Joseph Ratzinger hatte einen Lehrstuhl in Bonn und lebte in Rüngsdorf. Der Stadt Bonn blieb er immer verbunden.
In Godesberg gewohntBenedikt XVI.: In Bonn begann sein Weg nach Rom
„Kinder, der Papst kommt nach Bonn“: Mit diesen Worten leitete der damalige Bonner Stadtdechant und Münster-Pfarrer Wilfried Schumacher ein Pressegespräch ein, in dem er berichtete, dass der Heilige Vater anlässlich des in Köln stattfindenden XX. Weltjugendtages 2005 (WJT) die Bundesstadt besuchen werde.
Benedikt XVI., gerade frisch zum Papst gewählt, kam in jenem warmen Sommer, in dem Jugendliche aus aller Welt das Rheinland mit ihrer Fröhlichkeit begeisterten, aber nur kurz nach Bonn, kürzer als es Monsignore Schumacher erwartet hatte.
Bonner schenkten Benedikt XVI. die längste Geburtstagskarte der Welt
Einige Tausend Bürger hatten sich auf der Adenauerallee versammelt, um den Papst zu sehen, der sich in der Villa Hammerschmidt zum Gespräch mit Bundespräsident Horst Köhler traf. Die Zuschauer sahen eine schwarze Limousine vorfahren, einige erzählten später, sie hätten wenigstens den Schatten des Papstes wahrgenommen, der kurz gewinkt habe.
Der Stadtdechant bekam mehr zu sehen. Gemeinsam mit Bonns Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann war er Gast eines Empfangs Benedikts in Köln für Organisatoren des WJT.
Das zweite Mal, erzählte Wilfried Schumacher im Gespräch mit dieser Zeitung, habe er den Papst im Jahr 2007 getroffen. Zu dessen 80. Geburtstag hatten Bonner Bürger eine 136 Meter lange Geburtstagskarte zusammengestellt, „die längste Geburtstagskarte der Welt“, wie seinerzeit die Pressestelle des Stadtdekanats stolz verkündete.
Schumacher und OB Dieckmann leiteten eine Delegation aus der Bundesstadt, die Benedikt das Geschenk während der Generalaudienz auf dem Petersplatz überreichte. Dabei kam es zu einem kurzen Gespräch, in dem der Papst „im rheinischen Dialekt“, wie sich Pfarrer Schumacher erinnert, erzählt habe, er habe „nicht in Bonn, sondern in Jodesberg“ gelebt.
In Rüngsdorf lebte Ratzinger in einer 95 Quadratmeter großen Wohnung
Dort, in der Wurzerstraße 11 im Ortsteil Rüngsdorf, bezog er 1959 mit seiner Schwester Maria, die ihm den Haushalt führte, eine 95 Quadratmeter große Wohnung im ersten Stock. In diesem Jahr war Joseph Ratzinger Inhaber des Lehrstuhls für Fundamentaltheologie an der Katholischen Fakultät der Universität Bonn geworden.
Der Titel seiner Antrittsvorlesung lautete „Der Gott des Glaubens und der Gott der Philosophen“. Weitere Vorträge machten ihn bundesweit bekannt, und Kenner Ratzingers sagen, dass in Bonn sein Weg nach Rom begann.
Zunächst nahm der 32-jährige Professor Quartier im Theologenkonvikt Albertinum an der Adenauerallee, ehe er nach Godesberg umzog. Die heilige Messe las er täglich in der Kirche St. Augustinus im Norden des Stadtbezirks; ein Schild neben der Tür erinnert dort an den prominenten Zelebranten.
Auch im Bonner Münster feierte er Gottesdienste, und zwar an einem kleinen Altar rechts vom Hochaltar, unweit vom Eingang zur Sakristei. Mit dem Münster blieb Benedikt XVI. weiter verbunden: 2016, drei Jahre nach seinem Amtsverzicht, unterstützte er einen Spendenaufruf für die Sanierung der Basilika.
Sein ehemaliger Student Norbert Blüm, der spätere Bundesarbeitsminister, machte ihn bei einem Besuch in Rom auf den Zustand der Stadtkirche aufmerksam, deren Renovierung 2023 abgeschlossen wird.
In der Wirtschaft „Zur Erholung“ in Bonn-Beuel gab es russische Eier
Professor Ratzinger, der 1963 von Bonn auf einen Lehrstuhl nach Münster wechselte, galt als hilfsbereit und leutselig. Mit seinen Studenten soll er öfters in der Beueler Gastwirtschaft „Zur Erholung“ eingekehrt sein und „Russische Eier“ bestellt haben, eine rheinische Spezialität aus halbierten Eiern, die mit Remoulade oder Mayonnaise sowie Kapern, Rogen und Lachsersatz belegt werden.
In seinen „Erinnerungen 1927-1977“ schrieb Kardinal Ratzinger, er verspüre Heimweh nach Bonn, die Jahre dort seien seine „erste Liebe“ gewesen.