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Sicherheit in BonnKriminaldirektor Göbel: „Der Hofgarten ist besonders im Fokus“

Lesezeit 6 Minuten

Den Stadtteil Tannenbusch und den Hofgarten hat die Polizei wegen der Drogenszene besonders im Blick: Kriminaldirektor Martin Göbel, stellvertretender Leiter der Direktion Kriminalität, äußert sich im Interview.

  1. Kriminaldirektor Martin Göbel ist Leiter der Kriminalinspektion 1 und stellvertretender Leiter der Direktion Kriminalität
  2. Im Interview spricht er über die Sicherheitslage in Bonn und verrät, welche Quartiere besonders im Fokus stehen.
  3. Die Strafzahlen in NRW gehen in der vergangenen Jahren zurück. Wie passt das zum Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung?

Bonn – Kriminaldirektor Martin Göbel ist Leiter der Kriminalinspektion 1 und stellvertretender Leiter der Direktion Kriminalität. Unser Redakteur Carsten Schultz sprach mit ihm über die Sicherheitslage im Zuständigkeitsbereich des Bonner Polizeipräsidiums.

Herr Göbel, meine Stieftochter ist kürzlich abends alleine durch den Hofgarten zum Alten Zoll gegangen, um Freunde zu treffen. Musste ich mir als Elternteil Sorgen machen?

Göbel: Nicht mehr als an jedem anderen Platz in Bonn auch.

Aber der Hofgarten ist ein Drogenumschlagplatz.

Im Hofgarten werden Drogen verkauft, ja, wie an anderen Orten in Bonn auch. Aber wir begegnen dem natürlich auch. Auf den Hofgarten oder den Tannenbusch haben wir einen besonderen Fokus. Der Hofgarten ist ein Ort, an dem wir mit Präsenzmaßnahmen unterwegs sind. Zum einen, weil uns Straftaten gemeldet wurden und Bürgerbeschwerden vorliegen, zum anderen behalten wir natürlich auch im Blick, inwieweit wir durch die Baumaßnahmen am Bonner Loch einen Verdrängungseffekt haben.

Was macht die Polizei konkret?

Wir sind mit uniformierten Kräften unterwegs, auch mit zivilen Kollegen. Und wir haben eine begleitende Komponente aufgebaut mit Ermittlungsgruppen, die entsprechend zusammenwirken und räumlich zusammen untergebracht sind.

Wie stark sind diese Ermittlungsgruppen?

Dazu möchten ich keine Angaben machen. Aber deren Stärke ist der Kriminalitätslage angepasst. Wir haben als Behörde schon länger einen Schwerpunkt in Tannenbusch, der andere Schwerpunktbereich ist der Hofgarten, wo in der Regel Cannabisprodukte verkauft werden. Und es ist durchaus so, dass von den Dealern Jugendliche als sogenannte Läufer eingesetzt werden, die sich möglicherweise ein „Taschengeld“ verdienen wollen. Nur: Das sollte man nicht verharmlosen! Das ist nicht mit Brötchen verteilen als Ferienjob zu vergleichen, sondern das ist kriminell! Wenn wir die Leute bei unseren Maßnahmen abgreifen, dann wird der Drogenhandel von der Staatsanwaltschaft entsprechend verfolgt.

Verlagerung der Szene vom Bonner Loch

Haben Sie aktuelle Zahlen für den Hofgarten?

Die kann ich Ihnen leider jetzt so nicht geben. Wir erheben aber die Kriminalitätslage im Bereich des Hofgartens sehr genau, die Orte an denen Straftaten passieren, sind uns bekannt.

Und hat sich die Szene vom Bonner Loch, das gerade mit dem Projekt „Urban Soul“ überbaut wird, zum Hofgarten verlagert?

Das lässt sich so generell nicht sagen. Das verteilt sich, auf den Hofgarten, aber zum Beispiel auch auf den Omnibusbahnhof oder das Brassertufer, wo wir dann auch präsent sind.

Im Stadtteil Tannenbusch gab es in den vergangenen Jahren viele, zum Teil spektakuläre Razzien der Bonner Polizei. Ist das ein erfolgreiches Vorgehen? Oder wird die Szene nur verdrängt?

In Tannenbusch haben wir eine Klientel, die Polizeimaßnahmen kennt. Wenn wir also beispielsweise mit einem Mannschaftswagen der Bereitschaftspolizei reinfahren, dann wissen die Jungs sofort Bescheid, die Drogen werden schnell versteckt oder einfach weggeworfen, und wir können die Dinge nicht mehr zuordnen. Das heißt: Wenn Sie was erreichen wollen – und wir wollen etwas erreichen –, dann müssen Sie erfinderisch sein. Und wir haben Kollegen, die das sind. Deshalb sind wir beispielsweise im vorigen Jahr in einem Linienbus in Tannenbusch angefahren und konnten entsprechend schlagartig vorgehen...

Laut Kriminalstatistik des Bonner Präsidiums kamen 2018 bei Durchsuchungs- und Festnahmeaktionen in Tannenbusch 26 Verdächtige in Haft. Die Ermittlungsgruppe führte demnach Ermittlungsverfahren gegen 502 Tatverdächtige...

Unser Vorgehen entfaltet Wirkung! Und wir haben auch Rückmeldungen von den Bürgern bekommen, die sagten: Gut, dass ihr da was macht.

In der Kriminalstatistik 2018 wurde für das Bonner Präsidium auch mit 37.153 Straftaten der niedrigste Stand seit 1996 vermeldet – ist das der Arbeit der Polizei zu verdanken?

Ja (schmunzelt).

Nur ihr?

Positiver Trend in Bonn und NRW

Generell haben wir im Land NRW eine positive Entwicklung, und das scheint sich 2019 auch so fortzusetzen. Das ist natürlich auch auf unsere Arbeit zurückzuführen. Aber wenn Sie sich die Zahl der Wohnungseinbrüche ansehen...

..die in unserer Region lange vor allem auch Menschen in den ländlicheren Gegenden im linksrheinischen Rhein-Sieg-Kreis und im Siebengebirge große Sorgen bereiteten...

.., wo die Zahlen aber in ganz Nordrhein-Westfalen zurückgegangen sind, dann ist das auch auf die Strategie des Landes zurückzuführen, die einen Schwerpunkt auf die Bekämpfung der Wohnungskriminalität gelegt hat. Wir haben bei dem Thema flächendeckend über Behörden- und Landesgrenzen hinweg gearbeitet, haben die Bekämpfung des Wohnungseinbruchdiebstahls als Behördenschwerpunkt gewählt und entsprechend intensive Maßnahmen durchgeführt. Das führt zu den positiven Entwicklungen. Und wir hier in Bonn haben ja zwei großen Serien-Taten aufklären können, was sich entsprechend auf die Fallzahlen auswirkt.

Der sogenannte Einbruchsradar der Bonner Polizei hat in der Zeit vom 30. Juli bis zum 4. August nur sechs vollendete Einbrüche aufgeführt. Diese Zahl im Sommer sagt nichts aus, oder?

Wenn Sie bei den Einbrüchen Winter und Sommer vergleichen, dann gibt es im Winter immer mehr Einbrüche als im Sommer. Dieser Trend ist auch in diesem Jahr da. Insgesamt ist die Entwicklung in dem Bereich Wohnungseinbrüche zwar gut, aber wir können keine Entwarnung geben. Wir haben immer noch viele Einbrüche, und jeder einzelne ist einer zu viel.

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