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Uni BonnGeheimnis um Wassersaurier gelüftet

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Ein wendiger Räuber im Wasser war der Ichthyosaurier Thalattoarchon saurophagis. Er konnte weit größere Meeresbewohner als hier in der Ansicht angreifen.

Bonn – Er war ein wahrer Gigant der Weltmeere und stand als Topräuber ganz oben in der Nahrungskette: Der Ichthyosaurier Thalattoarchon saurophagis - zu Deutsch "saurierfressender Meeresherrscher" - lebte vor rund 244 Millionen Jahren und war der Schrecken der Ozeane. Mit 8,6 Metern Länge besaß er eine optimale Größe für einen Jäger und war wohl der größte Meeresräuber seiner Zeit. Bereits 1998 in den abgelegenen Augusta Mountains in Nevada (USA) direkt neben einem schmalen, von Wildpferden ausgetretenen Pfad entdeckt, hat ein Forschungsteam unter Leitung von Professor Martin Sander vom Steinmann Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie der Universität Bonn jetzt die Geheimnisse des Wassersauriers wissenschaftlich gelüftet. Die Ergebnisse werden diese Woche in der Zeitschrift "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS) online publiziert.

"Die Entdeckung war für uns völlig unerwartet, die Ergebnisse unserer Untersuchungen sind überraschend", so Sander gestern im Gespräch. "Bisher galt die allgemeine wissenschaftliche Auffassung, dass es solche gigantischen Räuber um diese Zeit nicht mehr gibt." Denn nach einem großen Artensterben vor etwa 252 Millionen Jahren fing das Leben auf der Erde praktisch wieder bei Null an. "Dieser Fund ist der geologisch älteste Beleg für ein von Landtieren abstammendes Meeresraubtier und der früheste Vertreter dieser Lebensweise. In nur acht Millionen Jahren bringt die Evolution diesen Ichthyosaurier hervor, was uns zeigt, dass zu dieser frühen Zeit schon ein im Prinzip modernes Nahrungsnetz entstanden war", so der 52-jährige Paläontologe.

Abstammung

Aufgrund der Paddel, praktisch modifizierte Landextremitäten, ist sich Sander sicher, dass das Raubtier, das einem gigantischen Delfin mit Raubzähnen ähnelt, von Landtieren abstammt. Von welchen, lässt sich nicht sagen - eine ähnliche Entwicklung wie bei Walen, bei denen man heute aber weiß, dass sie von Huftieren abstammen und eng mit dem Flusspferd verwandt sind. "Aber die Fossilüberlieferungen sind so lückenhaft, dass wir nicht alle Fragen beantworten können", so Sander.

Erhalten sind der Schädel bis auf die verwitterte Schnauze, Teile der Flossen und die Wirbelsäule bis zur Schwanzspitze. Die Bergung des Ichthyosauriers war so aufwendig, dass sie erst 2008 mit Unterstützung der National Geographic Society durch die Bonner Forscher durchgeführt werden konnte. Der Transport erfolgte mit Helikopter und Lastwagen.

Bei diesem Fund aus Nevada handelt sich um einen frühen Vertreter der Ichthyosaurier, einer Gruppe mariner Reptilien, die zeitgleich mit den Dinosauriern lebte und 160 Millionen Jahre lang die Meere des Erdmittelalters beherrschte. Thalattoarchon hatte einen mächtigen Schädel, und die Kiefer waren mit großen Zähnen bewehrt, die scharfe Schneidekanten aufwiesen, mit denen andere marine Reptilien gepackt und zerlegt werden konnten. Mit zahlreichen Arten beherrschten Ichthyosaurier die Meere und ernährten sich weitgehend von Fischen, Tintenfischen und Muscheln. Nur Thalattoarchon saurophagis hatte eine Vorliebe für andere Ichthyosaurier.

Die Fischechsen starben vor 93 Millionen Jahren aus. Wie und warum - das wird wohl ebenfalls ein Rätsel bleiben. "Unsere Arbeit lässt sich im Goldfuß-Museum im Institut für Paläontologie an der Nußallee 8, wo wir Fossilien aus der ganzen Welt zeigen, schön nachvollziehen", empfiehlt Sander.