Seilbahn über den RheinBonns Stadtbaurat: „Wir prüfen die Argumente der Gegner“
- 2028 soll eine lang gehegte Idee Wirklichkeit geworden sein: Eine Seilbahn über den Rhein in Bonn.
- Täglich könnte das neue Verkehrsmittel als Bestandteil des ÖPNV knapp 15.000 Fahrgäste transportieren.
- Wir haben mit Bonns Stadtbaurat Helmut Wiesner über den Zeitplan, die Kosten und die nächsten Schritte gesprochen.
Wir sind im Herbst 2022. 2028, also in fünfeinhalb bis sechs Jahren soll die Seilbahn von Ramersdorf über den Rhein zum Klinikgelände auf dem Venusberg fahren. Das wäre für ein solch großes Infrastrukturprojekt eine sehr schnelle Realisierung. Klappt das?
Stadtbaurat Helmut Wiesner: Gute Frage. Stellen Sie die nächste. Danach werde ich immer wieder gefragt: Wann können wir mit der Seilbahn fahren? Die Perspektive, die Sie genannt haben, ist theoretisch realistisch. Aber man kann sie nicht gesetzt verkünden. Das liegt an den vielen Unbekannten im Prozess: Insbesondere das Planfeststellungsverfahren. Die Genehmigungsbehörde ist die Bezirksregierung. Wir können nicht steuern, wie lang dieses Genehmigungsverfahren dauert.
Es gibt außerdem einen Beteiligungsprozess, Stellungnahmen, die verarbeitet werden müssen. Das ist nicht kalkulierbar. Und es gibt eine Klagemöglichkeit. Auch das kann Zeit kosten. Unter dem Vorbehalt, dass alles optimal läuft, ist das eine realistische Perspektive.
Liegt das Projekt bisher im Zeitplan?
Es gibt im jetzigen Projektstadium keinen harten Zeitplan. Die Schritte, die gegangen werden müssen, sind klar. Bisher ist kontinuierlich am Projekt gearbeitet worden. Die standardisierte Bewertung haben wir 2018 gestartet. Das Ergebnis lag Ende 2021 vor. Hätten wir vorher einen Zeitplan aufgestellt, hätten wir nicht gedacht, dass das so lange dauert.
Täglich bis zu 15.000 Passagiere
Die Bonner Seilbahn - technische Daten
Die Bonner Seilbahn soll täglich knapp 15.000 Menschen transportieren und damit das tägliche Verkehrschaos lindern, das sich zur Rushhour auf dem Weg den Venusberg hinauf und hinunter abspielt. Die insgesamt 95 Kabinen mit zehn Sitzplätzen sollen pro Stunde 1500 bis 1800 Fahrgäste befördern bei täglich 17 Stunden Betriebszeit. Die Fahrtzeit zwischen Schießbergweg in Ramersdorf und Uniklinikum auf dem Venusberg soll weniger als 20 Minuten betragen. (ps)
Eine Kabine alle 24 Sekunden
An den Haltestellen sollen alle 20 bis 24 Sekunden Kabinen ankommen. Für die Trasse werden insgesamt 34 im Durchschnitt 28 Meter hohe Stützen errichtet. Die höchste Stütze wird 50 Meter hoch sein und am Endhaltepunkt auf dem Venusberg stehen.
Der Bau der Seilbahn soll etwa 66 Millionen Euro kosten (Stand: 2019), wobei in diese Summe bereits ein 30-prozentiger Zuschlag mit Blick auf Preissteigerungen für Material und Arbeit eingerechnet ist. Die Stadt Bonn müsste davon allerdings nur einen Teil selbst tragen, etwa elf Millionen Euro. Der größte Teil der Investitionen wäre über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz förderfähig.
