Frauen in Tunesien erschossenFamilie kämpft nach zwei Jahren noch um Aufklärung
Bonn – „Wir geben nicht auf“, sagt Fadhila Dalhoumi. Ihre Stimme klingt kämpferisch. „Auch wenn die tunesische Regierung darauf setzt, dass uns irgendwann die Luft ausgeht.“
Zwei Jahre sind vergangen, seit ihre 21-jährige Nichte Ahlem und deren drei Jahre jüngere Cousine Ons auf einer unwegsamen Landstraße nahe der tunesischen Stadt Kasserine von Polizisten erschossen wurden.
Zwei Jahre, in denen die tunesischstämmige Familie aus Bonn unermüdlich um die Aufklärung des Dramas kämpft. Am Freitag findet im „Migrapolis-Haus der Vielfalt“ in Bonn zum dritten Mal eine Gedenkfeier für die beiden getöteten Frauen statt.
Die Feier stehe „nicht nur für das Gedenken an zwei wundervolle Personen, sondern auch für die Gerechtigkeit“.
Ahlem, die in Bielefeld Jura studiert, ihre Schwester Sondes und Yasmin, eine Cousine aus Bonn, sind auf Familienbesuch in Kasserine, als sie und vier tunesische Freunde, Cousins und Cousinen am 23. August 2014 gegen Mitternacht mit dem Auto in eine Polizeikontrolle geraten. Plötzlich fallen Schüsse, Ahlem und Ons werden tödlich getroffen, Yasmin und ein Freund durch Kugeln verletzt.
Das tunesische Innenministerium schiebt zunächst der Fahrerin des Wagens, der damals 27-jährigen Sondes, die Schuld an dem Vorfall in die Schuhe.
Man habe die jungen Leute für Terroristen gehalten. Sondes sei zu schnell gefahren und habe Vollgas gegeben statt zu stoppen, als sie zum Halten aufgefordert worden sei. Die junge Frau bestreitet die Vorwürfe bis heute.
Wenig später rudern die Behörden zurück. Ein Untersuchungsausschuss wird eingerichtet, im Januar 2015 werden zwei verdächtige Polizeibeamte festgenommen. In ihren Waffen fehlen mehrere Kugeln, doch beide bestreiten, vorsätzlich geschossen zu haben. Inzwischen befinden sie sich wieder auf freiem Fuß.
Keiner der Täter sei bislang vor Gericht gestellt worden, beklagt Fadhila Dalhoumi den schleppenden Fortgang der Ermittlungen. Mittlerweile sei der Fall in Tunesien an den vierten Staatsanwalt übergeben worden, die dortige Regierung habe keines ihrer zahlreichen Versprechen gehalten.
Die Bonner Staatsanwaltschaft hat inzwischen Teile der Ermittlungsakten aus Tunesien erhalten.
Die tunesischen Ermittler wiederum haben Protokolle von Zeugenvernehmungen sowie ein Projektil angefordert, das der verletzten Yasmin in Deutschland aus der Schulter operiert wurde.
„Die Behörden zeigen sich kooperativ“, mehr möchte Staatsanwalt Robin Faßbender zu dem Fall Dalhoumi nicht sagen. Und: „Wir warten auf weitere Erkenntnisse der tunesischen Behörden.“
Der Bonner Rechtsanwalt Michael Hakner zeigt sich indes zufrieden mit der Arbeit der tunesischen Polizei. „Das ist ordentlich gelaufen.“
Der Rechtsbeistand der Familie Dalhoumi hat sich am gestrigen Donnerstag zum ersten Mal mit seinem tunesischen Kollegen zusammengesetzt, der eigens zur Gedenkfeier nach Deutschland gereist ist.
„Jetzt ist die Frage, wie es weitergeht. Ob das Verfahren genauso ordentlich weiter betrieben wird.“ Hakner hofft das. Sicher ist er nicht.