„Beratung to go“ in Eitorff „Tanke“ wartet auf die Rückkehr der Jugendlichen
Eitorf – Vor dem Bahnhof steht ein bunter Imbisswagen, die „Tanke“. Dort gibt es kein Benzin oder Würstchen, im Angebot sind vielmehr Beratung und Spiele. Die mobile Sozialstation der Diakonie ist der Arbeitsplatz von Jürgen Meyer. Seit 15 Jahren stemmt der Sozialarbeiter dreimal in der Woche die Klappe hoch, dann treffen sich Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre.
Zwischen 80 und 100 von ihnen kämen an einem normalen Tag vorbei, sagt Meyer: „Zum chillen, Bravo lesen oder Musik hören.“ Er bietet ihnen frisches Obst an, ein offenes Ohr. Oder einfach eine Runde „Mensch ärgere dich nicht“. Natürlich war in den vergangenen Wochen alles anders: Infektionsschutz, Schulschließungen – Meyer hatte nur noch über soziale Medien Kontakt zu den Jugendlichen, die er sonst ständig im Auge behält. „Ich war sehr deprimiert.“
Erwachsene sind nur Gäste
Er machte sich Sorgen, dass die Jugendlichen nur noch vor dem Handy oder Computer hängen oder auf andere dumme Gedanken kommen: „Drogen, Alkohol oder Gewalt – wir wissen es nicht.“ Viele Jugendliche seien in den Lockdown-Wochen auf sich gestellt gewesen, sagt Meyer. „Da ist ein psychosozialer Schaden entstanden, den wir noch nicht absehen können.“ In etlichen Familien fehle Geld, um sich ein Tablet oder einen Computer zu kaufen – ohne diese könnten die Kinder und Jugendlichen aber nur schwer am digitalen Unterricht teilnehmen.
Die Einrichtung
Die „Tanke“ ist ein Angebot der mobilen Jugendarbeit des Diakonischen Werks An Sieg und Rhein. Der umgebaute Imbisswagen mit Spielen und Beratungsangebot für Jugendliche ist montags, donnerstags und freitags in der Regel von 12 bis 18 Uhr geöffnet. Die Einrichtung ist zertifiziert nach den Standards von „Gut drauf“, dem Programm der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zur Verbesserung der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. (r)
www.diakonie-sieg-rhein.de/tanke-chille
Am Arbeitsort von Meyer, dem Platz vor dem Eitorfer Bahnhof, kommen jeden Tag viele Schüler der weiterführenden Schulen aus dem Umkreis vorbei. Bei dieser Gelegenheit gelangen sie oft zur „Tanke“. Meyers Philosophie heißt: „Beratung to go“. Anders als in einem klassischen Jugendzentrum hat nicht die Diakonie das Hausrecht am Bahnhof, sondern die Jugendlichen. „Wir Erwachsenen sind hier die Gäste“, stellt Meyer klar. Er fragt nach der Schule, wie es mit den Eltern läuft – das reicht meist, um ins Gespräch zu kommen. Was dann folgt, ist vertraulich und unterliegt der Schweigepflicht. Er verpfeift oder bestraft die Kinder nicht. „Das schafft Vertrauen.“
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Der heute 56-jährige hatte nach seiner Schulzeit zunächst eine Ausbildung zum Industriekaufmann gemacht. „Aber schon während der Ausbildung war mir klar, dass das nicht mein Metier ist.“ Von seinem Engagement in Sportverein und Pfadfindern wusste er: „Ich wollte immer mit Menschen arbeiten und etwas tun, das sinnvoll ist.“ Er entschied sich, Sozialarbeit zu studieren. Heute ist er froh, dass es nach der Corona-Pause wieder losgeht. Sobald die Schulen wieder komplett öffnen, wird es auch an der Tanke voll, da ist er sicher. „Die Jugendlichen sind viel flexibler als die Alten. Die haben sich längst an den Mundschutz gewöhnt.“