Das hatte damit zu tun, dass es eine standardisierte Bewertung für Seilbahnen bis dahin gar nicht gab. Wir mussten mit dem zuständigen Landdesministerium, später auch dem Bundesministerium die Faktoren abstimmen, die in die Bewertung eingegangen sind. Es hat Zeit gekostet, weil wir mit dem Projekt Pioniere sind. Wir wissen die Schritte, die Reihenfolge.
Vor einigen Monaten hatten Sie selbst noch 2027 als möglichen Start des Projektes genannt, jetzt steht in den städtischen Unterlagen 2028. Wie kommt das?
Dafür gibt es keinen konkreten Grund. Wir haben in den vergangenen zwölf Monaten wichtige Meilensteine in sehr kurzer Zeit nehmen können. Das war das gute Ergebnis der volkswirtschaftlichen Betrachtung. Das war der Regionalratsbeschluss im Frühjahr zur Aufnahme in den ÖPNV-Bedarfsplan des Landes und das war kurz vor der Landtagswahl der Finanzierungsbeschluss des Landtags.
An welchem Entwicklungspunkt sind Sie aktuell mit dem Projekt?
Aktuell werden viele Gutachten und Untersuchungen beauftragt.
Wann sind die fertig?
Wir müssen erstmal die Auftragnehmer finden und eine Einschätzung bekommen, wie lange die dafür brauchen. Wir müssen uns zum Beispiel nochmal die Windsituation genau ansehen. Die konkrete Entwurfsplanung wird weiter modifiziert. Daran anknüpfend kommt eine Schallimmissionsbetrachtung. Da wird geklärt, ob es irgendwo kritische Immissionspunkte gibt oder nicht und wie wir darauf reagieren müssen. Wir werden Artenschutzuntersuchungen machen müssen. Die brauchen immer Zeit, weil man ein ganzes Jahr beobachten muss. Das sind alles Untersuchungen und Ergebnisse, die wir für die Antragstellung brauchen.
Wann geschehen die?
Wie gesagt: Gehen Sie davon aus, dass wir das Jahr 2023 brauchen, um den Antrag auf Planfeststellung vorzubereiten.
Wann rechnen Sie mit dem Beginn der Bauarbeiten?
Das können wir erst sagen, wenn die Genehmigung da ist. Was die Dauer der Arbeiten betrifft: Die 1,5 Jahre Bauzeit sind die Einschätzung unseres Seilbahnplaners. Der hat diese Einschätzung aus anderen Projekten abgeleitet. Wenn wir anfangen zu bauen, wissen wir aber auch nicht, ob nicht vielleicht Lieferketten unterbrochen sind.
Was erwarten Sie von den „Bonn-bleibt-seilbahnfrei“-Gegnern des Projektes?
Wir befassen uns sehr ernsthaft mit den Argumenten dieser Initiative, etwa mit dem Thema Wind. Wir nehmen all diese Argumente auf und arbeiten die Themen ab. Auch die Frage, ob man am Venusberg überhaupt standsicher eine Stütze bauen kann. Das wird untersucht. Wir haben keine Zweifel daran, dass das geht. Aber wir prüfen die Argumente. Wir haben vieles schon ausräumen können. Die Argumente gegen die Seilbahn, die noch vorgebracht werden, haben sich deutlich reduziert.
Wie laufen Ihre Gespräche mit der Firma Haribo, die der einzigen Privateigentümer ist, dessen Gelände vom Verlauf der Seilbahntrasse betroffen sein wird?
Die Gespräche sind schon vor einiger Zeit geführt worden. Da hat man uns zugesagt, dass wir das Gelände überfliegen dürfen. Natürlich geht das Unternehmen davon aus, dass sein Betrieb davon nicht beeinträchtigt wird. Das können wir sicherstellen. Das gilt auch für das Gelände der Universitätsklinik Bonn. Die Uniklinik spricht sich seit langem für das Projekt aus, aber das ist ja auch kein städtisches Grundstück. Genau wie mit Haribo müssen wir das im weiteren Verfahren dingfest machen.
Fließt da Geld?
