Testlauf gescheitertStahl des neuen Eitorfer Sportbeckens weist erhebliche Mängel auf
Eitorf – Weiße Kränze auf dem Metall, rostrote Schlieren, viele helle Pünktchen im Boden des Sportbeckens – was für Laien beinahe wie ein abstraktes Kunstwerk aussieht, bereitet der Gemeindeverwaltung Sorgen.
Einen beginnenden Lochfraß im Edelstahlbecken haben die Fachleute im Qualitätsstahl festgestellt. Etwas, das eigentlich nicht möglich ist bei der Güte V4A 1.4404 – so lautet die Bezeichnung des Werkstoffs. Nichtrostend soll der Stahl sein, eine hohe Korrosions- und Säurebeständigkeit haben. Nicht bloß für Schwimmbecken geeignet, auch für die chemische Industrie, für Abwasseranlagen, Offshore-Bauten.
Testlauf ist gescheitert
Und dennoch hocken Bürgermeister Rainer Viehof und Betriebsleiter Axel Bösinghaus im 2,20 Meter tiefen Sportbecken des fast fertig gestellten Hermann-Weber-Bades und begutachten stirnrunzelnd den Stahlboden. Was hier passiert ist, gibt ihnen Rätsel auf. Nach einem Testlauf, bei dem das acht mal 25 Meter große Becken mit Wasser gefüllt wurde, waren die Unregelmäßigkeiten am 17. November aufgefallen. „Der Rost am Beckenboden hat mich gestört“, sagt Bösinghaus. Das chlorhaltige Wasser wurde abgelassen, der Boden trocknete, zurück blieben ein paar Wasserkränze.
Das Becken wurde gereinigt. „Wir wissen damit umzugehen“, sagt der langjährige Leiter des Eitorfer Schwimmbades. Doch diesmal wurde das Becken nicht sauber. Es gab grünliche Verfärbungen, staubähnliche Partikel traten aus. Winzig kleine Löcher in der Oberfläche wurden sichtbar. Und als am Schluss mit dem Wasserschlauch das Becken abgespritzt wurde, verblassten die schwarzen Tauchstreifen im Stahlboden.
„Wie kann denn so etwas sein?“, fragt sich der Bürgermeister – und wohl nicht nur er. Viehof fährt mit der Hand über den Stahlboden und hat weiße Rückstände an den Fingerspitzen. Auch Betriebsleiter Bösinghaus und die am Bau beteiligten Fachleute können sich das Schadensbild an dem rund 350 000 Euro teuren Becken, das im Zuge der Generalsanierung erst vor kurzem eingebaut wurde, nicht erklären.
In Einzelteilen wurden die Stahlplatten geliefert und vor Ort zusammengeschweißt. Wie der Erste Beigeordnete Karl Heinz Sterzenbach in der Ratssitzung erklärte, rätsele auch der Unternehmer Monte Mare, das mit der Sanierung beauftragte Planungsbüro, wie der Lochfraß möglich ist, eine chemische Reaktion des Stahls.
Angriffspunkt für Korrosion
Lochfraß ist eine gefürchtete Korrosionserscheinung, die bis zum völligen Durchlöchern stählerner Bauteile (sowohl von Rohren als auch Behältern) führen kann. Sie ist in der Anfangsphase nur sehr schwer festzustellen und tritt besonders in Wasserleitungssystemen auf. Die aus Oxiden bestehende passive Schutzschicht von Edelstahl kann winzigste Fehlstellen, zum Beispiel durch eingelagerte Fremdmetallpartikel, aufweisen und so durch Chemikalien angegriffen werden.
Chloridionen sind darunter die häufigsten, auch Salze und Bleichmittel oder erhöhte langanhaltende Temperaturen und Sauerstoffmangel an der Oberfläche können Ursache sein. An diesen Fehlstellen wird aus der Oxidschicht des passivierten Metalls der Sauerstoff verdrängt. Es entsteht eine Fläche, die nicht mehr durch eine Oxidschicht geschützt ist und einen Angriffspunkt für Korrosion bietet. Hochwertige Edelstähle sollten solchen chemischen Angriffen jedoch standhalten. Als besonders widerstandsfähiger Werkstoff gilt unter anderem Stahl der Güte V4A 1.4404.
(Quelle: u.a. Chemie.de)
Bad soll trotzdem diesen Sommer in Betrieb gehen
„Zum Glück sind die Mängel vor der Abnahme aufgefallen“, sagt Viehof im Gespräch mit dieser Zeitung. In Betrieb werde das Hermann-Weber-Bad dennoch gehen können, vorsichtig geplant könnte dies sicher noch diesen Sommer sein. Die jetzt festgestellten Schäden im Stahlbecken beeinträchtigten den Zeitplan nicht, sie seien nur oberflächlich.
„Uns geht es jetzt um eine Bestandsaufnahme“, betont Viehof. Denn Ursache und Ausmaß der Schäden müssen eruiert und herausgefunden werden, wer dafür die Verantwortung trägt. Auch wolle man wissen, ob schadhafte Stellen repariert oder ausgetauscht werden könnten oder gar das ganze Becken erneuert werden müsse. Aber selbst da bleibt er für den Betrieb optimistisch: „Sollte es so kommen, dann kann ein Austausch in den zwei Wochen um Weihnachten und Silvester herum passieren.“
Unter dem Hubboden wurden nun zwei betroffene Stücke Stahl entnommen und zur metallurgischen Untersuchung ins Labor gegeben. Dort soll geklärt werden, wie der beginnende Lochfraß geschehen konnte, ob es eine chemische Reaktion gab. Und ob der verwendete Stahl wirklich die Güteklasse hat, die er haben soll.
„Es gibt Lieferketten, der Stahl wird zertifiziert“, erläutert Bösinghaus. Dieses Zertifikat liegt vor, sollte sich der verwendete Werkstoff dennoch als minderwertig herausstellen, sei die Herstellerfirma in der Pflicht.
Aber auch ein anderes Szenario kann er sich vorstellen: dass beim Reinigen nach den Fliesenarbeiten rund um Sport- und Spaßbecken mit einem salzsäurehaltigen Mittel gearbeitet worden ist, um den Zementschleier zu beseitigen. Dieses Mittel könnte beim Abwaschen dann in die beiden Becken gelangt sein. Auch hier wären Verursacher auszumachen. Klarheit werde hoffentlich das Ergebnis aus dem Labor bringen, das die Verwaltung in wenigen Wochen erwartet.