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„Gehört Mut zu“Von Köln nach Windeck – Zwei Familien berichten vom Umzug aufs Land

Lesezeit 5 Minuten
Ein Mann mit Mütze und Brille steht in einem Garten. Er hält ein Kind auf dem Arm, dessen Gesicht von der Kamera abgewandt ist. Ein weiteres Kind macht einen Handstand und schaut dabei in Richtung des Bodens.

Tobias Reich mit seinen beiden Töchtern

Gentrifizierung gibt es auch auf dem Land. Zwei Familien sind glücklich über ihren Umzug nach Windeck. Sie schätzen das kulturelle Angebot.

Von einem Haus nahe der Natur, weit weg von der Enge der Stadt träumen viele Menschen. Zwei Familien erzählen, warum sie aus der Großstadt Köln aufs Land – nach Windeck – gezogen sind.

Alexandra und Tobias Prellwitz entschlossen sich 2019, Köln-Ehrenfeld hinter sich zu lassen, und zogen nach Altwindeck. „Wir haben uns die Frage gestellt, wo wir leben möchten, und uns Häuser in Bergisch Gladbach und Dormagen angesehen, aber da war es deutlich teurer“, erzählt die 39-Jährige.

Stattdessen sei Windeck ein Thema geworden. „Das kannten wir durch den Biergarten Elmores. Wir wollten etwas ohne Einflugschneise und waren von der alternativen Szene angetan. Aber es gehörte schon Mut dazu, so weit raus zu ziehen, wir kannten hier ja auch niemanden“, sagt Tobias Prellwitz.

Alexandra und Tobias Prellwitz sind von Köln nach Windeck gezogen

Und doch kauften sie 2019 ein Haus, noch vor der Pandemie. „Danach sind die Preise in die Höhe gegangen, das hätten wir uns auch nicht mehr leisten können“, sagt Alexandra Prellwitz. Es wurde das Zuhause des sechsjährigen Jasper und seinen beiden Schwestern Marlene und Josefine, vier Jahre und ein Jahr alt.

„Wir hatten nie Probleme, die Kinder in Betreuung zu kriegen. Hier gibt es nicht nur Kindergarten und Grundschule in der Nähe, sondern auch Metzger, Bäcker und Supermarkt. Wenn das Wetter es zulässt, lassen wir das Auto stehen“, sagt Tobias Prellwitz. Er und seine Frau arbeiteten weiterhin in Köln bei dem gleichen Unternehmen.

„Wir wären hier auch nicht hingezogen, wenn es die direkte Bahnverbindung nicht gäbe. Von Tür zu Tür brauchen wir eine Stunde und zehn Minuten. Nutscheid oder Leuscheid kamen nicht infrage, dafür zieht sich die Fahrt mit dem Auto zu lang.“

Wenn wir ein paar Meter aus dem Ort gehen, ist da nur Wald – das ist Erholung pur.
Alexandra Prellwitz, über die Vorteile auf dem Land zu leben

Und abseits der Arbeit: „Hier gibt es nicht so viele Freizeitangebote wie in Köln oder Siegburg“, räumt Tobias Prellwitz ein. „Die hohe Restaurant-Dichte ist für viele Ehrenfelder ein Thema“, sagt der 45-Jährige. „Dafür sind wir nah an der Natur. Wenn wir ein paar Meter aus dem Ort gehen, ist da nur Wald – das ist Erholung pur“, ergänzt seine Frau.

„Wir gehen zu den Konzerten im Elmores, das Angebot am Kulturbahnhof Au finde ich auch sehr ansprechend. Windeck hat Potenzial, das muss mit der Zeit wachsen. Es gab noch keinen Tag, an dem wir daran dachten, von hier wegzuziehen.“

Die Gemeinde Windeck wächst laut Bürgermeisterin Alexandra Gauß

Dass Windeck wächst, lässt sich auch in Zahlen festhalten. „Die Bevölkerungszahl steigt, das Durchschnittseinkommen auch, außerdem hatten wir zuletzt sieben Prozent mehr Geburten, ganz im Gegensatz zum Trend in der Region“, berichtet Bürgermeisterin Alexandra Gauß. „Wir sind eine wachsende Kommune: Die gute Bahnanbindung gegenüber Köln, Bonn und Siegen wirkt sich auf den Zuzug aus.“

Nicht zuletzt habe die Gemeinde in den vergangenen drei Jahren 200 neue Kita-Plätze geschaffen. „Jede Grundschule hat ein Ganztagsangebot, außerdem haben wir alle Schulformen“, listet die Bürgermeisterin auf.