Bisher fließt da kein Geld. Ich kenne keine Forderung der Firma Haribo dahingehend. Wir kaufen uns nicht bei Haribo ein, um das ganz klar zu sagen. Aber wie jeder Privatbesitzer sonst auch wird Haribo schauen, inwieweit der Wert des Grundstücks durch die Seilbahn beeinträchtigt wird. Das ist ein normales Verfahren. Wenn eine Wertminderung festgestellt wird, bestünde eventuell Anspruch auf Entschädigung. Die müssten wir dann zahlen.
Wieviel kostet das Projekt?
66 Millionen Euro netto ist die Ausgangsgröße aus 2019. Die Zahl wird heute so nicht mehr richtig sein, weil die Baukosten generell gestiegen sind. Wir werden, wenn wir die Genehmigung haben, zu den dann geltenden Marktkosten bauen. Die Kosten werden logischerweise höher sein.
Wieviel davon zahlt die Stadt?
Die Förderung wird vom Bund und Land kommen. Die Förderhöhe wird 75 bis 95 Prozent der förderfähigen Kosten betragen, also zum Beispiel nicht die Gondeln, weil die nach Lesart des Fördergebers als Fahrzeuge gelten und die werden nicht gefördert.
Was können Sie zum Preis für eine Fahrkarte für die Fahrt mit der Seilbahn sagen?
Das wird Bestandteil der ÖPNV-Tarife. Jedes Zeitticket – Semesterticket, Schülerticket, Jobticket – wird zur Fahrt mit der Seilbahn berechtigen. Stand heute hoffe ich, dass der Tarifdschungel sich im Wesentlichen aufgelöst hat bis zum Start des Projekts. Bei einem Einzelticket würde ich heute sagen, reicht die günstigste Preisstufe, also wahrscheinlich 1a (Anm. d. Red.: Ein solches Ticket kostet aktuell für Erwachsene 2,50 Euro, für Kinder 1,30 Euro).
Müssen am Hang des Venusbergs zwischen der Endhaltestelle auf dem Uniklinik-Gelände und der Haltestelle Loki-Schmidt-Platz in Kessenich Bäume für die Trasse gefällt werden?
Es muss keine Schneise durch den Wald geschlagen werden, weil das Seil mit einer entsprechend großen Stütze oben am Berg mit den Gondeln über die Bäume hinweg führen wird und nicht durch den Wald.
Wie sieht es mit der angedachten potenziellen Verlängerung der Seilbahn vom Schießbergweg in Ramersdorf den Ennert hinauf nach Niederholtorf aus?
Auch das ist eine Prüfaufgabe, die zu den Untersuchungen gehört. Wir werden die Machbarkeit prüfen, wie wir das für die Stammstrecke im Vorfeld gemacht haben. Da geht es um die technische Machbarkeit, aber auch weitere Fragen: Wieviel Privatgrund muss die Seilbahn überqueren? Wie sieht es mit dem Naturschutz aus? Es muss eine erste Einschätzung der verkehrlichen Bewertung geben.
2024, wenn Ihre aktuelle Wahlperiode als Stadtbaurat zu Ende geht, wird es die Seilbahn noch nicht geben. Werden Sie sich in zwei Jahren erneut zur Wahl stellen?
Ein Wahlbeamter muss sich positionieren….
… die Frage ist wie?
Die Seilbahn ist dann ja noch nicht fertig. Also werde ich natürlich weitermachen. Ich werde mich zur Wahl stellen.
Also ist die Seilbahn so etwas wie ein Herzensprojekt von Ihnen?
Nein und Scherz bei Seite! Das ist objektiv ein wichtiges Projekt für die Stadt. Natürlich wäre es auch schön, wenn man ein solches Verkehrsprojekt zu Ende bringen kann. Aber das ist nicht die Hauptmotivation für die Stadt Bonn weiterarbeiten zu wollen. Meine Aufgabe ist sehr spannend und fordernd. Ich arbeite sehr sehr gerne für die Stadt. Bonn ist eine tolle Stadt. Sie nimmt nach wie vor eine gute Entwicklung. Da macht es Spaß und ist in meinem Beruf hochinteressant daran mitzuwirken. Das ist der Punkt. Nicht dieses eine Projekt.
