Stolpersteine und FriedhofErinnerung an jüdische Mitbürger Eitorfs
Eitorf – Hanna, Ilse Grete und Lieselotte Hirschberg, das waren drei Eitorfer Schulmädchen. Jüdinnen. Ein Foto gibt es von Hanna auf Klassenausflug, ausgerechnet nach Burg Vogelsang, ein lachendes Mädchengesicht inmitten ihrer Klassenkameradinnen. 17 Jahre alt war sie, als im Juli 1942 die Nazi-Schergen kamen und sie abholten, sie und ihre 13- und 15-jährigen Schwestern. Ihre Mutter Karoline wurde mit den Töchtern in die Kölner Messehallen gebracht, von wo aus die vier einen Tag später ins Konzentrationslager Minsk deportiert wurden. Vater Siegfried blieb allein zurück.
„Ich stelle mir das schrecklich vor“, sagt Judith Neulen, „nicht zu wissen, was mit der Frau und den Kindern passiert.“ Mit ihrem Mann Hermann und Matthias Ennenbach hat sie dafür gesorgt, dass die Erinnerung an die Familie Hirschberg wach bleibt: Für sie und andere Opfer des Nationalsozialsozialismus haben die drei Stolpersteine verlegen lassen, Spenden aus der Eitorfer Bevölkerung finanzierten das Projekt. Vor der Adresse Maibergstraße 27 sind fünf Steine eingelassen für die Familie Hirschberg. Denn auch Vater Siegfried entkam der Verfolgung nicht: Der angesehene Eitorfer Bürger, der im Ersten Weltkrieg für Deutschland gekämpft hatte und mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden war, wurde 1944 ebenfalls nach Minsk deportiert und ermordet.
75 000 Stolpersteine auf der Welt
Weiße Rosen legen Neulen und Ennenbach an den Stolpersteinen ab, die Gunther Demnig 2009 an neun Stellen auf Gemeindegebiet verlegt hat. 75 000 Steine in 1265 Städten in 26 Ländern hat der Kölner Künstler bis heute gesetzt. Eitorf sei immer ein weißer Fleck auf der Landkarte der Erinnerung gewesen, sagt Ennenbach, das hätten sie ändern wollen. Das Trio initiierte auch die Stele auf dem Jüdischen Friedhof, die der Steinmetz und Künstler Rolf Schreuer schuf. Gerade und poliert wie ein perfektes Leben, das am Ende plötzlich abreißt, sei die Stele, die Rückseite hinter der Fassade gesplittert und gebrochen.
Schmücken will sich keiner der drei mit diesem Engagement; das Gedenken an die jüdischen Mitmenschen in der Gemeinde – 1936 lebten 38 Juden in Eitorf – steht für sie im Vordergrund. Wenn eine Person den Verfolgten und Ermordeten wieder ein Gesicht gebe, dann sei das Demnig, der mit seinen Stolpersteinen das größte dezentrale Mahnmal der Welt schuf. „Wir haben nur dafür gesorgt, dass es in Eitorf umgesetzt werden konnte“, so Judith Neulen.
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Führungen zu den Stationen jüdischen Lebens bieten sie und Matthias Ennenbach an, insbesondere für Schulklassen. Einen „Gang des Gedenkens“ hatten sie geplant, der an die Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 erinnern sollte. Auch in Eitorf schlugen SA-Truppen zu, die aus Waldbröl gekommen waren. Sie zerschlugen die Schaufenster des Kaufhauses Kahn am Markt 14 und den Betsaal in der Leienbergstraße 10. Die aufwändig gestalteten Bleiglasfenster wurden zerstört, der Betsaal verwüstet.
Die religiösen Kultgegenstände waren bereits zuvor in Sicherheit gebracht worden, laut Ennenbach hatte ein Eitorfer Mitglied der Zentrumspartei die Thorarolle im Keller hinter einer eigens angebrachten Sperrholzplatte versteckt. Kaufhaus-Inhaberin Bertha Kahn, die vier Wochen zuvor mit ihren beiden Kindern nach Tel Aviv geflohen war, kehrte vor ihrem Tod noch einmal nach Eitorf zurück – um die Thora zurückzufordern. 1970 wurde sie neben ihrem 1927 gestorbenen Mann Josef beigesetzt – es war die letzte Beerdigung auf dem seit dem Zweiten Weltkrieg geschlossenen, acht Gräber umfassenden Friedhof.