ist größer als wir.“ Und er glaube auch nicht, dass er sie davon hätte abhalten können, es sei ihr einfach zu wichtig gewesen. „Es war immer ihr innerer Antrieb gewesen, anderen zu helfen.“

Ula Wagner am offenen Sarg ihrer Tochter bei der Beisetzung in Kiew.

Ula Wagner am offenen Sarg ihrer Tochter bei der Beisetzung in Kiew.

Im Februar 2024 reiste Ula Wagner erneut in die Ukraine. Doch dieses Mal nicht für ein Treffen. Es ist der schwerste Moment ihres Lebens. Sie muss ihre Tochter beerdigen. Savita wird am Valentinstag beerdigt, ein besonderer Tag in der Ukraine. Auch der Ort ist ein besonderer, die St. Michaelskathedrale in Kiew. Hier bestattet zu werden, ist eine Ehre.

Mutter will Arbeit ihrer Tochter fortsetzen: „Wenn alles umsonst gewesen sein soll“

Ihre Tochter habe sehr viele Leben gerettet, sagt man Ula Wagner am Grab ihrer Tochter. „Dieser Soldat kam auf dem Friedhof auf mich zu und sagte mir, er könne hier nur sein, weil Savita sein Leben gerettet hätte“, erinnert sich Wagner. „Es war so ergreifend, zu erfahren, dass sie von den Soldaten geliebt wurde, dass sie sehr anerkannt war, das war so spürbar. Und das hilft mir, das Entsetzen so ein bisschen in den Hintergrund zu rücken.“

Sie ist entschlossen, die Arbeit ihrer Tochter fortzusetzen. Nicht an der Front, aber sie will die Ukraine unterstützen, mit anderen Mitteln. „Wenn alles umsonst gewesen sein soll, wenn all die Gefallenen und der Tod meiner Tochter umsonst gewesen sein sollten, das fände ich das Grausamste überhaupt.“