Sie sehen Seilbahnprojekt als Teil der Verkehrswende in Bonn?
Ich finde gut, dass Sie das ansprechen. Ja, das ist ein Element in einem Gesamtsystem. Verkehrswende heißt ja den Umweltverbund zu stärken, das Auto weniger notwendig zu machen. Der ehrgeizige, noch vor der letzten Kommunalwahl gefasste Beschluss ist, dass der Anteil der mit dem Auto zurückgelegten Wege in Bonn nur noch 25 Prozent betragen soll. Wenn man das erreichen will, muss man die Alternativen verbessern. Das machen wir in hohem Tempo im Bereich Radverkehr, aber auch im Bereich ÖPNV. Wir wollen auf allen Stadtbahnlinien den 5-Minuten-Takt. Stand heute kann die Umsetzung 2026 erfolgen, wenn die Stadtwerke die 22 neuen Bahnen angeschafft haben.
Dann haben wir die Infrastrukturmaßnahmen für die Schiene. Das Projekt Westbahn zum Beispiel ist ein ganz wichtiges Puzzlestück. Da haben wir für die Planung endlich die Förderzusage.
Was ist die Westbahn?
Das ist die Bahn, die über die Endenicher Straße nach Westen in Richtung Hardtberg führen soll. Das ist auch ein ganz wichtiges Projekt, denn beim Blick auf den Stadtplan sieht man, dass da ein ganz großer Bereich nicht an die Schiene angebunden ist. Dazu gehört dann auch die Verlängerung der Stadtbahn Buschdorf und ein interkommunales Schienenprojekt – Rhein-Sieg-Kreis, Stadt Köln und wir – die Niederkasseler Stadtbahn.
Das sind zusammen mit dem Zentralen Omnibusbahnhof, für den wir jetzt endlich die Planung beauftragen können, die zentralen Infrastrukturprojekte. Wenn Sie das alles zusammen betrachten – die Angebotsverbesserung im Bestand, den Infrastrukturausbau und die Fahrradtauglichkeit der Stadt – dann ist es auch realistisch, dass wir für das Auto in vielen Bereichen Alternativen schaffen können.
Wo liegt der Anteil der mit dem Auto zurückgelegten Wege in Bonn jetzt?
2008 lag der Anteil bei 46, 2017 bei 41 Prozent. Aktuell werden wieder neue Daten erhoben. Ich hoffe, dass wir Ende nächsten Jahres die neuen Daten vorliegen haben. Ich bin gespannt auf die Ergebnisse, weil ich glaube, dass es da eine Veränderung gibt. Von 2008 auf 2017 hatte sich der Autoanteil schon um fünf Prozentpunkte verringert.
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Es geht um die Umverteilung des öffentlichen Raumes. Das bedeutet eine Veränderung für den Autoverkehr. Es geht nicht darum, das Auto zu verbieten. Wir verteilen die Nutzung des öffentlichen Straßenraumes neu. Es ist im Sommer auf der Oxfordstraße umverteilt worden für mehr Sicherheit und mehr Radverkehr. Das Rheinufer: Das ist auch so ein Projekt, das da hineinpasst. Dort reduzieren wir den Autoverkehr stark. Wir haben dort – auch nicht mit durchgängigem Applaus – Parkplätze weggenommen. Diese Parkplätze wurden vor allem von Pendlern genutzt. Die Anwohner hatten davon wenig. Die Parkplätze sind jetzt weg. Wir werden den Raum mit dem Projekt Rheinufer ganz anders gestalten und haben dadurch einen hohen städtebaulichen Gewinn.