AboAbonnieren

Schon BER fertiggestelltBonn will Bau-Experten für Sanierung der Beethovenhalle

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt

Um Jahre verspätet und viel teurer ist die Sanierung der Beethovenhalle.

Bonn – Wenn im Wilden Westen etwas zu regeln war, wurde Wyatt Earp geholt. Dann setzte der US-Marshal seinen schwarzen Stetson auf, steckte sich den Stern an die Weste, schnallte sich seine Buntline Special um, einen Colt mit extra langem Lauf, und sorgte für Ruhe. Auch die Stadt Bonn hat jetzt einen solchen Mann fürs Grobe engagiert, um die Ordnung auf der Chaos-Baustelle der Beethovenhalle wiederherzustellen. Ihr Wyatt Earp heißt Steffen Göbel und ist Geschäftsführer der „Berliner Häuser Baumanagement GmbH“.

„Störungsfrei zu Ende bauen“

Das Unternehmen soll laut Stadt einen „Neustart“ ermöglichen, damit die Halle „erfolgreich fertig geplant und störungsfrei zu Ende gebaut werden kann“. Oberbürgermeisterin Katja Dörner (Grüne) hat am Freitag eine Dringlichkeitsentscheidung für die Bestellung der Berliner Firma getroffen; die Ratsfraktionen haben bis Dienstag, 10 Uhr, Zeit, sich dazu zu äußern. Danach wird die notwendige zweite Unterschrift eines Ratsmitglieds eingeholt. Am 25. August soll der Rat den Beschluss absegnen.

Seit 2016 wird die unter Denkmalschutz stehende Halle saniert, rund 60 Millionen Euro waren dafür angesetzt worden. 2019, passend zum Beethovenjahr 2020, sollte die Arbeit abgeschlossen sein. Jetzt ist die Rede von April 2025 und die Kosten werden auf 195 Millionen Euro geschätzt. Das Beethoven Orchester Bonn hat seit sechs Jahren keine geeignete Spielstätte mehr.

Zum Baustart war die Planung nicht fertig

Die Gründe für das Desaster sind vielfältig, hier nur einige davon: Bei Baubeginn war die Planung nicht abgeschlossen; der Untergrund der in den 50er Jahren auf den Fundamenten der 1944 zerbombten Uni-Frauenklinik errichteten Beethovenhalle wurde nicht genau untersucht. Deswegen gab es massive Verzögerungen bei den Gründungsarbeiten, so dass Baufirmen kündigten, weil es anderswo lukrativere Aufträge gab. Bei der Installation der Lüftungsanlage unter dem Hallendach wurde festgestellt, dass die Kuppel die Konstruktion nicht tragen konnte, auch hier wurde nachgebessert.

Stadtdirektor Wolfgang Fuchs, der innerhalb der Stadtverwaltung anfangs die Verantwortung für das Projekt hatte, gab sie schnell wieder ab, als er das Ausmaß der Probleme sah. Der Leiter des Städtischen Gebäudemanagements (SGB), Lutz Leide, der Ende 2019 mit viel Verve ans Werk gegangen war, scheiterte ebenfalls: Er wurde vor wenigen Wochen abgefunden, sein Vertrag endete zum 30. Juni im gegenseitigen Einvernehmen.

Stadt und Architekten streiten über Honorar

Über allem schwebt ein Honorarstreit mit dem verantwortlichen Architektenbüro Nieto Sobejano Aquitectos GmbH (NSA) und dem Planungsbüro für die Technischen Gewerke Kofler Energies Ingenieurgesellschaft mbH. Sie haben wegen angeblicher Mehrarbeit Honorarnachforderungen in Millionenhöhe gestellt.

Baustopp gefordert

Angesichts der Vorkommnisse um die Beethovenhalle haben die Bürger für Beethoven eine „Umkehr“ bei dem Projekt gefordert. Vereinsvorsitzender Stephan Eisel erneuerte am Freitag seinen Vorschlag, dass die Stadt die gescheiterte denkmalgerechte Sanierung stoppe, da bisher nur 40 Prozent der geplanten Bausumme verbaut und weitere 35 Prozent verplant, aber stornierbar seien.Dann solle die Mehrzweckhalle in ein neues „Haus der Musik“ mit Opern- und Konzertsaal integriert werden. (dbr)

NSA hat deshalb zusammen mit dem von ihm als Subunternehmer engagierten Baustellensteuerer Leitwerk AG die Arbeit niedergelegt, wie Stadtsprecherin Barbara Löcherbach bestätigte. Die Stadt will den Knatsch um die Vergütung mit einem Schiedsverfahren vom Tisch bringen, wartet aber nach eigenen Angaben noch auf die Vorschläge des Gutachters. Sie ist indes zuversichtlich, sich „zügig“ über die Honorardifferenzen zu einigen.

Beteiligt an Elbphilharmonie und BER?

In dieser Gemengelage soll nun Hilfe aus Berlin kommen. Die beauftragte Firma ist laut Stadt spezialisiert auf „diffizile Bauprojekte“. Im Internet wirbt die „Berliner Häuser Baumanagement GmbH“ damit, sie meistere die „Revitalisierung großer Immobilienprojekte mit großem Engagement. Dabei nehmen wir jede Herausforderung an“. Geschäftsführer Steffen Göbel, ein gelernter Zimmermann, der sich also auf dem Bau auskennt, soll „entscheidend“ an der Fertigstellung der Elbphilharmonie in Hamburg und des Berliner Flughafens BER beteiligt gewesen sein – beides Objekte mit aus dem Ruder gelaufenen Finanz- und Zeitplänen.

OB Dörner sagte gestern, „angesichts der vertrackten Situation bei der Beethovenhalle“ müsse es darum gehen, „den Knoten endlich zu durchschlagen“. Der Schlag ist der Stadt 250.000 Euro brutto wert; so viel Geld für „Unterstützungsleistungen“ sollen die Nothelfer von der Spree bekommen. Dafür müssen sie die aktuelle Projektlage analysieren und in sechs bis acht Wochen konkrete Entscheidungen für den weiteren Weg der Beethovenhalle vorbereiten. Zudem soll Göbels Team binnen zwei Monaten einen belastbaren Terminplan erarbeiten und mögliche Strategieanpassungen umsetzen.

Trotz der Arbeitsniederlegung von NSA und Leitwerk ruht die Baustelle nicht. Laut Stadtsprecherin Löcherbach laufen Arbeiten an Dach und Fassade und im Rohbau weiter, nach der Sommerpause solle es auch mit den technischen Gewerken Lüftung, Sanitär, Heizung und Kältetechnik vorangehen.