Eine vierköpfige Familie steht in einem Wohnzimmer mit großen Fenstern.

In Altwindeck leben Tobias und Alexandra Prellwitz, hier mit Jasper und Josefine.

Vor Kurzem erhielt die Gemeinde als eine von fünf Kommunen den Familienpreis des NRW-Familienministeriums. „Wir haben einfach mal aufgeschrieben, was für niederschwellige Angebote zur Beteiligung wir haben, Leseangebote in den Kitas beispielsweise. Das hat die Jury überzeugt“, sagt Gauß. Zwar zähle Windeck weiterhin zu den strukturschwachen Kommunen, die Kasse sei häufig leer. „Da müssen kreative Lösungen her, die Menschen organisieren im Ehrenamt Spielplätze, Dorfgemeinschaftsräume oder Kulturveranstaltungen. Wir fördern solche Initiativen.“

Bürgermeisterin Alexandra Gauß sieht keine Probleme in Gentrifizierung

Gauß ist selbst in Windeck aufgewachsen, lebte einige Jahre in den Metropolen des Rheinlands und in Dublin, ehe sie wieder ins Ländchen zog. „Ich führe die Verwaltung seit 2019 mit meinen Mitarbeitenden als Team. Wir waren damals erst um die 40. Deswegen sind wir relativ offen und wollen unsere Heimat entwickeln“, sagt sie. „Das ist ein Prozess, aus dem man lernen kann.“

Probleme sieht Gauß in der Gentrifizierung ihrer Heimat nicht. „Auch wir durchleben den demografischen Wandel. Wir bräuchten kleinen, bezahlbaren Wohnraum, am besten in Rosbach, denn da gibt es alles, was man braucht.“ Doch Familien suchten Einfamilienhäuser mit Garten. „Wer zu uns kommt, sucht auch gezielt danach. Die neue Landliebe kommt uns entgegen.“

Für Tobias Reich ist die Anbindung zum neuen Zuhause entscheidend

Ebenfalls in Altwindeck hat Tobias Reich mit seiner Frau und seinen zwei und neun Jahre alten Töchtern ein Zuhause gefunden. „Wir haben bis 2021 in Köln gelebt und immer mal überlegt, umzuziehen. So weit draußen wollten wir eigentlich nicht leben, haben es dann aber einfach mal ausprobiert“, sagt der 42-Jährige.

„Die Menschen hier sind recht offen, auf der Straße sind wir schnell in Kontakt gekommen.“ Anders als Familie Prellwitz wohnen sie zur Miete. „Wir waren vor 17, 18 Jahren zum ersten Mal hier, im Elmores. Ich habe auch eine Zeit lang als Mountainbike-Trainer in Schladern gearbeitet“, sagt er. Heute ist er als Lehrer in Eitorf tätig.

„Die Bahnverbindung ist ein Riesending, so können uns Freunde aus Köln besuchen. Wären wir mitten im Westerwald, hätten wir das nicht gemacht.“ Durch das Stadt-Land-Fluss-Festival, ein mehrtägiges Kulturfest, habe die Familie viele Leute kennengelernt. „Natürlich ist das Angebot begrenzt. Musikunterricht für die Kinder ist schwierig zu finden, und für das Leichtathletik-Training fahren wir unsere Tochter nach Nümbrecht“, sagt Reich.

Ausschließen könne er eine Rückkehr in die Stadt nicht. „Das Leben auf dem Dorf ist anders: Wir haben jetzt ein Haus, vorher eine Wohnung. Jetzt beschäftigen wir uns mit Holz machen im Garten. Wir schätzen das Angebot vor Ort, gerade im Sommer. Dann ist in den Gärten einiges los.“